Schlusswort von Nina Picasso beim Prozess wegen Ankettens an Baum

Am 28.1.2013 war der Prozess gegen zwei Parkschützerinnen wegen Ankettens an Baum. Wir berichteten darüber.
Lesen Sie hier Nina Picassos Schlusswort:

Sehr geehrte Frau Richterin, Herr Oberstaatsanwalt, sehr geehrte Anwesende!
Die Baumfällungen im Park waren für mich ein sehr starker Einschnitt im Verlauf der Baumaßnahmen zu Stuttgart 21. Sie wurden lange angekündigt und ich hatte immer Angst vor diesem Tag.
Ich möchte anfangs Frau Staatsrätin Erler (sie steht stellvertretend für die Landesregierung) in einem Brief an Herr Reicherter (Richter a.D.) zitieren:
„Am Ende möchte ich Ihnen aber zustimmen, dass sich die Befürchtungen leider bestätigt haben, dass die Baumfällungen zwar rechtlich zulässig und genehmigt, aber durch die Verzögerungen sachlich nicht geboten waren.“
Und wieder hat sich gezeigt, dass unsere Aktion mehr als berechtigt war.

AKTION – Vorbereitung:
Es ist durchaus möglich, dass Stuttgart 21 niemals realisiert werden kann. Wir Bürger wollten die Natur- und Tiere schützen. Schon 2010 wurden die Bäume illegal gefällt-es war damals ein geplanter Rechtsbruch. Trotz Verbots des EBA wurden die Bäume gefällt. Bis heute wurden die wahren Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen und das Grundwassermanagement illegal errichtet.
Ständig wurden wir mit vollendeten Tatsachen konfrontiert (Nordflügel, Südflügel usw.) Und hier sollten wir wieder vor vollendete Tatsachen gestellt werden – unwiederbringlich!

Für uns war klar, dass wir eine symbolische Ankettaktion machen wollten. Wir planten uns zusammenzuketten, denn das würde auch öffentlichkeitswirksamer sein und die Symbolik verstärken. Es war auch so gedacht, wenn die Menschen uns im Fernsehen sehen, wie wir am Baum angekettet sitzen und von der Polizei losgemacht werden, sollte es die Menschen zum Nachdenken anregen, es sollte das Herz berühren. Viel mussten wir nicht planen, denn einen Protestrucksack hatten wir sowieso, indem eine Rettungsdecke, Getränke, etwas zu essen drin war. Diesen Rucksack hatte jeder, unabhängig von irgendwelchen Aktionen - es war schließlich Winter. Alte Bügelschlösser hatten wir als Radfahrerinnen auch übrig.
Wir wussten aus Erfahrung, bei Räumungen zu Stuttgart 21 war immer eine technische Einheit der Polizei dabei, hier sowieso wegen der Zeltstadt. Wir wussten damit auch, dass, wir schnell von der Polizei losgemacht werden würden - also kein wirklich „großes“ Hindernis darstellen würden.

Durchführung der Aktion Parkräumung:
Als ich abends in den Park kam, war es eine eigenartige Stimmung. Es war kalt und nass und es lag etwas Schnee. Viele Kerzen leuchteten, auf der Straße war die Bühne auf der Reden gehalten wurden und Musik gespielt wurde. Jeder wusste, dass war das Ende für die Bäume und die Tiere und trotzdem wollten die Menschen zum Schutz da sein, obwohl sie wussten, es würde wahrscheinlich vergebens sein.

Ich kam an und ich konnte anfangs nicht aufhören zu weinen. Es war im Prinzip so, als wenn ich ein todkrankes Tier von mir zum Einschläfern zum Tierarzt bringe. Ich begleite das Tier in den Tod, es soll nicht alleine bleiben auf dem letzten Weg. Hier war es aber anders. Hier begleiteten wir gesunde Tiere und die Bäume waren auch vital. Es war so schlimm. Am Liebsten wäre ich weggelaufen. Später fasste ich mich wieder.

