Brief: Machen Sie Druck beim Wasser, Herr Untersteller!

Sehr geehrter Herr Minister Untersteller,

im Stuttgarter Talkessel fließt Wasser – Grundwasser – Mineralwasser – viel Wasser – viel mehr Wasser, als die Bahn in ihrer S21-Planung berücksichtigt hat – deshalb steht nun ein neues Planfeststellungsverfahren an.

Mit ihrem siebten Planänderungsantrag hat die Bahn auch eingeräumt, dass das in der alten Planfeststellung zu Grunde gelegte Wassermodell nicht nur ungeeignet ist, um zu berechnen wieviel Grundwasser abgepumpt werden müsste; dieses Wassermodell ist ebenso ungeeignet als Basis für die erforderliche Machbarkeitsanalyse für S21 und es ist ungeeignet, um die Risiken für das Kernerviertel und die Gefahren für das Mineralwasser zu bewerten.

Am kommenden Samstag haben Sie und Ihr Ministerium zu einem Tag der offenen Tür eingeladen (Demo am Kernerplatz nicht vergessen!). Wir wollen den Anlass nutzen, Ihnen unser Anliegen zu erklären, denn als oberster Dienstherr der Oberen Wasserbehörde tragen Sie im anstehenden Verfahren eine große Verantwortung. Als Umweltminister ist es Ihre Aufgabe, die Sicherheit des Kernerviertels ebenso zu schützen wie unser Mineralwasser.

Liegen Ihnen die geologischen Gutachten der Bahn inzwischen vor? Auch die Gutachten, die in Heiner Geißlers Faktencheck von der Bahn unter Verschluss gehalten wurden? Um zu beurteilen, ob das neue Wassermodell der Bahn valide ist, ob es als Grundlage einer seriösen Risikobewertung geeignet ist, sind alle geologischen Gutachten zwingend erforderlich – eine lokale Betrachtung im Kernerviertel reicht nicht aus. Ohne Informationen z.B. über die Mineralwasserströme in Wangen kann niemand beurteilen, ob die Modellprognosen für das Kernerviertel belastbar sind, denn Wasservorkommen in den verschiedenen Bereichen und Schichten hängen eng zusammen: Sie sind Teil eines komplexen Drucksystems, das auf jede Veränderung als Ganzes reagiert. Das Wasser fließt seiner Wege und hält sich nicht an Planungs- oder Modellgrenzen.

Deshalb bitten wir Sie, dafür zu sorgen, dass auch den betroffenen Bürgern sämtliche geologischen Gutachten offengelegt werden – so frühzeitig, dass Gutachten und Modelle geprüft werden können und ggf. Einsprüche möglich sind. Bitte veranlassen Sie eine fundierte Prüfung des neuen Wassermodells durch die Wasserbehörden – unter Berücksichtigung sämtlicher geologischer Untersuchungen. Ein Prüfmodell – zwangsläufig auf Grundlage der selben Probebohrungen wie das ‚Original‘ – kann nur zeigen, ob die Bahn richtig gerechnet hat; ob das überprüfte Modell jedoch zur Realität passt, kann anhand eines solchen Prüfmodells nicht festgestellt werden.

Auch Sie fühlen sich vermutlich nicht wohl mit einem Wassermodell, das die Realität nur ungenügend abbildet. Auf einer dergestalt labilen Grundlage kann eine Schädigung des Mineralwassers nicht ausgeschlossen werden – ein solches Risiko dürfen wir nicht akzeptieren zumal irreparable Schäden drohen.

Die Gefährdung des Mineralwassers durch chemische Altlasten in Kombination mit Eingriffen in den Grundwasserhaushalt ist Ihnen sicher bekannt – schließlich laufen im Rahmen des MAG-Plans derzeit umfangreiche Untersuchungen zu diesem Thema. Werden Sie die Ergebnisse des MAG-Plans abwarten, bevor Sie eine Stellungnahme zur 7. Planänderung für S21 abgeben? Wir dürfen nicht hinnehmen, dass die Bahn auf Grundlage der alten Planfeststellung nächstes Jahr mit Baumaßnahmen beginnen will, deren Auswirkungen nicht absehbar sind. Bis zur abschließenden Faktenklärung muss ein Baustopp gelten. Wollen Sie sich dafür einsetzen?

Und schließlich: Denken Sie bitte an Ihre Nachbarn hier im Kernerviertel und bestehen Sie auf einem geotechnischen Gutachten für das Kernerviertel. Die Risiken für die Häuser und für die hier lebenden Menschen sind bis heute nicht untersucht. Es ist nicht zu verantworten, auf gut Glück viel Wasser in den steilen Hang zu pumpen!

Herr Minister, machen Sie Druck beim Wasser! Denn Wasser liest keine Planfeststellung …

Mit freundlichen Grüßen
Edgar Bayer, Bad Cannstatter gegen Stuttgart 21
Dr. Carola Eckstein, Parkschützer
Prof. Dr. Uwe Dreiss, Ingenieure 22 für den Kopfbahnhof

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