Rede Prof. Bodack bei der 131. Montagsdemo

Rede von Prof. Dipl.-Ing. Karl-Dieter Bodack, Bahnexperte, bei der 131. Montagsdemo vor dem Kopfbahnhof am 16.7.2012

Wo stehen wir heute in Stuttgart? Auf gutem Wege zur Skandalhauptstadt Deutschlands! Das lässt sich nicht in 10 Minuten darstellen: Ich beschränke mich auf das Bahnskandalfeld. Auch das braucht mehr als 10 Minuten, daher spreche ich als Eisenbahningenieur nur über das Skandalfeld „Stuttgarter Bahntechnik“.

Ein Heer von Planern, Experten, Gutachtern rechnet, plant, beantragt nun bald 20 Jahre, den Bahnverkehr in den Untergrund zu vergraben, ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit – deswegen dauert es auch so lange - besteht jedoch im Ignorieren, Geheimhalten, Falschbehaupten Unsinnig-prognostizieren! Für schätzungsweise 200 Millionen Euro – Steuergeld! Der Höhepunkt dieses Dramas (vielleicht ist es ja eher eine Komödie) spielt auf dem höchsten Punkt der Bahnpläne, auf den Fildern.

Zehn Jahre lang versuchten die Bahnplaner die Genehmigungsbehörden von ihren besser irren Plänen zu überzeugen – ohne Erfolg – Die fand die Pläne schlicht „unreif“ und die Gutachten offensichtlich inkompetent. Erwachsene, ja inzwischen teilweise ergreiste Bauingenieure liefern zehn Jahre lang nur unreife Pläne! Sie alle wissen, es war Murks!

Der Flughafen, auf dem Wege nicht zum Skandal, sondern zum Weltdrehkreuz, sollte eine S-Bahn-Station mit nur noch einem Gleis behalten, also auf ein Qualitätsniveau reduziert werden, das der Württembergische König seinerzeit nur der schwäbischen Eisenbahn jenseits von Meckenbeuren verordnete.

Nun wurden die Bürger zu Hilfe gerufen, schwäbische Haufrauen, auch Rentner, Schüler, einer war mit 16 gerade aus der Pubertät. Ja, die es geschafft, reife Pläne vorzuschlagen, ohne Millionen Euro, in ihrer Freizeit! Natürlich gehen sie, diese Pläne, nicht, weil Politiker und Bahnvorstände sich in widersinnigen Verträgen zu unsinnigen Plänen verpflichteten! In den hunderten Seiten Verträge fehlt das Allerwichtigste: Die Verpflichtung der DB, die Bahnanlagen irgendwann fertigzustellen – das ist gar nicht vereinbart. Da die DB Aktiengesellschaft am Planen und Bauen gut verdient, und der alte Bahnhof ja viel besser ist als der neue, wird sie dies weitere 20 Jahre pflegen!

Immerhin haben sie, Politiker und Manager, jetzt, dank der Filderbürger, einen Bahnhof beschlossen, der halbwegs bahntauglich wäre, wenn er denn eine ICE-taugliche Zufahrt auch aus der Schweiz bekäme! Die kann ja noch kommen, wenn Stadt und Land sich für weitere 100 Millionen verschulden!

Ursache und Auslöser für die Skandale, für die destruktive Zerstörung eines der besten Bahnhöfe, für die unsinnige Parkrodung, die unmenschlichen Polizeieinsätze, sind irreale Geldbeträge, die ganz und gar unrealistischen Kostenkalkulationen. Für 4.500 Millionen lassen sich nie und nimmer Bahnanlagen mit heutigem Qualitätsniveau interirdisch bauen! Dieser Kostendeckel zwingt die Bahnplaner zu gedeckelter Planung, zu geradezu verrückten Konzepten: z.B. mit halbierter Gleiszahl doppelt so viele Züge zu fahren! Da passiert, was auch bei die Daimler passieren würde, wenn ein Modell mit einem Limit 9.900 Euro gebaut werden müsste: Da kommt ein S-Klasse Modell mit
drei Rädern heraus!

