S21-Baulogistik auf dem alten Nordbahnhof-Güterbahnhof

Ein kleiner Ausschnitt des seit über einem Jahrzehnt nicht mehr genutzten Güterbahnhofs an der S-Bahn-Station Nordbahnhof. Längst hätte man auf dem riesigen Brachgelände einen neuen Stadtteil entwickeln können, doch das Projekt Stuttgart 21 verhindert genau dies! Denn für S21 wird das höchst attraktiv gelegene Gelände (zentrumsnah, ruhig und bestens ÖPNV-erschlossen) über die gesamte Bauzeit von 15 bis 20 Jahren als Materialumschlagplatz gebraucht. Genau hierhin sollen 2400 LKW am Tag die Millionen Kubikmeter Tunnelaushub aus dem Filderaufstiegstunnel sowie dem Innenstadttunnelring ankarren und in umgekehrter Richtung alle notwendigen Materialien für den Ausbau der 2 x 33 Kilometer Tunnelröhren sowie des Tiefbahnhofs verfrachten.

Zu diesem Zweck sollen hier einige der alten Gütergleise reaktiviert und etliche Verladerampen neu gebaut werden. Das Gros der Fläche wird als Materialien-Zwischenlager gebraucht. Seit Herbst 2010 tut sich hier nun was. Auf der hellen Parkplatzfläche vor dem roten Backsteinbau links im Bild wird Schienenschotter für die Gleisverlegearbeiten im Stuttgarter Hauptbahnhof angeliefert und bevorratet.

Ein erster Vorbote der geplanten ›Materialumschlagstelle Nordbahnhof‹ ist die Anlieferung und Bevorratung von Schotter für die Schienenverlegearbeiten im Gleisvorfeld des Hauptbahnhofs. Nebst dem grundsätzlichen Skandal, dass für S21 ein hoher zweistelliger Millionenbetrag aus Steuerzahler- und Bahnfahrergeldern in die vorübergehende Verlegung von Weichen, Signalen, Oberleitungsmasten etc. im Gleisvorfeld gesteckt wird, um diese Investition mit Fertigstellung von S21 gleich wieder zu verschrotten, beinhaltet die Art der Anlieferung des Schotters gleich noch einen Skandal, der das grundsätzlich gestörte Verhältnis der weithin bahnfremd besetzten Bahnführung zur Schiene bestens illustriert. Wird der Schotter doch per LKW-Flotte vom 130 Kilometer entfernten Schotterwerk Hausach im Schwarzwald an den Stuttgarter Nordbahnhof geliefert, um sodann die letzten 2 Kilometer auf der Schiene per Güterzugwaggons in den Bahnhofsbereich gebracht zu werden! Und dies, obwohl den Steinbruch in Hausach gerade einmal die 12 Meter Breite einer Bundesstraße von der bestens geeigneten zweigleisigen und elektrifizierten Schienenstrecke Hausach-Karlsruhe-Stuttgart trennen, siehe Google-Maps.

Dass es für die meisten Privatfirmen noch immer billiger ist, selbst schwerste Güter in großen Mengen über die Straße zu transportieren, ist schon schlimm genug. Dass aber selbst in einem Fall wie diesem hier, in dem die Nachfrage nach Schwergut von der Bahn selbst ausgeht, diese trotz schienennächster Lage des Auslieferungsorts dem LKW den Vorzug gibt, spricht Bände über das vorherrschende Denken im ehemaligen Schienenunternehmen Deutsche Bahn!

Wie jüngst auf den Parkschützer-Statement-Seiten zu lesen war, haben die Mieter der an das Schotterlager angrenzenden Firmengebäude ihre Kündigungen erhalten, um die Gebäude abreissen zu können, um ausreichend Platz für die gigantischen Materialumschlagmengen zu schaffen, die ein 10-Milliarden-Euro-Bauprojekt so mit sich bringt.

Vorläufige (!) Einschätzung/Bewertung

Die Reaktivierung alter Gütergleise und der Bau neuer Verladerampen im Gefolge fortschreitender S21-Bauarbeiten im Stadtzentrum ist zwar auch eine Verschwendung von Bahn- und Steuerzahler-Mitteln, scheint aber vor dem Hintergrund der Dimensionen des Gesamtprojekts verschmerzbar. Die ausschlaggebende „Schlacht“ um Stuttgart 21 wird in der Innenstadt gefochten, gewonnen oder verloren. Die ›Umschlagstelle Nordbahnhof‹ ist eine von deren Ausgang abhängige Variable.

Fotos: Klaus Gebhard

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3 Antworten zu S21-Baulogistik auf dem alten Nordbahnhof-Güterbahnhof

  1. Karin sagt:

    Seit der Bankenkrise, die durch Steuergelder aufgefangen wurde, scheint die Öffentlichkeit sich an hohe Summen gewöhnt zu haben.
    Wer beachtet heutzutage noch Millionenbetrage, wenn der Steuerzahler für Milliardenbeträge haften soll?

  2. Pingback: S21-Baulogistik auf dem alten Nordbahnhof-Güterbahnhof | Initiative Barriere-Frei

  3. Mitdenker sagt:

    Hm, dazu fallen mir spontan zwei Dinge ein:

    1.) Das der Gütertransport auf der Schiene in den meisten Fällen teurer ist als der per LKW ist leider politisch so gewollt. Solange den Spediteuren die Infrastruktur für ihre LKW (sprich Strassen, öffentliche Parkplätze, etc.) kostenfrei zur Verfügung gestellt werden dürfte es schwierig werden da gegenanzukommen. Die LKW Maut gleicht das längst nicht aus. Auch wenn man sich hier auf das Feindbild Bahn eingeschossen hat schadet es nicht über die eigentlichen Ursachen nachzudenken.

    2.) Irgendwie eigenartig das einerseits über die viel zu hohen Kosten gejammert wird, andererseits aber auch kritisiert wird wenn für eine S21 Aufgabe die kostengünstigste Variante (in diesem Fall eben LKW) gewählt wird. Hautpsache man hat nochmal einen Pseudo-Beweis gefunden das die ja alle so böse sind. Da macht es dann auch nichts aus das die verschiedenen Argumentationen nicht ganz zueinander passen.

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