„Nie sollst Du so tief sinken, …

... von dem Kakao, durch den man dich zieht, auch noch zu trinken." (Erich Kästner)

Einen Märchen-Flyer verteilen die Grünen also – auf der Montagsdemo, die es nach Grünem Willen schon längst nicht mehr geben sollte. Einen Märchen-Flyer, der uns aufklärt, dass die Grünen als immerhin größte Fraktion im Gemeinderat viel mehr Anträge zu S21 einbringen, als die zwei Abgeordneten von SÖS zusammen mit den zwei Linken. Vorsichtshalber haben sie die Haushaltsanträge gegen S21 nicht mitgezählt. Die kommen nämlich fast alle von Hannes. Der ist wohl doch ein bisschen spießig und legt Wert auf schwäbisch-solide Haushaltsführung: Der beantragt sogar, die Stadt solle für den unterirdischen Murks nicht noch mehr Geld bezahlen. Dass die Grünen einem ordentlichen Nachschlag von 108 Mio. Euro zugestimmt haben, liegt aber bestimmt an der SPD: die SPD und die CDU waren auch dafür, was will man als Grüner da machen ...

Dank dem Märchen-Flyer wissen wir das jetzt: Es sind wirklich immer die anderen schuld, egal ob sie SÖS, SPD, Klenk oder Rockenbauch heißen – die anderen sind die Bösen. Da können die armen Grünen überhaupt nichts machen. In Wahrheit sind die Grünen nämlich gar nicht so schlecht, wie sie hingestellt werden. Die anderen sind mindestens genauso schlecht ...

Liebe Grüne, habt Ihr wirklich nichts besseres zu sagen, als auf irgendwelchen anderen rumzuhacken? Ist das Eure Vorstellung vom ungeteilten Widerstand? Eine solche Negativ-Wahlkampagne ist deprimierend und unwürdig.

Genauso unwürdig ist es, jetzt das von der Bahn eingefädelte Änderungsverfahren für das Grundwassermanagement zu bejubeln, statt das eigentlich fällige neue Planfeststellungsverfahren einzufordern (siehe Presseerklärung 2011 vom Umweltministerium).

Und noch etwas ist unwürdig: Im ersten Wahlgang sind möglichst viele Stimmen für Kuhn einzig und alleine für das grüne Ego wichtig! Wenn man 'Alles, nur nicht Turner … ' wählen möchte, kann man im ersten Wahlgang genau das tun: Jede gültige Stimme für eine(n) Nicht-Turner hilft, um eine absolute Mehrheit für Turner und damit einen Turner-Sieg zu verhindern.

Überhaupt ist eine absolute Mehrheit für irgendeinen Kandidaten im ersten Wahlgang extrem unwahrscheinlich – und im zweiten Wahlgang gilt 'Neues Spiel, neues Glück'. Der erste Wahlgang hat keinerlei Konsequenzen für den zweiten, der zweite Wahlgang ist keine Stichwahl. Jeder, der möchte, kann auch im zweiten Wahlgang wieder antreten.

So gesehen könnte man den ersten Wahlgang auch weglassen; er liefert lediglich ein Stimmungsbild – und gerade deshalb bietet er uns Wählern eine seltene Chance: Im ersten Wahlgang geht es um Inhalte und Argumente, im ersten Wahlgang zählt nicht politisches Kalkül, sondern Kompetenz und Sympathie. Um Nicht-Turner zu wählen, kann man im ersten Wahlgang einfach nach dem Herzen wählen. Jede Stimme zählt wirklich gleich viel oder wenig, es gibt keine 5%-Hürde und wenn viele wählen gehen, wird niemand in diesem ersten Wahlgang gewinnen. Niemand sollte sich diese Gelegenheit ausreden lassen, für die Person, die Inhalte und Positionen zu stimmen, die einem ganz persönlich am nächsten liegen!

Liebe Grüne, statt solcher Voksverdummung würden wir viel lieber lesen, wie Minister Untersteller eine neue Planfeststellung für 1.1 durchsetzt. Wir würden uns freuen zu lesen, wie Ihr der Bahn einen Lenkungskreis-Termin noch vor der Wahl aufzwingt und gleich auch noch eine Deadline setzt, bis wann die Finanzierung offenzulegen ist, bis wann die Bahn eine seriöse Machbarkeitsanalyse vorzulegen hat, ...

Liebe Grüne, lasst uns doch einfach über das reden, was Ihr tut und vor allem über das, was wir gemeinsam tun können, um dem S21-Wahnsinn endlich ein Ende zu setzen – alles andere hilft nämlich nur der Bahn.

von Carola Eckstein, Parkschützer

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11 Antworten zu „Nie sollst Du so tief sinken, …

  1. Wolfgang Boettcher sagt:

    Ganz Große Klasse dein Kommentar Carola. Danke !

  2. Colère sagt:

    Sehr gut, genau darum geht es!

  3. Marlies Khan sagt:

    Danke für diesen gelungenen Artikel!

  4. Cornelia Duman sagt:

    Die Stuttgarter haben bei der letzten Gemeinderatswahl drei, nicht zwei SÖS-Kandidaten in den Gemeinderat gewählt, dazu zwei der Linken, macht zusammen die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke.

  5. Georg K. sagt:

    Wofür ein neues PFV im Abschnitt 1.1?
    Welche Finanzierung soll offengelegt werden? Es gibt einen Finanzierungsvertrag, es gibt vergeben Aufträge und offene Ausschreibung. Es ist doch alles da.
    Und von was für einer Machbarkeitsanalyse ist hier die Rede?