Wir haben noch was Warmes gegessen, geredet, unseren Baum ausgesucht und uns hingesetzt. Manchmal wurde noch was gesungen und geredet. Später kam ein ZDF-Reporter, der uns alles Mögliche gefragt hatte. Ich kann nicht mehr sagen, was er uns fragte. Er filmte uns später, als wir uns anketteten. Wir ketteten uns um unseren Baum herum um den Bauch an. Myriam und ich zusätzlich um den Hals mit den Bügelschlössern. Wir hörten später Lautsprecherdurchsagen, verstanden sie nicht richtig. Es riefen alle entweder Baustopp oder sangen und pfiffen, was auch immer. Wir sahen nicht viel, denn wir konnten uns kaum bewegen, da wir eng aneinander gekettet waren. Wir saßen ewig so unbequem auf den Baumwurzeln und es fing auch noch an zu regnen. Die Kälte kroch durch den Körper. Wir wurden aber umsorgt und immer gefragt, ob es uns gutgeht. Der Zusammenhalt war sehr schön.

Wir kriegten mit, dass von hinten geräumt wurde und saßen stundenlang so in dieser Position. Irgendwann war es soweit. Eine Vorgruppe kam und riss uns die schützenden Regenplanen weg. Das war heftig-wir waren eh schon durchgefroren. Ein Polizist fragte uns, ob wir uns freiwillig losmachen würden. Es ging aber nicht, da wir keinen Schlüssel hatten. Sie ließen uns sitzen und gingen weg - wahrscheinlich um andere Demonstranten vorher zu räumen. Vielleicht eine halbe Stunde später kam ein älterer, sehr freundlicher Polizist und versuchte uns erneut zu überreden, uns selber loszumachen. Er meinte, wir hätten doch unseren Protest gezeigt. Meinen Protest zeige ich schon fast drei Jahre lang, in sehr vielfältiger Form, ob mit Plakaten, auf Demos, als „Schreiberling“ an Politiker usw. Als ob es darum gehen würde. Der Staat begeht ein großes Unrecht, wir haben uns nur mit äußerst bescheidenen, symbolischen Mitteln hingestellt, um das deutlich zu machen. Wir wollten bis zum Schluss die Bäume und die Tiere begleiten.

Dann kamen die Beamten der Technischen Einheit. Es war eine ruhige Stimmung-von keiner Seite Aggressivität! Sie entfernten die Kette am Bauch – ich hob extra den Arm an, war kooperativ. Der Beamte entfernte mit einem hydraulischen Bolzenschneider das Bügelschloss von Myriam. Bei mir beließen sie das Schloss um den Hals. Zur Feststellung der Personalien lief ich freiwillig mit; die Beamten mussten mich nicht festhalten.

Resonanz zur Aktion:
Bei der Räumung waren auch die Presse und Reporter zugegen. Ein ZDF-Reporter filmte uns und die anderen Demonstranten. Er kann unsere Friedlichkeit bestätigen. Der Film zeigt es auch – der ganze Protest war ruhig. Aus den Interviews der Demonstranten und uns war klar ersichtlich: Unser Protest war rein symbolisch und friedlich verlaufen.
Auch Polizeipräsident Züfle und der Ministerpräsident Kretschmann sprachen davon, dass sie erleichtert seien, dass alles friedlich verlaufen war.
In meinem persönlichen Umfeld, hatte ich damals nur positive Resonanz erfahren, selbst mein Chef und die Kollegen fanden es gut und sie stehen hinter mir.
Nett war auch, dass uns wildfremde Menschen ansprachen und uns weiter Mut zusprachen. Sie hatten unsere Aktion über die Medien mitgekriegt und fanden sie berechtigt.

Meine Gründe für die Durchführung der Aktion:

I VORABGEDANKEN zu der geplanten Parkräumung:
Indem die Politik und die Bahn einfach Fakten schaffen wollten, nur um das Projekt ein Stück unumkehrbarer zu machen...vergaßen sie eine Sache: Diese völlig unrechte Fällung der Bäume traf viele unschuldige Tiere und Menschen. Sie schadeten tausenden Menschen, die einfach nur gesund in der Stadt leben wollen.
Sie haben ein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2.2 Grundgesetz:
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und
(Artikel 20a Grundgesetz: Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung ...))

