Offener Brief an das Aktionsbündnis gegen S21 und die demokratische Bewegung

Offener Brief an das Aktionsbündnis gegen S21 und die demokratische Bewegung.
Wie geht es nach der Volksabstimmung zum Bahnprojekt Stuttgart 21 weiter?

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

am 27.11. 2011 sollen, nach dem Willen der grün-roten Landesregierung, die Bürgerinnen und Bürger über die Ausstiegsfinanzierung von S21 in Baden-Württemberg entscheiden.

Die neue Landesregierung hat sich, trotz politischer Mahnungen, auf eine Volksabstimmung mit einer undemokratischen Hürde von mehr als 30 Prozent der wahlberechtigten Baden-Württemberger eingelassen. Dieses Quorum ist praktisch kaum zu schaffen. Eine Volksbefragung der Stuttgarter Bürger mit einfacher Mehrheit wäre demokratisch.

In Baden-Württemberg gab es einen Regierungswechsel – aber noch keinen Politik-, geschweige denn einen Machtwechsel.

Jetzt besteht die Gefahr, dass die Protestbewegung zu S21, wie nach der sogenannten Schlichtung mit Heiner Geißler, in ein politisches Loch fällt. Deshalb muss vor der Volksabstimmung klargestellt werden, dass S21 ein durch Missachtung der Verfassung und durch Kostenmanipulation zustande gekommenes Projekt nicht als ‚demokratisch legitimiert‘ bezeichnet werden kann.

Das Aktionsbündnis und die gesamte Bewegung gegen S21 müssen auch nach der Wahl zusammenstehen. Es geht um mehr als um einen Bahnhof.
So wie z. B. der Kauf der EnBW mit fünf Milliarden – am Parlament vorbei – verfassungswidrig ist, so wurde bei S21 ebenfalls an der Bevölkerung vorbei entschieden und die politischen Vertreter/-innen durch Finanzmanipulationen hinters Licht geführt, wie aktuelle Dokumente zeigen (siehe Spiegel Nr. 45, vom 7.11.2011).

Beschwörungen und der Glaube an Wunder für das Ja zum Ausstieg von S21 ersetzen keine nachhaltige politische Strategie.

Legen wir alles bei dieser Volksabstimmung auf die Waagschale und kämpfen wir für jede Ja-Stimme für den S-21-Ausstieg. Seien wir aber auch realistisch und auf jedes Ergebnis vorbereitet, um den Widerstand gegen dieses Projekt fortzusetzen. Deshalb muss vor der Abstimmung deutlich Position bezogen werden wie es weitergeht, sonst droht eine Zersplitterung des Protestes.

Der Weg zur wirklichen Demokratie muss über den Wahltag am 27.11.2011 hinausgehen. Unsere Ja-Stimmen dürfen nicht in der Wahlurne verschwinden, sondern müssen weiterhin lautstark in der Öffentlichkeit gemeinsam gegen das Wirtschaftsprojekt S21 erhoben werden.

Es bleiben also entscheidende Fragen: Wie geht es nach der Volksabstimmung weiter? Sind wir darauf vorbereitet? Welche politische Position nimmt das Aktionsbündnis ein?

Diese Fragen sollten innerhalb der Bewegung vor der Volksabstimmung basisdemokratisch diskutiert werden. Dazu laden wir jeden Samstag um 15 Uhr zu einem Offenen Forum im Schlossgarten/Unser Pavillon ein.

PS: Bei der 100. Montagsdemo am 21.11. sollte per Handzeichen derTeilnehmer/-innen ein Meinungsbild über die Fortsetzung des Protestes zu S21 hergestellt werden.

Dieser Offene Brief wurde am 7.11.2011 nach der Montagsdemo im AK Direkte Demokratie diskutiert und verabschiedet.

