Rede Dr. Eisenhart v. Loeper bei der 138. Montagsdemo

Rede von Dr. Eisenhart v. Loeper, Aktionsbündnis gegen S 21, Sprecher bei der 138. Montagsdemo, 3.9.2012

Die ANHÖRUNGSRÜGE beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim

Liebe Mitwirkende,

vor zwei Wochen hat der Gerichtshof in Mannheim den Antrag eines unserer Freunde abgelehnt, mit dem der Abriss seines Wohneigentums gestoppt werden sollte. Diese Forderung war von Rechtsanwalt Bernhard Ludwig auf 78 Seiten ganz hervorragend begründet worden.

Wir Juristen haben sofort gesehen, dass entscheidende Argumente für den Baustopp bei der Gerichtsentscheidung erkennbar keine Rolle spielten, weil es nach dem Motto „einmal entschieden, immer entschieden“ verfuhr und nur auf die Rechtskraft seines Urteils aus dem Jahre 2006 pochte.

Vor drei Tagen hat unser Prozessanwalt - wie es das Gesetz in solchen Fällen vorschreibt - beim VGH die Anhörungsrüge erhoben und auf 19 Seiten begründet.

Was heißt das? Es geht um den Verfassungsanspruch auf rechtliches Gehör.

Das ist mehr, als es die Landesregierung politisch mit dem Gehörtwerden verheißt. Es geht um unser im Grundgesetz verbürgtes Recht (Art. 103 GG), dass staatliche Entscheidungen die Argumente der Betroffenen zur Kenntnis nehmen und in die Erwägung einbeziehen.

Seit ein paar Jahren ist auch zur Entlastung des Bundesverfassungsgerichts vorgeschrieben, die Anhörungsrüge auch bei dem Gericht zu erheben (§ 152 a VwGO), das - wie hier - eine sog. unanfechtbare Entscheidung erlassen hat.

Damit steht der Mannheimer Gerichtshof vor der schier unlösbaren Aufgabe, die zahlreichen übergangenen Argumente auf kaum vorstellbare Weise zu „widerlegen“ oder das Verfahren fortzuführen und sich selbst zu korrigieren.

Ich nenne nur vier Aspekte, die das Gericht erkennbar in seine einbezogen hat:

1. Erst nach dem Gerichtsurteil von 2006 gab es immense Kostensteigerungen, die für S21 zu einer Deckungslücke führten. Zu deren Überbrückung kam es 2009 zur Mischfinanzierung des Landes in Milliardenhöhe, obwohl es das Grundgesetz nicht zulässt. Das Gericht will das mit der Rahmenvereinbarung von 2001 gleichsetzen und ignoriert damit die unvergleichbar neue Sach-und Rechtslage.
2. Das Gericht ignoriert nicht allein den Vortrag, dass die Finanzierungsvereinbarung von 2009 nichtig ist, sondern auch, dass selbst wenn man der Gegenmeinung von Dolde folgen wollte, der Finanzierungsanteil des Landes seinem spezifischen Aufgabenanteil entsprechen müsste.
3. Eine neue Beweislage wurde mit den wissenschaftlichen Forschungsergebnissen von Dr. Engelhardt zu dem von Anfang an von der Bahn geplanten Abbau der Leistungskapazität von S 21 vorgelegt. Das Gericht erklärt das für unerheblich, weil es keine neue Sachlage sei. Auch das ist nicht haltbar, denn es ging und geht um wesentliche Prognosen, auf denen die Entscheidung beruhen soll. Wie wenig man damit neue Beweise abbügeln darf, zeigt sich daran, dass sonst gänzlich unerträglich Lug und Trug Tür und Tor geöffnet würde.
4. Schließlich gibt es eine geschichtsträchtige Besonderheit: Das Gebäude Sängerstr. 4 wird nur teilweise vom Planfeststellungsbeschluss 1.1 erfasst, den das frühere Urteil betrifft. Ein anderer Teil gehört zu PFB 1.2, unterliegt also auch deshalb gar nicht der Wirkung des Urteils von 2006.

Zum Schluss die gute Botschaft:

Der Gerichtshof in Mannheim wird sich nun aufgrund der erhobenen Anhörungsrüge schweren Herzens sicher aller gerügten Verfahrensfehler annehmen. Das ist gut so, egal wie es ausgeht. Denn dann ist erreicht, dass das Bundesverfassungsgericht nicht mehr über Verfahrensfragen, sondern über die Kernfragen der substantiellen Verfassungsverstöße entscheiden wird.

Wir kämpfen weiter für das Grundrecht auf Eigentum für unseren Freund in der Sängerstraße. Wir verteidigen das Grundgesetz auch gegen die verbotswidrige Mischfinanzierung, die S 21 entgegensteht. Wir setzen darauf, dass der Hüter der Verfassung, das Bundesverfassungsgericht, dem Rechnung tragen wird. Die Entscheidung ist in jedem Falle zu erwarten, bevor es zu einem Hausabriss kommen kann.