II SACHLICHE ERKENNTNISSE:
Im April 2012 stellte sich heraus, dass das naturschutzrechtliche Gutachten für die Baumfällungen am 15.02.2012 wieder unzureichend war, dass wieder Juchtenkäfer-populationen widerrechtlich zerstört wurden – schlimmer noch, die Bahn wollte diese Population klammheimlich verschwinden lassen – eine strafbare kriminelle Handlung. Das war voraussehbar. Die Bahn und die Politik hatten kein Interesse an Naturschutz – sie haben das Recht mit Füßen getreten, und die Polizei hat es wieder geschützt – das ist staatliches Unrecht.
http://www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=1297

Ich sehe schon – die Augen werden wieder verdreht – Juchtenkäfer – wegen eines Insekts! Ja, dass dieser Juchtenkäfer im Biotop eine wichtige Rolle spielt wird übersehen – er erhöht den Nutzen der Baumhöhlen durch ausräumen des Mulms und er frisst dabei bestimmte Pilzsorten mit, die den Baum schädigen könnten. Und in größeren Höhlen finden wieder Säugetiere und Vögel Platz. Ein gewachsener Kreislauf. Und gesunde Bäume geben uns Menschen gute Luft. Jedes Lebewesen hat seinen Sinn!

Die Baumfällungen bedeuten im Klartext: Tiere, die in Baumhöhlen überwintert haben, sind umsonst gestorben, in den Maschinen mitgeschreddert. Andere Tiere sind wahrscheinlich später elendig gestorben, weil sie auf jedes Gramm Fett angewiesen sind und die Winterruhe brauchten, um nicht zu verhungern. Vielen Tieren hat man einen Teil der Heimat, Schutz und Nahrungskette gestohlen – für NICHTS.
Aber nicht nur die Tiere sind die Verlierer. Ganz klar auch die Menschen. Durch diese Vernichtung der Bäume sind elementare Feinstaubfänger, Schattenspender, Sauerstoffspender unwiederbringlich verloren gegangen. Es waren wunderschöne ehrwürdige Bäume, die uns Menschen über Jahrhunderte riesige Freude gemacht haben.
Meine Affinität zu dem Park war schon lange da, bevor ich überhaupt dieses Projekt Stuttgart 21 realisiert hatte. Sehr oft fuhr ich mit dem Rad in den Rosensteinpark und Mittleren Schlossgarten. Ich beobachtete an heißen Sommertagen, die Vögel, die sich im Fallerbrunnen badeten und die Kinder, die freudig drum herum plantschten. Die Menschen liebten diesen Teil des Parks. Die Hasen und vielen Vögel, die man entdecken konnte und vor allen Dingen die Papageien erfreuten sie sehr.
Dieser wichtige Teil des Parks wurde für NICHTS zerstört! Zynisch klingen die Worte von Frau Erler.
Es ist traurig, wenn Menschen nicht mehr mit dem Herzen sehen können und alles dem kriminellen Projekt S21 unterordnen.

Vor der Nacht der Parkräumung hatte ich viele andere Dinge im Vorfeld versucht, um ein Einlenken gegen diese unnötigen Baumfällungen zu erwirken. Neben den normalen montäglichen Demos oder Aktionen und Plakate erstellen schrieb ich sehr viele Briefe oder Zeitungskommentare oder an Parteien. Es waren ca. 60 Briefe im Zeitraum von ca. zwei Monaten, die ich zum Teil mit der Post verschickte, da ich auch Infomaterial beifügte. Das alles neben meinem Vollzeitjob und meinen Tieren.
Ich möchte explizit auf die Briefe eingehen, die ich an verschiedene Dienststellen der Bundespolizei (auch in anderen Bundesländern), an die Polizeiführung, auch Herrn Polizeipräsidenten Züfle geschrieben hatte. Ich schrieb diese Briefe in der Hoffnung, die Einsätze um ein halbes Jahr verschieben zu können – einfach, damit die Bahn endlich die wahren Kosten und Gutachten beibringen muss und die Politik diese durcharbeitet, wie es das Gesetz und der Auftrag des Bürgers vorschreiben. Und ich wollte mit den Schreiben zeigen, dass ich nicht just for fun auf der Straße bin, Infos liefere und die Polizei respektiere.
Zitate aus den Briefen 28.12.2011 und 30.12.2011:
Betreff: Ihr möglicher Einsatz wegen Stuttgart 21
... Im neuen Jahr steht ein Polizeieinsatz in nie da gewesenem Ausmaß in Stuttgart an – die wichtigsten Bäume im Mittleren Schlossgarten sollen gefällt werden, die alte Bahndirektion und der Abriss des Südflügels sind vorgesehen. Eine vorzeitige Zerstörung, die durch nichts gerechtfertigt ist!