  6. richter marliese sagt:

    nur „Leute“ bestehen auf Menschenvernichtende
    Verträge!
    In Stuttgart,wie überall möchten doch gerade
    Menschen leben!
    Nicht informierte sollten sich RAUSHALTEN!
    Marlies

  7. Jon sagt:

    Ja, liebe Carola, das ist was zu sagen ist und ein wohlwollender Versuch die Grünen im Boot zu halten. Dennoch bleibt festzualten, dass die Grünen sich längst von allem verabschiedet haben, was wirkliche Veränderung bringen könnte. Viel zu groß ist ihr Verlangen in etablierten Politikkreisen anerkannt zu werden und eine für alle wählbare Partei zu sein. Dabei vergessen sie, dass es ohne Bewusstseinsänderung nicht geht, dass man keine Kompromisse aushandeln kann, wo es keine gibt und dass es nicht darum geht, sich mit jedermann koalitionsfähig zu machen, sondern die Bürger zum denken und handeln zu bringen.
    Alle Argumente der Grünen bezgl. der OB-Wahl zeigen nur, dass auf ihrem Weg nach oben, letztlich alle politische Gegner sind, denn es geht dabei nicht mehr um Inhalte und Gemeinsamkeiten, sondern die Besetzung von Ämtern und Posten.
    … und das ist noch die freundliche Beschreibung dessen, was die Grünen ausmacht. Da könnte man auch noch ganz andere Sachen sagen.

  8. Pingback: IO-Newsletter 26.08.2012: Finanzen und Ministerien | InfoOffensive Baden-Württemberg

  9. Wolfgang Weiss sagt:

    Grün ist Geil – Karriere-Geil :-I !

  10. Oben Bleiber sagt:

    Ich habe bisher

    – bei allen Kommunalwahlen
    – bei allen Landtagswahlen
    – bei allen Bundestagswahlen

    grün gewählt. Am 27.3.2011 waren wir für diese Partei neben Fukushima die kritische Masse, um an die Macht zu kommen.

    Jetzt sind wir ihnen sch***egal.

    Ein Freund von mir meinte: Politiker sind wie Tauben: Wenn sie unten sind, fressen sie dir aus der Hand. Wenn sie oben sind, sch***en sie dir aufs Dach.

    Zumindest für die grünen Spitzenpolitiker unseres Landes sehe ich das genauso.

    Nie wieder grün! Oben bleiben!

  11. Martin Schubert sagt:

    Zitat im zitierten Flugblatt: „Seit 2010 hat die grüne Gemeinderatsfraktion zu Stuttgart21 insgesamt 36 […]
    Anträge mit sehr detaillierten Fragen und Stellungnahmen gestellt. SÖS/Linke hat es im in dem gleichen Zeitraum auf 9 Anträge gebracht.“

    Eine OBERFLÄCHLICHE Recherche der Anträge von SÖS und Linke zwischen dem 01.01.2010 und dem 20.08.2012 ergab folgendes Ergebnis:

    1. 40/2010 „Stuttgart 21/Sparmaßnahmen auf Kosten der Stabilität und Sicherheit“

    2. 108/2010 „Wieviel zahlt die Stadt für die aktuelle S21-Propaganda?“

    3. 125/2010 „Stuttgart 21: Keine Einsparungen auf Kosten der Sicherheit“

    4. 261/2010 „Sofortiger Abriss- und Baustopp bei Stuttgart 21“

    5. 291/2010 „Einsatz der Polizei am 30.09.2010 im Mittleren Schlossgarten“

    6. 121/2011 „Stuttgart 21/Grundwassermanagement: Wo sind die ‚Schluckbrunnen‘?“

    7. 306/2011 „Was kostet die „städtebauliche Chance“? Transparente Zahlen zu den Grund-stücksgeschäften bei Stuttgart 21“ *

    8. 349/2011 „Feststellungsklage zur Überprüfung der S21-Finanzierung“

    9. 373/2011 „Um Antwort wird gebeten – Was kosten die Grundstücke“ *

    10. HH 698/2011 „Keine Ausgaben für S21-Propaganda“

    11. HH 714/2011 „Stopp der Zahlungen an das Land für Stuttgart 21 und Auflösung der Rückstellungen“

    12. HH 720/2011 „Rückabwicklung Kauf der Gäubahntrasse“

    13. 5/2012 „Baustelle S21 im Schlossgarten muss ruhen – Maßnahmen zum Schutz streng geschützter Arten fehlen“ *

    14. 8/2012 „Baustelle S21 muss ruhen: Welche statischen Probleme gibt es im Zusammenhang mit dem Bau des Technikgebäudes unter dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz?“

    15. 227/2012 „Berichterstattung zu Stuttgart 21 durch Vertreter der DB im UTA“ **

    16. 238/2012 „Bürgerentscheid über die Mehrkosten der Landeshauptstadt Stuttgart für S21 ist jetzt angesagt!“

    * gemeinsamer Antrag von B90/Die Grünen und SÖS & LINKE
    ** gestellt von Stadtrat Gangolf Stocker (SÖS) – nicht von der Fraktionsgemeinschaft

    Mir ist schleierhaft, welche sieben (das ist die Differenz zwischen meiner recherchierten Zahl 16 und der behaupteten neun) der genannten Anträge der Kreisverband der Grünen NICHT als Antrag zu Stuttgart 21 wertet. Ich finde, die sollten erst mal zählen lernen, bevor sie solche Flugblätter verteilen oder gar OB-Kandidaten aufstellen…

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