Henning Zierock
Gesellschaft Kultur des Friedens
AK Direkte Demokratie

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9 Antworten zu Offener Brief an das Aktionsbündnis gegen S21 und die demokratische Bewegung

  1. Wonko sagt:

    Die Fortsetzung des Protests ist m.E. keine einfache Ja-Nein-Frage, die man per Handzeichen auf einer Demo entscheiden könnte oder sollte.

    Bei jedem denkbaren Ergebnis der Volksabstimmung bleiben selbstverständlich alle rechtlichen Mittel, insbesondere das Planfeststellungsverfahren am Flughafen unberührt. Ebenso das Demonstrationsrecht. Allerdings würde ich bei einer Mehrheit gegen den Ausstieg im Land oder in Stuttgart vermutlich die Lust verlieren und meine Proteste weitgehend einstellen. (Nicht meine Ablehnung und meine Kritik – und wer weiß, was hinterher noch alles bekannt wird, was das Ergebnis zur Makulatur macht …) Meine Haltung wäre in diesem Fall „Dann baut den Sch*** eben. Wir werden ja sehen, wer recht hatte“.

    Wenn es nur am Quorum scheitert sollte, dann tritt in den Vordergrund, worüber eigentlich abgestimmt wurde: Über die finanzielle Beteiligung des Landes. Klar ist, dass dieses Thema (abgesehen von der Verfassungsmäßigkeit) dann gegessen ist. Das Land kann und wird dann nicht aussteigen. Für die anderen Projektbeteiligten (insbesondere die Stadt Stuttgart) hat dies jedoch keine bindende Wirkung. Erst recht nicht für mich als Einzelperson.

    Da nur über die finanzielle Beteiligung des Landes abgestimmt wird, kann weiterhin die finanzielle Beteiligung der Stadt Stuttgart angegriffen werden. (Wie ist eigentlich der Stand in Sachen Klage bzgl. des Bürgerbegehrens in Stuttgart?) Ebenso bleibt der Kostendeckel bestehen. (Leider wird es dabei darauf ankommen, wann er unabstreitbar gesprengt ist – vermutlich zu einem Zeitpunkt wenn die Zerstörung schon zu weit fortgeschritten ist, aber vielleicht noch früh genug, dass wenigstens noch ein Umschwenken auf die Kombilösung möglich wäre.)

    Nicht vergessen darf man dabei auch, dass ein Nein zum Ausstieg ist eben nicht zwangsläufig ein Ja zu S21 ist. Das bedeutet zunächst nur, dass derjenige offenbar auf die Horror-Schadensforderungen und -szenarien der Bahn usw. herein gefallen ist. Umgekehrt kann man davon ausgehen, dass jemand, der trotzdem für den Ausstieg ist, wirklich gegen S21 ist (und nicht nur endlich seine Ruhe von den Gegnern haben will o.ä.).

    Die Fragestellung birgt eben nicht nur ein unfaires Quorum in sich, sondern auch, dass ein Scheitern der Volksabstimmung keineswegs eine demokratische Legitimation des Projekts beinhaltet. Dafür hätte es eine Frage in der Art „Soll sich das Land weiter an S21 beteiligen?“ gebraucht. Das hätte für uns auch den Vorteil gehabt, dass die Befürworter das Quorum erreichen hätten müssen. Dummerweise wäre eine solche Gesetzesvorlage im Landtag nicht gescheitert, hätte also auch nicht zur Volksabstimmung gebracht werden können. Aus ähnlichen Gründen ist für mich das Ergebnis in Stuttgart selbst wichtig. Schließlich ist S21 abgesehen von den Finanzen höchstens in dem Sinne von landesweiter Bedeutung, dass ein Zusammenbrechen des Bahnknotens weithin spürbar wäre. Also sollte auch in erster Linie (die Region) Stuttgart darüber entscheiden.

  2. erdmännchen2 sagt:

    Auch mich beschäftigt die Frage, wie es weitergehen soll nach der Volksabstimmung. Ich habe hier gestern einen längeren Beitrag dazu geschrieben unter der Rubrik: Blog. Stuttgart21: Hat die Polizei eine Straftat ermöglicht und dabei rechtswidrig Bürgerrecht missachtet? ( hier zu finden bei Twittermeldungen).