... Mir ist bewusst, dass ich hier mit dem Schreiben und beiliegenden Texten möglicher-weise keinen Einsatz verhindern kann , aber ich möchte, dass Sie wissen..., dass wir keine dumpfen Randalierer sind, wir haben sehr gute Gründe! ... Es gilt zu bedenken, dass die Polizei vielleicht wieder „verheizt“ wird und der Bahn hilft, einen möglichen Rechtsbruch durchzuziehen – wie geschehen am 30.09.2010,als die Bäume illegal gefällt wurden! ...

... Wir haben einen Aktionskonsens, der uns sehr wichtig ist! Wir wollen ganz sicher keine Gewalt ... Wir haben doch nur wenige Forderungen (eigentlich Selbstverständ-lichkeiten!) an die Politik (sie kümmert sich aber nicht um die im Raum stehenden Rechtsbrüche)! Wenn diese Selbstverständlichkeiten eingehalten würden, dann müssten wir nicht auf die Straße und Sie nicht zu diesen Einsätzen: ... Ich sende Ihnen anbei drei Anlagen: die Stuttgarter Erklärung, einen weiteren Text zum „Einsatz“ und eine Sonderzeitung von „Bahn für Alle“. Es kann niemand mehr sagen, er hätte nichts gewusst ...

... Warum ist nicht eine einzige renommierte Bahnzeitschrift dabei (inklusive Schweizer Zeitschriften), die Stuttgart 21 lobt? Warum schreiben ALLE vom Nadelöhr, das gebaut wird! Doch wohl nicht, weil alle „Parkschützer“ sind ...
... Bitte handeln Sie! Wenn ein Betrug oder eine Arglistige Täuschung im Raum steht seitens der Bahn ..., dann muss doch die Polizei eingreifen, bevor die Bahn weiter teure Fakten schafft. Politiker können ja leider nicht belangt werden, wenn sie diese möglichen Verbrechen nicht verfolgen oder aber selbst Unterlagen unterschlagen ... Sehen Sie es als einen Hilferuf!

... Vielleicht können Sie als Polizeiführung auf die Politik einwirken und die Bahn ...
...Falls nicht, wünsche ich mir, dass Sie besonnen in die Einsätze gehen; dasselbe gilt natürlich auch für unsere Bewegung.

Nur die Lüge braucht die Stütze der Staatsgewalt – die Wahrheit steht von alleine aufrecht

Zitate aus dem Brief 26.01.2012: Baumfällungen und rechtlich unklare Lage
... Diese Baumfällungen sind derzeit nicht notwendig. Was ist, wenn die Bahn keine Genehmigung zur Grundwasserentnahme von ca. 9 Mio m³ erhält. Damit fällt das gesamte Projekt! ...

... Der Polizei sollte die mangelhafte Sicherheit des Projekts viel mehr zu denken geben. (mangelhafter Brandschutz, zu enge Rettungswege, Schräglage Bahnhof ...) Im Falle eines Unfalls müssen Ihre Kollegen ran und sind unter Umständen selbst gefährdet. Ein Projekt, welches fast nur aus sicherheitsrelevanten Ausnahmegenehmigungen besteht, ist untragbar! http://www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=1211

... Die Polizei ist zwar weisungsgebunden, wenn das Innenministerium den Einsatz beschließt, aber die Polizei ist nicht gezwungen, Einsätze zu fahren, die auf wackligen Füßen stehen! Die Polizeiführung ist nicht nur für den Konzern DB AG da, sondern auch für die Bürger und deren Sicherheit und auch für die Gesundheit und Sicherheit der eigenen Kollegen ...

Aus meinen Schreiben können Sie ersehen, dass ich der Polizei gegenüber argumentativ und mit Respekt auftrete!

