Rede von Dr. Norbert Bongartz bei der 235. Montagsdemo

Rede von Dr. Norbert Bongartz, Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, auf der 235. Montagsdemo am 25.8.2014

Der Baggerbiss am Nordflügel

Liebe ständige und immer wieder widerständige mit uns Demonstrierende,

Ich darf, ja muss uns heute daran erinnern, dass heute vor 4 Jahren, am 25.8.2010, die Deutsche Bahn am Bonatzbau des Hauptbahnhofs mit dem Abriss des Nordflügels begonnen hat. Ihm sollte – in fataler Konsequenz – ab dem Januar 2012 der Abbruch des Südflügels folgen. Ruiniert steht er nun da, der Bonatzbau, seiner beiden Arme beraubt und er hat damit auch die Bedeutung eines Kulturdenkmals von hohem kulturhistorischem Rang verloren. Der übrig gebliebene Kopfbau soll in seinem Inneren weitere Verstümmelungen erfahren, wenn es mit dem Bau des Tiefbahnhofs wider all unsere Hoffnungen weiter gehen sollte und das Projekt nicht doch noch an all seinen Problemen, an den rechtlichen Unzulänglichkeiten, den inzwischen eingetretenen und von uns voraus gesehenen Desastern und an der von Anfang an zu schön gerechneten Finanzierung scheitert.

Als die Bahn mit dem Abbruch des Nordflügels begann, da war ich noch so naiv gewesen zu vermuten, sie inszeniere die anfängliche Ausräumung der Haustechnik und der Gipskarton-Einbauten nur als Nadelstich gegen unseren Protest, denn eine solche Teil-Entkernung wäre auch bei einer Grundsanierung und Neunutzung erforderlich gewesen. Ich hatte es einfach nicht glauben wollen, dass dieses bedeutende Baudenkmal derart leichtfertig, wie hier geschehen, zur Amputation frei gegeben worden ist.

In den 36 Jahren, in denen ich selbst als Denkmalpfleger im Landesdenkmalamt aktiv tätig war, hatte es keinen vergleichbaren Fall gegeben, in dem die Regierung, hier die CDU-FDP-Regierung, ungerührt das Primat eines Landesinteresses an S21 behauptete und ihre eigenen Denkmalpflege-Fachleute derart eiskalt ins Abseits stellte. Mehr noch: Ihre eigenen Architekturhistoriker wurden mit einem Redeverbot zu S21 belegt, worauf ein Ministerpräsident Oettinger widerspruchslos behaupten konnte, die Architektur der Längsflügel am Hauptbahnhof seien ja nur Hüttenkruscht...

Vergeblich habe ich mich zusammen mit der Gruppe der Architekt(inn)en für den Kopfbahnhof in über 15 Plädoyers am Südflügel für dessen Unverzichtbarkeit und Erhaltungswürdigkeit eingesetzt. Wir haben es nicht für möglich gehalten, dass alle unsere guten, für eine Umkehr aus dem eingeschlagenen Weg sprechenden Argumente so vom Tisch gewischt, schlimmer noch, mit einer so arroganten und dreisten Art bekämpft werden konnten.

Es ist die von Anfang an fehlende Legitimierung dieses Stuttgarter Bahnprojekts, die wir nie und nimmer gutheißen können. Allen notorisch Einsichts-verweigernden Befürwortern – angefangen von der CDU, der FDP, der SPD als fortschrittsversessener und selbstvergessener Partei, bis hin zu den kommunalen Freien Wählern – wird ihre bedingungslose Gefolgschaft für das größenwahnsinnige und unredlich beworbene Großprojekt dauerhaft schaden.

Lasst uns alles dafür tun, all denen, die sich und uns das Riesending eingebrockt haben, unermüdlich und unerbittlich unsere Kritik an Ihrem Tun vorzuhalten. Der Käs isch no net gessa, denn:

  1. Die überregionale Presse, von der Süddeutschen über die Frankfurter Allgemeine, den SPIEGEL und der ZEIT haben in den letzten Wochen sehr kritisch über das angeblich unumkehrbare Großprojekt S21 und seine Schwächen berichtet. Zunehmend kritisch begleiten sogar die Stuttgarter Zeitungen das erschwindelte Prestige-Projekt.
  2. Die Anhörung auf den Fildern steht uns kurz bevor.
  3. Mehrere Gerichte sind noch mit dem Abenteurer-Projekt befasst.

Wir sind also nicht allein und und fest entschlossen, den Fall von S21 mitzuverantworten, um letztendlich: Oben zu bleiben!

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