S21: Baumfällungen im Schlossgarten rechtlich und naturschutzfachlich nicht möglich

Am gestrigen Dienstag hat der BUND dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA) fristgerecht seine Stellungnahme zu möglichen Baumfällungen im Schlossgarten überstellt.

Baumfällungen im Stuttgarter Schlossgarten rechtlich und naturschutzfachlich nicht möglich

PRESSEMITTEILUNG vom 25.01.2012
„Die schweren artenschutzrechtlichen Bedenken gegen die Fällung von Bäumen zum jetzigen Zeitpunkt sind nicht ausgeräumt“, sagte BUND-Landesvorsitzende Dr. Brigitte Dahlbender. Die von der Deutschen Bahn AG beigebrachten Gutachten zum Vorkommen streng geschützter Tierarten seien fachlich nicht ausreichend, um die Aufhebung des Fällverbots zu begründen. „Weitere Untersuchungen sowie eine Präzisierung der Ergebnisse der bisherigen Gutachten sind unbedingt notwendig“, so Brigitte Dahlbender, „die Eile, die wir derzeit beobachten, ist offenbar dem Umstand geschuldet, dass der Bahn die Möglichkeit einer Durchführung der Baumfällarbeiten bis Ende Februar eröffnet werden soll. Für dieses Ziel scheint das Eisenbahn-Bundesamt sogar bereit zu sein, sich über erhebliche rechtliche und fachliche Zweifel hinwegzusetzen.“

Die BUND-Fachreferentin für Naturschutz, Christine Fabricius, betonte, dass neben dem Juchtenkäfer und Fledermäusen auch mehrere Vogelarten von den geplanten Baumfällungen bedroht seien. „Die artenschutzrechtliche Prüfung der Gesellschaft für ökologische Gutachten (GöG) weist zahlreiche Defizite auf. So wurden etwa keine eigenen, systematischen Bestandserfassungen durchgeführt. Insbesondere fehlt es an einer Ermittlung der im Winterzeitraum im Schlossgarten vorkommenden Vogelarten“, erläuterte Fabricius, „damit genügt die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung nicht den Anforderungen.“ Um eine fachlich korrekte Einschätzung der Vogelvorkommen abgeben zu können, sei eine aktuelle Bestandsaufnahme im Rahmen einer Begehung unerlässlich.

Bei den im Schlossgarten lebenden streng geschützten Fledermausarten ist nicht untersucht worden, wie viele Fledermäuse welcher Arten derzeit in Baumhöhlen im Mittleren Schlossgarten überwintern. Nur zwei Bäume, in denen die GöG überwinternde Fledermäuse festgestellt hat, sollen laut Planungen der DB Projektbau GmbH vorläufig stehen bleiben dürfen . „Die Bestandserhebungen der GöG endeten im November, obwohl manche Fledermausarten ihre Winterquartiere erst später im Jahr beziehen“, so Christine Fabricius, „eine Untersuchung auf Fledermaus-Wochenstuben, in denen die Jungtiere aufgezogen werden, fehlt völlig, obwohl dies artenschutzrechtlich besonders relevant ist. Diese Untersuchung kann man erst im Zeitraum von Mitte Mai bis Ende Juni durchführen.“ Im Fall des ebenfalls streng geschützten Juchtenkäfers ist der BUND der Auffassung, dass der von der Bahn vorgelegte Maßnahmenplan zur Erhaltung der Population im Schlossgarten nicht ausreicht. „Das Überleben der Population am Ferdinand-Leitner-Steg ist durch die rechtswidrige Fällung einer Platane am 1. Oktober 2010 bereits stark gefährdet, da die Verbindung zu einer weiteren Population am Teich beim Café NIL damit fast gekappt wurde“, erläutert Christine Fabricius. Die Fachliteratur geht davon aus, dass nur Populationen von mindestens 1.000 Individuen überlebensfähig sind; am Ferdinand-Leitner-Steg gibt es nach heutigen Erkenntnissen deutlich weniger Tiere. „Hier müssen geeignete Sanierungsmaßnahmen vorgenommen werden, anstatt den eingetretenen Schaden noch weiter zu vertiefen“, betont Fabricius.

Zu den juristischen Aspekten sagte Rechtsanwalt Dr. Tobias Lieber, der den BUND in der Angelegenheit vertritt: „Neben den naturschutzfachlichen Zweifeln stehen der Aufhebung des Fällverbots zwei rechtliche Hindernisse entgegen. Zum einen ist das EBA in dem von ihm gewählten rechtlichen Verfahren gar nicht berechtigt, die erforderliche artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Hierfür ist außerhalb von Planfeststellungsverfahren die höhere Naturschutzbehörde, in diesem Fall das Regierungspräsidium Stuttgart zuständig. Zum anderen muss nach dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 15. Dezember 2012 ein ordnungsgemäßes Planänderungsverfahren unter Beteiligung der Naturschutzverbände durchgeführt werden. Eine Bewältigung der artenschutzrechtlichen Probleme allein im Rahmen der Vollzugskontrolle, wie sie das EBA beabsichtigt, reicht nicht aus.“ BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender forderte die Bahn auf, ihren rechtlichen Verpflichtungen uneingeschränkt nachzukommen. „Wir brauchen belastbare Gutachten, eine verbindliche, fachlich korrekte Maßnahmenplanung und ein vollständiges und ordentliches Planänderungsverfahren“, so Brigitte Dahlbender.

Zusätzlich sei es im Sinne einer verbesserten Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger unerlässlich, den Ablauf der Bauarbeiten transparent zu gestalten. „Die Menschen möchten informiert werden, wo, wann und warum etwas passiert. Bislang beobachten wir das Gegenteil: Die Bahn zerstört Gebäude und fällt Bäume ohne ersichtlichen Zusammenhang, wie zuletzt am vergangenen Montag beim Wagenburgtunnel“, sagte Brigitte Dahlbender, „dieses Chaos muss unbedingt ein Ende haben.“

Die BUND-Landesvorsitzende bekräftigte, dass der BUND weiterhin seine Aufgabe als anerkannter Naturschutzverband wahrnehmen wird. „Die Bahn missachtet seit 2005 konsequent den Artenschutz und biegt sich das Recht nach Gutdünken zurecht“, so Dahlbender, „sollte das EBA wider Erwarten eine Erlaubnis zur Baumfällung unter den derzeit gegebenen Umständen erteilen, werden wir einen Eilantrag dagegen stellen und weitere rechtliche Schritte einleiten.“

Stellungnahme BUND
Quelle: Pressemeldung BUND
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