III POLITISCHE BEWERTUNG:
Die DB AG ist nicht mehr die gute alte Bahn. Die DB AG ist ein Konzern, der im Zweifel Menschenleben nicht so wichtig sind wie die Bilanzen. Sie spielt täglich Russisch Roulette mit den Bahnreisenden – auch mit mir letztendlich. Ich bin Bahncard 50 Besitzerin, fahre also öfter mit der Bahn. Auch ich hätte in dem Zug sitzen können und in Lebensgefahr sein können, als bei der x-ten Entgleisung der Züge in Stuttgart ein Strommast das Zugdach durchschlug! Ich hätte auch auf dem Bahnsteig sein können, als Dachteile runterfielen durch den stümperhaften Abriss und der Gefährdung der Dachstatik. Das hätte alles vermieden werden können – die Bahn, das EBA, Politiker, alle wurden im Vorfeld gewarnt, es könne zu solchen Unfällen kommen. Nichts wurde getan. Erst, als es Verletzte gab, handelte man konkret. Beim Abriss des Südflügels dasselbe – die Dachstatik wurde fahrlässig aus Machtkalkül völlig außer Acht gelassen.

Das Hauptziel der DB AG ist: ein weltweit führendes Mobilitäts- und Logistikunternehmen zu werden. Ganz im Unterschied zur Schweizer Bahn, deren Hauptziel die pünktliche, zuverlässige, sichere und saubere Beförderung von Fahrgästen ist.

Die Politik ist der Treiber dieser unerträglichen Bahnpolitik: Die DB AG wird vom Bundesverkehrsministerium angewiesen, ein "profitabler Marktführer" zu werden, er soll irgendwann börsentauglich werden. Das Netz soll Gewinne machen. Da fährt man halt alles auf Verschleiß, baut zurück und gefährdet die Reisenden dadurch. Zuletzt Horrheim (wegen fehlender läppischer 100 Mio. Euro für Zugsicherungssysteme mussten zehn Menschen sterben, 22 Verletzte) http://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article111580854/Lokfuehrer-nach-Zugunglueck-von-Hordorf-verurteilt.html.
Für den Aufkauf von Arriva hat der Konzern schnell fast drei Milliarden Euro übrig gehabt! Global playing statt Menschlichkeit.

Genau das spielt sich in Stuttgart ab: Bilanzen aufhübschen durch Stuttgart 21, das ist dem Konzern wichtig – das wurde und wird teils noch durch die Politik gedeckt und gefördert. Die betroffenen Menschen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Das ist verwerflich! Das ist großes staatliches Unrecht, denn unsere Grundrechte werden massiv eingeschränkt, das Allgemeinwohl zählt nicht.

Wir Bürger wurden von Anfang an bei diesem Projekt ausgeschlossen. Die Politiker stülpten uns Stuttgart 21 über und wir sollten es schlucken. Sie haben nicht einmal einen Bedarf an diesem Projekt errechnet. Sie wollten die Immobilien, sie mussten eine Ausrede erfinden, um den Bahnhof bzw. Bahnknoten wegzulügetimieren!
Ich persönlich werde in vielerlei Hinsicht mitleiden:
Als Steuerzahlerin, die diese horrenden Kosten mittragen muss. Als Stuttgarterin, die die Innenstadtzerstörung, die höhere Feinstaubproblematik, den Tod der Tiere, die Naturzerstörung, die Denkmalschändung, den Verlust von Identität der Stadt, die Gefährdung der Mineralquellen, den Demokratieverfall usw. miterleben muss. Als Bahnkundin durch höhere Ticketpreise, durch einen sicherheitsgefährdenden Bahnhof inkl. Tunnel. Ich werde als Bahnkunde degradiert – ich werde nur in den Untergrund verbannt. Und ich leide darunter, dass der Bahnknoten in Stuttgart reduziert werden soll.