Ich lebe im Exil, nahe München, wo gerade mutige Staatsanwälte und Richter den Vorstand der Bayerischen Landesbank für achteinhalb Jahre ins Gefängnis gebracht haben. Die Münchener sehen die Stuttgarter Skandalbahnpläne mit Gelassenheit: Es werden hier ja vorwiegend Gelder von Stadt und Land verbrannt! Die ICE´s von München nach Frankfurt oder Paris können leicht von Untertürkheim nach Kornwestheim am Stuttgart Hauptbahnhof vorbeifahren, wenn der auf das Provinzniveau mit 8 Gleisen reduziert ist, das wissen auch die Bahnplaner: 8 Gleise reichen für maximal 30 Züge in der Stunde, die übrigen fahren halt um Stuttgart herum!

Soweit wird es nicht kommen, da Gott-sei-Dank, Gesetze in unserm Lande oft das Schlimmste verhindern. Der Kopfbahnhof bleibt erhalten!

Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags hat festgestellt, dass das Allgemeine Eisenbahngesetz auch in Stuttgart gilt und sogar auch für die Deutsche Bahn, wenn sie den Kopfbahnhof liquidieren will. Dieses Gesetz bestimmt: bestimmt: So lange irgendein Bahnunternehmen, und sei es auch ein Club mit historischen Fahrzeugen, Bahnanlagen nutzt, müssen sie erhalten werden. Da Gleisnutzung und Haltegebühren in Tunneln und Tiefbahnhof etwa doppelt so teuer sein werden als heute, werden Veolia, WEG, BOB und schließlich auch DB-Regio Zugfahrten in den Kopfbahnhof anbieten, damit sie bei Ausschreibungen günstige Preise bieten.

Weiterhin schreibt das Gesetz vor, dass eine Freistellung der Bahnanlagen für andere Zwecke also für Bebauung mit Bücherkisten, Verwaltungskuben, Shopping-Halls, nur dann genehmigt werden darf, wenn kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig keine Bahn-Nutzung zu erwarten ist.

Steigende Benzinpreise werden mehr Bürger veranlassen, mehr Bahn zufahren: Die Nachbarn in der Schweiz fahren schon heute doppelt so viele Kilometer Bahn als die Baden-Württemberger. Der Hauptbahnhof Zürich (das nur 2/3 der Einwohner Stuttgarts hat) wird ausgebaut, erhält 8 Durchfahrtsgleise und behält 18 Kopfgleise: In Stuttgart werden des EBA und ggf. die Gerichte den Beibehalt von 10 oder 12 Kopfgleisen erzwingen! So ist es auf der Strecke Osberghausen-Waldbröhl passiert, die die DB schon 1997 stillgelegt und an die Stadt Wiehl und andere Kommunen verkauft hatte. Das Verwaltungsgericht Köln entschied 2008, dass die Gleise erhalten bleiben müssen, weil immer wieder Ausflugsfahrten stattfinden und gelegentlich ein Güterzug fährt!

Die DB hat für die Personenstromanalyse des Tiefbahnhofs maximal 32 Züge je Stunde vorgegeben, mit sinkender Zugzahl im Fernverkehr. Der Kopfbahnhof hatte früher schon 46 geleistet! 46 Züge je Stunde werden in absehbarer Zukunft notwendig – sie sind im Computerspiel auf 8 Gleisen fahrbar – nicht jedoch in der Bahnrealität, in der jeder zehnte Zug mehr als 5 Minuten Verspätung hat! Daher bleibt der Kopfbahnhof per Gesetz erhalten! Der Tiefbahnhof erweist sich als weitgehend überflüssig, ebenso 6.000 Millionen Steuergelder, 20 Jahre Stadtzerstörung: Sie bringen laut Rechnung der SMA, gerade einmal durchschnittlich 30 Sekunden Fahrzeitverkürzung für die, die von, nach und über Stuttgart fahren.

Skandalstadt Stuttgart: Metropole der spezifisch deutschen Art von Korruption: Prognosen und Daten so zu manipulieren, dass entgegen vielen Gesetzen negativer Nutzen und maximale Staatsverschuldung erzeugt wird!

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