  3. Lällabäbbel sagt:

    Ich denke, dass wenn sich bei der Abstimmung eine Mehrheit gegen S21 ausspricht, das Quorum aber nicht erfüllt wurde, der Protest ganz von selbst wieder gewaltig anwächst.

    Sollte sich jedoch eine Mehrheit für S21 aussprechen, wird der Protest nur noch aus wenigen „Unverbesserlichen“ bestehen, egal wie schlecht, überteuert und risikoreich dieses Projekt auch ist. Gerade weil in der Protestbewegung seit je her die Rufe nach echter Demokratie im Vordergrund standen, müssen wir auch bereit sein die Stimme des Volkes zu akzeptieren (wohlgemerkt in Form der Mehrheit, nicht in Form des Quorums!) falls sie sich für dieses Projekt ausspricht!

    Ein Quorum in dieser Höhe hat definitiv nichts mit Demokratie zu tun, eine Mehrheit in einer Volksabstimmung ist hingegen Demokratie in seiner ureigensten Form und diese mit fadenscheinigen Argumenten abzulehnen ist lächerlich! Natürlich wurde und wird das Volk getäuscht und belogen, natürlich haben die Befürworter mehr Mittel für die Wahlwerbung, aber die Möglichkeit sich genauer und objektiver zu informieren hat ja nun jeder und in einer Demokratie kann man nicht einfach alle für unmündig erklären, die diese Möglichkeit nicht nutzen und dennoch zur Abstimmung gehen!
    Bei jeder Wahl in Deutschland wird gelogen, getäuscht, getrickst und haben die Parteien extrem unterschiedliche Mittel für die Wahlwerbung zur Verfügung, dennoch stellt deswegen niemand das Ergebnis in Frage!

    Mann sollte m.E. deswegen äußerst vorsichtig agieren mit Aussagen zum Protest nach der Volksabstimmung, solange diese nicht ausschließlich ein verfehltes Quorum betreffen, ist es extrem dünnes Eis, das gesamte Bündnis nicht zu einer „Horde von Spinnern“ zu deklarieren und die „bürgerliche Mitte“ komplett zu vertreiben!

  4. Der Widerstand muss auf jeden Fall weitergehen, denn an den Fakten gegen das S21-Projekt hat sich ja nichts geaendert. Das unehrliche an der Haltung der SPD-Fuehrung besteht ja darin, dass sie mit dem scheitern am
    Qurorum rechnet und den VE als Buergernaehe und mehr Demokratie verkauft.
    Auch fuer eine Minderheit gilt das Grundgesetz..! Im Falle dass eine Mehrheit fuer den Ausstieg sein sollte,
    dann moechte ich sehen, welche Partei sich einfach darueber hinwegsetzt. Diese Partei hat dann sicher bei den
    naechsten Wahlen ein grosses Problem. Schliesslich war auch mit den Gruenen, vor der Wahl, eine ganz
    andere Vorgehensweise vereinbart: Stuttgart und die Region stimmt ueber S21 ab und das Land ueber die Neubaustrecke.
    Fazit: Flagge zeigen und sich nicht spalten lassen, denn der Widerstand lebt auch nach dem VE weiter..!
    Mit anderen Worten: OBEN BLEIBEN

  5. Aufrechter sagt:

    Ich denke, dass diejenigen, welche nicht zur Abstimmung gehen, gegen einen Ausstieg sind.
    Inzwischen weiß wohl jeder, dass diejenigen, welche für einen Ausstieg sind, für das Gesetz stimmen müssen.

    Die Gegner von S 21 werden also zur Abstimmung gehen. Der Rest ist dann logischerweise dagegen.