Eine Planfeststellung, die sich aufgelöst hat, weil weder die versprochene Leistungs-fähigkeit eingehalten wird noch die sichere Umsetzung der Immobiliengeschäfte. Der Nutzen des Projekts ist hinfällig-Finanziell und technisch ist S21 tot. Die Politik und die Bahn veruntreuen trotzdem weiter Steuergelder und machen den Bahnreisenden das Leben zu Hölle, gerade den Pendlern. Die vollkommene Schizophrenie: die Bahn darf sich selbst kontrollieren, weil der Umbau Gleisvorfeld und Bahnsteigversetzung ein Provisorium darstellt. Dies hat bereits acht Verletzte gefordert einschließlich der Lebensgefahr der Reisenden.
Wenn eine Behörde Wind davon bekommt, dass z. B. eine Gerüstbauerfirma Gerüste falsch aufstellt und Menschen gefährdet, ist die Behörde schneller vor Ort, als diese Firma schauen kann. Sie wird zunächst mit hohen Bußgeldern bestraft. Wenn das nicht reicht, kann irgendwann auch mal das Gefängnis blühen. Lkw-Fahrer zieht die Polizei sofort raus, wenn Reifen total abgefahren sind. Auch hier – hohes Bußgeld und Punkte. All das zu recht. Ich bin sehr froh, dass dafür die Polizei da ist! Was aber ist mit der Bahn? Sie darf gefährden ohne Konsequenzen im Vorfeld! Das ist für mich ein Verbrechen. Die Justiz nimmt das einfach so hin!

Wie kann das sein: Die Bahn darf ungehindert Menschenleben gefährden. Die Bahn, die Polizei, die Stadt, die Politik wird mehrfach darauf hingewiesen – es passiert nichts – erst wenn es Verletzte gibt, schreitet das EBA (Eisenbahnbundesamt)oder die EUB (Eisenbahnuntersuchungsstelle des Bundes) ein. Beide Behörden können nicht NEUTRAL sein! Sie unterstehen dem Bundesverkehrsministerium und damit dem Bundesverkehrsminister Ramsauer. Es ist ja bekannt, wie viel NICHTahnung er vom Stuttgarter Hauptbahnhof hat – er wusste nicht einmal, dass es seit Jahren die TGV Linie Stuttgart – Paris gibt – ohne S21.

Sie wollen mich entgegen jeder Lebenswirklichkeit verurteilen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Ich bin nicht ein polizeiliches Gegenüber, das sich einer Personalienfeststellung entziehen wollte. Ich habe mich nicht aus eigennützigen Motiven irgendwo eingeschlossen, um der Polizei zu entgehen. Hier sind diese Anzeigen ausschließlich der Bewegung gegen S21 geschuldet, diese Bewegung ist von der Politik nicht erwünscht, sie wollen uns nicht auf der Straße haben. Die Bewegung ist viel zu kritisch und schluckt nicht mehr diese verlogenen Worthülsen der Politiker – Magistrale, Fortschritt, nur mit S21 sind wir wirtschaftlich stark, ... usw.

Ich demonstriere gegen ein bekanntermaßen staatliches Unrecht. Ich demonstriere gegen einen Bahnkonzern, der meines Erachtens höchst unrechtmäßig handelt, wenn es um die Kostenvertuschung geht, wenn es um vorzeitige Zerstörung von Sachgütern geht, obwohl nicht im Mindesten klar ist, ob das Projekt überhaupt realisiert werden kann, Gleichzeitig setzt er Bahnfahrer großen Gefahren aus weil die Sicherheit in vielen nachweisbaren Fällen nicht gewährleistet war: Bsp. Südflügelabriss, der Konzern kümmerte sich trotz Warnungen nicht um die vorhergehende Prüfung der Dachstatik nach einem Abriss des Flügels!– hier ging es um Menschenleben, auch bei den Entgleisungen und dem Abriss des Flügels durch die Bauarbeiter selber!
Ich wünschte mir von Ihnen, der Justiz, denselben Eifer und denselben Nachdruck, wenn es darum geht, den Konzern Bahn zur Rechenschaft zu ziehen. Sie klammern die Verbrechen der Bahn vollkommen aus, derentwegen ich auf der Straße bin.
Politiker sind leider so gut wie unangreifbar, auch wenn sie beispielsweise Gutachten zurückhalten und die Öffentlichkeit und Parlamente gezielt falsch informieren.

Herr Pelgrim, ein SPD Politiker und OB von Schwäbisch Hall, war ehemals Befürworter. Es kamen ihm aber mit der Zeit Zweifel an dem Projekt. Er informierte sich weiter und wurde ein Gegner von S21. Das gab er zu und das finde ich sehr beachtlich. Er hat sich Wissen angeeignet. Genau das war ebenso unsere Intention – Wissen weitergeben – das hat viele nachdenklich gemacht und für uns ist es ein Erfolg.

