Die Basis des Widerstands erweitern!

Diskussionsbeitrag von Wolfgang Hänisch, aktiv im Bündnis für Versammlungsfreiheit und AK S21 ist überall

Die OB-Wahl zu einer "Oben-Bleiber-Wahl" machen will Hannes Rockenbauch, mit einem Bürgerkandidaten zu neuen Mehrheiten kommen. Was aber macht der Bürgerkandidat im zweiten Wahlgang ? Zurückziehen zugunsten des Grünenkandidaten, um einen CDU-OB zu verhindern? Dann wäre der S21-Widerstand wieder dort gelandet, wo er bei der Landtagswahl war - als Wahlhelfer der Grünen. Diesmal mit dem Umweg über einen Bürgerkandidaten. Und was sollte ein Grüner OB bezüglich S21 anders machen als ein Grüner Ministerpräsident?

Seien wir realistisch: "Es ist keine etablierte politische Kraft in Sicht, die Willens und in der Lage wäre, diese gefährlichen Prozesse ( Stadtzerstörung, Demokratieabbau) zu stoppen. Die Bürger, die Citoyens, werden es wohl selbst richten müssen." (mcmac in freitag vom 23.11.2011). Der S21-Widerstand sollte sich als das verstehen, was er tatsächlich ist: eine außerparlamentarische Protestbewegung.

Auch in anderer Hinsicht ist eine Weiterentwicklung des Selbstverständnisses vonnöten: Die soziale Frage muss stärker herausgearbeitet werden: S21 ist ein gigantisches Umverteilungsprojekt, bei dem es kurz gesagt darum geht, wie zehn Milliarden Euro, oder mehr, Steuergelder in den Taschen von Großkonzernen und Immobilienhaien landen. Das Geld wird also nicht einfach "vergraben", sondern von unten nach oben umverteilt

Die Vernachlässigung dieser Frage hat zu der grotesken Situation geführt, dass diejenigen, die von steigenden Steuern und Abgaben im Zuge von S21 in besonderem Maße betroffen sind, die auf kommunale Dienstleistungen, die dann wahrscheinlich gestrichen werden, z.T. existenziell angewiesen sind, nämlich Arbeiter/-innen, Erwerbslose, Migrant(inn)en, noch gar nicht von der S21-Bewegung erfasst worden sind bzw. leichte Beute der Projektbetreiber bzw. ihres politischen und medialen Anhangs geworden sind. Die Stadtgesellschaft ist eben nicht nur deutsch, wohlhabend und kreativ tätig, sondern auch türkischer Herkunft; arm und Fließbandarbeiter.

Weiter gilt es, die Bewegung gegen S21 zu verbinden mit dem Widerstand gegen alle anderen Formen der Stadtzerstörung, für das Recht auf Stadt, für die Befreiung der Daseinsfürsorge aus den Fängen der neoliberalen Privatisierung. Auf der einen Seite wird mit dem gesamten Repertoire polizeilicher und gerichtlicher Repression gegen die S21-Bewegung vorgegangen, auf der anderen Seite erleben wir, wie die Projektbetreiber quasi diktatorisch unter Missachtung geltenden Rechts, geschützt durch eine willfährige Justiz, schalten und walten können, wie es ihnen beliebt.

"Etwas scheint hier in Richtung eines neuen Totalitarismus mit benutzerfreundlicher, bunter I-Pad-Oberfläche zu driften, nicht sicht- und greifbar das Darunter, kopflos und anonym auf den ersten Blick, ohne aber ( und das scheint der Trick zu sein) das Auge zu beleidigen. Am Ende könnte eine Art schwer durchschaubarer, netzwerkartiger Designer-Faschismus in hellen Pastelltönen stehen (...)" (mcmac s.o.) Diese Entwicklung läuft auf vielen Ebenen, denken wir nur an die aktive und passive Förderung neonazistischer Aktivitäten durch den Verfassungsschutz, was nicht etwa zur Trockenlegung dieses Sumpfes geführt hat, sondern zu Verbotsdrohungen gegen die Linkspartei(!). Orwell lässt grüßen.

Diese Entwicklung muss stärker thematisiert werden; insbesondere die Repression gegen S21-Gegner muss politisch und juristisch offensiv bekämpft werden. Eine - wenn auch gut gemeinte - "Märtyrerhaltung" oder der bloße Verweis auf den Rechtshilfe-Fonds verkennt die Brisanz der Entwicklung.

Den Blick über den Rand des Stuttgarter Talkessels weiten:

Ob in München oder Frankfurt, in der Bretagne, im italienischen Susatal oder im Baskenland - überall leisten Menschen Widerstand gegen unnütze Großprojekte. Die gegenseitige Hilfe und Unterstützung, der Erfahrungsaustausch, die Organisierung landes - und europaweiter Aktionen erweitern den Horizont und stärken den Widerstand insgesamt.

Die organisatorische Struktur , die bisher hauptsächlich nach Berufs- und aktionsbezogenen Bezugsgruppen stattfindet, sollte ergänzt werden durch Gruppen, die nach Stadtteilen organisiert sind. Diese existieren z.T. schon (Vaihingen, Cannstatt etc.) , in anderen Stadtteilen gibt es Schwabenstreich-Stammtische und Ähnliches.

Die Vorteile dieser Struktur liegen auf der Hand:
- der Widerstand kann in der Masse der Bevölkerung geerdet werden
- sie bietet die Möglichkeit, neue Schichten der Bevölkerung (im Sinne der oben angesprochenen inhaltlichen Schwerpunktsetzung) für den Widerstand zu erschließen
- mehr Menschen können sich aktiv einbringen, die "Hemmschwelle" ist niedriger, die Aufgaben übersichtlicher
- die Möglichkeit dezentraler Aktionen wird verbessert
- die basisdemokratischen Strukturen innerhalb der Bewegung können weiterentwickelt werden.

 

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