    Allerdings werden wir ja das Wunder sein! Der MP denkt da offenbar anders und macht uns etwas vor:

    http://www.sueddeutsche.de/politik/die-gruenen-und-stuttgart-ehrenvoll-verlieren-und-dann-endlich-regieren-1.1144448

    • Lällabäbbel sagt:

      Ähhhhmmmmm…

      Leute, denen z.B. am Bodensee, im Hochschwarzwald, in Mannheim oder in Tauberbischhofsheim ein Bahnhof in Stuttgart einfach nur piepschnurzegal ist, kann es nach Deiner Logik also nicht geben?

      Oder ist Deiner Ansicht nach jeder, den das einfach nicht interessiert, vielleicht sogar deswegen, weil er keine Zeit oder Lust hat sich intensiv damit zu beschäftigen um sich eine Meinung dazu überhaupt bilden zu können, automatisch für S21?

      Mit diesem System könnten wir alle Wahlen in Deutschland abschaffen, wenn sämtliche Nichtwähler als Stimme für die aktuelle Regierung gezählt werden, da ja jedem hätte klar sein müssen, dass er zur Wahl gehen muss wenn er eine andere Regierung wollte!!!

  6. Allgaeuer sagt:

    Falsch gerade uns geht es etwas an.Denn die Bahn will mit ihren Betrügereien auch unsere Steuergelder verbuddeln!Und sie hat mächtige Freunde!Alle die klagenden Bürgermeister und Landräte die Verantwortungslos das Land in eine weitere Schuldenfalle schicken!In den Städten und Gemeinden über Geldmangel klagen und Gebühren und Abgaben erhöhen wollen!Das ist unsere Jammergesellschaft und nicht die Bürger!Auch machen die in der CDU vesammelten Unternehmer die Gedankenlos diesem Irrsinn folgen mitschuldig.Sich über Staatsausgaben aufregen und sie selber Ünterstützen wie viel Blödheit ist ihn ihren Köpfen vorhanden!Wenn die alle unsere Elite sind dann Gute Nacht Baden-Württemberg.Werdet endlich Wach bevor wir auf den Stand von Griechenland regiert werden!

  7. Stuttgarterin sagt:

    Per Handzeichen? Und Leute, die an demTag zufällig nicht kommen können oder krank sind, haben Pech gehabt? Was für ein Quatsch! Ich weiß auch nicht, was es da zu diskutieren gibt. Hannes Rockenbauch hat sich auf einer der letzten Montagsdemos klar dazu geäußert: Der Widerstand geht weiter. So sehe ich das auch.
    Mich persönlich interessiert nur die Haltung von Frau Dahlbender, die einmal meinte, dass sie das Ergebnis der sogenannten VA akzeptieren würde. Was bedeutet das, Frau Dahlbender? Der BUND ist dann draußen? Der Park nicht mehr gefährdet, das Projekt plötzlich legitimiert?
    Sie sind unbestritten eine der stärksten Kräfte in der Bewegung und ich würde eine Einstellung Ihres Engagements mehr als bedauern! Aber wenn Sie sich wirklcih zurückziehen möchten, dann sollten wir das wissen und das Aktionsbündnis sollte sich darauf einstellen und nach entsprechenden Alternativen suchen.
    Es wäre eine Schwächung, aber nicht die erste, die wir hinnehmen müssen. Im Zweifelsfall stehen da eben die letzten 200 Wackeren und die anderen sehen dabei zu.
    Ich möchte bei den 200 sein. Das ist sicher. Container hin oder her.
    Hier geht es um einen ECHTEN Wechsel und zwar vom Bürger aus.

  8. Aufrechter sagt:

    Wenn ich es richtig verstanden habe, sind doch aber die Ausstiegskosten fast doppelt so hoch wie der Landesbeitrag.
    Dieser muss dann doch auch mit einem Schlag gezahlt werden und kann nicht in 10 Jahresraten gezahlt werden.

    Selbst wenn in 10 Jahren ggf. noch etwas nachgezahlt werden muss; die Finanzierungskosten für den Schadenersatz (Bankzinsen) werden doch höher sein, als eine mögliche Nachforderung.

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