Wenn ich in eine Polizeikontrolle komme und die Polizisten erfahren: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, dann heißt es: die muss sich schon heftig gegen Polizisten gewehrt haben. Sie denken nicht daran, dass ich eine friedlich angekettete Person war, die Bäume schützen wollte und sich selber in gewisser Weise gefährdet hat.
Wenn Polizisten normalerweise so eine Anzeige schreiben, geht es um ein polizeiliches Gegenüber, welche körperliche Gewalt gegen Beamte durchgeführt hat
Ich soll den Polizisten Gewalt angetan haben? Das ist Nonsens. Den Polizisten gegenüber verhalte ich mich respektvoll. Es fiel mir allenfalls das Lächeln nach der Aktion schwer-mir war saukalt und ich war fertig. Die Polizisten wissen genau, dass nicht sie persönlich mit dieser Ankettaktion gemeint sind, sondern die Politiker und der Konzern DB AG mit ihrer teils menschenverachtenden Politik, die ein großes Unrecht darstellen. Hier wird das eigentliche Gewaltgesetz bis zur Unkenntlichkeit von Ihnen gedehnt. Ich habe auch Anwälte außerhalb von Stuttgart befragt - sie waren sehr erstaunt ja zeigten sogar Unverständnis! Das ist unüblich, ja wenn sie doch friedlich waren gehört zumindest eine Einstellung des Verfahrens ... Das waren so in etwa die Aussagen.

Wir haben eine Alternative – den bestehenden Kopfbahnhof. Bis 2011 einer der pünktlichsten und sichersten Bahnhöfe. Die Bahn hat ihn zwar bis jetzt in Teilen kaputtgemacht, den Spurplan diletantisch geändert und mangels Platz wird das Gleisvorfeld keine zehn Jahre ordentlich funktionieren – aber alles ist wieder herstellbar und erweiterbar für wenig Geld gegenüber mindestens sieben Milliarden, die die Bahn für S21 benötigen wird.

Ich habe nicht Widerstand geleistet gegen Vollstreckungsbeamte, sondern Widerstand gegen das in meinen Augen kriminelle Projekt Stuttgart 21.
Ich habe Widerstand geleistet gegen den Staat bzw. gegen die Politiker, die mehrfach großes staatliches Unrecht begangen haben und zum Teil noch tun und uns, den Bürgern, damit Gewalt antun!
Ich habe Widerstand geleistet zum Schutz der Bäume und der Tiere und damit zum Schutz der Menschen, die auf eine gesunde Umgebung angewiesen sind!

Ich trage schon die Polizeikosten – das finde ich ok. Ich habe schließlich Mehraufwand verursacht, aber ich habe keinen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet –diesen Vorwurf lasse ich mir nicht gefallen.

Recht heißt für mich, dass man sich der Wahrheit verpflichtet fühlt und dem Allgemeinwohl.
Recht heißt für mich nicht, dass sich Politiker an Beschlüsse halten, die sich nachweislich nur aufgrund von täuschen und tricksen und Unterschlagung von Gutachten berufen. Hier geht es nicht nur um einen Bahnhof, sondern um den Fortbestand des Rechtsstaats.

Wenn ich sehe, ein Projekt schadet den Menschen und der Natur, muss ich mich als Bürgerin wehren, mit Zivilcourage und friedlich. Dazu habe ich mein Gewissen, aber auch das Wissen um die Sache.

Ich beantrage einen Freispruch

Vielen Dank!

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6 Antworten zu Schlusswort von Nina Picasso beim Prozess wegen Ankettens an Baum

  1. Colère sagt:

    Nina, Hochachtung! Dein Schlusswort ist ausgezeichnet, Dein Mut, Dein Einsatz bewundernswert. Wenn „Verantwortliche“ Dich trotzdem verurteilen, zeigt das in erschreckend deutlicher Sprache, dass wir nicht Menschen gegenüber stehen, sondern herz- und seelenlosen
    Funktionären, ja im Grunde nur noch mechanisch gesteuerten Robotern. Die werden uns nicht los, wir sie schon. Wir bleiben oben!