Wir sind wachsam

WIR BLEIBEN OBEN

P.S. Für die Finanzierung der genannten Gerichtsverfahren sind (steuerlich nicht abzugsfähige) Spenden erwünscht an

Unterstützungsfonds für Rechtsbehelfe gegen S 21
(www.unterstuetzungsfondsgegenS21.de)
Kontoinhaber RA Walter Zuleger
Konto 7008059500, BLZ 43060967, GLS-Bank

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3 Antworten zu Rede Dr. Eisenhart v. Loeper bei der 138. Montagsdemo

  1. Inge sagt:

    Am 20.08. eübermittelte v. Loeper doch nun aber schon die gute Nachricht, dass der Weg zum BVerfG nun frei sei.

    Wieso ziehen die Juristen dann denn jetzt doch wieder vor den VGH?

  2. Inge sagt:

    Wieso wusste Herr v.Loeper dies denn am 20.08. noch nicht, wenn bereits seit ein paar Jahren auch zur Entlastung des Bundesverfassungsgerichts vorgeschrieben ist, dass die Anhörungsrüge auch bei dem Gericht zu erheben ist (§ 152 a VwGO), das – wie hier – eine sog. unanfechtbare Entscheidung erlassen hat.

    • K. Neumann sagt:

      Die Sache hängt in der Luft und ist, sage ich mal so, unter den bekannten Umständen zweitrangig zu sehen. Denn: das Gericht ist unabhängig und entscheidet hier selbst, ob seinem Urteil ein Gebotsverstoss nach § 152 a VwGO zugrunde liegt. Diese Verwaltungsvorschrift klingt vernünftig, macht hier den Bock aber sprichwörtlich zum Gärtner.

      Denn der VGH wird sich bei der Beurteilung eines Gebotsverstosses nach § 152a VwGO auf die von ihm bestellten unabhängigen „Gut“achter, die die „unabhängigen“ Richter für das Urteil aus dem Jahre 2006 als Sachverständige bestellt hatten, berufen und das Geissler laut StZ zu folgendem Kommentar provozierte (auch im Schlichtungsprotokoll selbst nachzulesen): „Mit der Aussage „Wenn das die Leute wüssten, würden sie sich schon sehr wundern“, reagierte der 80-Jährige darauf, dass die Richter damals offenbar keine neutralen Gutachter verpflichtet hatten, sondern sich bei ihrer Entscheidungsfindung auf den Sachverstand jener drei Experten stützten, die von der Bahn bestellt worden waren: Wulf Schwanhäußer, Mitglied im Konzernbeirat der Bahn, Gerhard Heimerl vom verkehrswissenschaftlichen Institut der Uni Stuttgart, der vor Gericht seine eigenen Pläne begutachtet hatte sowie sein Nachfolger Ullrich Martin, der mittels Simulation dem Tiefbahnhof eine größere Leistungsfähigkeit gegenüber K 21 attestierte.
      “ l. c. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.gutachten-zu-stuttgart-21-wenn-das-die-leute-wuessten.a45ff993-3f92-4395-81eb-6bfa0f2668aa.html.

      Niemand aus der Clique in Mannheim wird sich selbst das Zeugnis ausstellen, das er mit dem Urteil 2006 verdient und das Geissler wie oben beurteilt hat. Denn Geissler wurde selbst seinerzeit unmittelbar auf seine Äusserungen hin aus Mannheim belehrt: Gerichte seien in der Berufung von Sachverständigen unabhängig.

      Formal hätten die Richter des VGH dann nach dem Gebot von § 152 a VwGO auf rechtliches Gehör entsprochen. Und da braucht man kein Prophet zu sein, um zu wissen, wie die Sichtweise in Mannheim sein wird.

      In Mannheim wid sich daher nichts bewegen, weil dort der Platz, an dem bei einem Normalmenschen noch ein Rest von Anstand, Scham und Charakter sitzt, komplett verwaist scheint.

      Die Gesetze können noch so gut sein. Wenn der Charakter schlecht ist, dann wird trotzdem alles in die Binsen gehen. Die Gesetze können noch so schlecht sein. Wenn der Charakter gut ist, dann wird trotz schlechter Gesetze eine Gesellschaft prosperieren, weil trotzdem recht im Sinne des Ausgleichs gesprochen würde bzw. es käme nicht zu solchen Gesetzen.

      Das ganze ist daher ein Kriegsnebenschauplatz, weil die ausgebufften VGH-Richter wissen, wie man sich nicht selber ans Bein pinkelt und Rechtsstaat funktioniert.

      Entscheidend bleibt daher der Gang zum BVerfG, das hier als letzte Sicherung eingebaut ist.

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