  2. dibu sagt:

    Super!! Das Gute an der ganzen Sache ist, daß die Positionen des Widerstands gegen S 21 nochmal ausführlich der Justiz gegenüber, vor allem dem Oberstaatsnwalt- vor Publikum – dargestellt wurden.

  3. Uwe Mannke sagt:

    Durch die Absurdität dieser Rechtsprechung, die es nicht mit dem Normalfall zu tun hat, für den solche Paragraphen eigentlich gemacht wurden, wird deutlich, wo dieser Rechtsstaat angekommen ist. Um ein erschlichenes Baurecht durchzusetzen, müssen Befehlsempfänger der Polizei einen sogenannten aber friedlich-symbolischen Widerstand brechen. Natürlich ist das Mehrarbeit, dauert länger und wenn es die Masse der Protestierenden genauso gehalten hätte wie Nina und Mirjam, hätten wir einen Ausnahmezustand. Falsch, wir leben in einem rechtlichen Ausnahmezustand, den offenbar auch OStA Häußler beginnt zu erkennen. Der Anlass für die Räumungsmehrarbeit der befehls-gehorsamen Beamten ist, wie der ehemalige Richter Christoph Strecker diagnostizierte, „der Rechtsmissbrauch, die Schikane und sitten-widrige Schädigung durch die Bahn.“

    siehe HIER

    Dieser Rechtsmissbrauch wird immer noch durch die Exekutive, den Befehlsgeber unterstützt, weil Parteien Lobbys dienen und dabei gehalten sind, um die parlamentarische Macht zu ringen und sich nicht ihres Marionettendaseins gewahr werden. Hier sollte die verfassungsmäßige Ordnung, die Gewaltenteilung einsetzen. Strafe kann in diesem Fall nicht umerziehen, sie kann und soll wohl nur abschrecken. Die Frage ist nur: ist dieses Urteil abschreckend oder die Macht der Lobbys, die sich auf diese Weise etabliert?

    Danke Nina für deinen Einsatz, der dies alles wieder etwas transparenter gemacht hat. Deine/Eure Bestrafung ist der Gradmesser dafür, welches Unrecht durch die Durchsetzung des Baurechtes staatlicherseits vollzogen wird.

  4. Elisabeth Koch-Pfitzer sagt:

    Das Schlusswort Nina Picassos wie auch die Ausführungen Myriams kann ich nur in jedem Punkt als eine hervorragende Analyse auch meiner Motive, beim friedlichen Widerstand gegen das Irrsinnsprojekt S 21 zu sein und zu bleiben, annehmen und unterstreichen. Ich finde es für einen angeblich demokratischen Staat ein Armutszeichen sondergleichen, daß wir, die Bürgerinnen und Bürger, viel besser über die Tatsachen und die Probleme Bescheid wissen als die dafür Verantwortlichen, die nur den Mammon kennen.
    Alle Angeklagten und Verurteilten werde ich nach Kräften unterstützen und danke ihnen ausdrücklich für ihren Mut und ihr großartiges Engagement.
    In diesen Tagen jährt sich die grauenvolle und besonders tragische (da wirklich unumkehrbare) Zerstörung des Mittleren Schlossgartens. Leider ist das Projekt immer noch nicht von den Befürwortern und vor allem den Politikern beendigt. Das lässt um den Rosensteinpark fürchten, obwohl man’s kaum fassen kann.
    Aber uns werden sie nicht los! Wir bleiben fest dabei, bis wir sie los haben!
    Mit den besten Grüßen
    Elisabeth Koch-Pfitzer


    Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.

  5. M.G.-B. sagt:

    Dieses Schlusswort, so ehrlich u. eindringlich, ging mir beim Lesen an Herz & Nieren. Es ist ein großartiges Zeugnis für Standhaftigkeit vor dem eigenen Gewissen, für Respekt vor Natur u. Umwelt, aber auch vor den Gesetzen u. der Polizei. So sanft einerseits, dabei klar u. hart das Unrecht benennend u. anklagend, emotional u. gleichzeitig rational: Wer kann da strafen? Das Gericht – allen voran OStA Häussler – müssten sich in Grund & Boden schämen!!! Mich gruselt vor solcher „Recht“sprechung. WARUM machen die das?

  6. Gernot-Peter Schulz sagt:

    Alle Achtung und Hut ab für dieses Plädojer.

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