Prozessbericht und Urteil im Berufungsverfahren „Müller gegen Müller“ vor dem Landgericht Stuttgart, am Freitag, 29.11.2013

Am Schluss, als Einleitung zur Urteilsbegründung, wandte sich Richter Wagner an den Angeklagten Peter Müller und zollte ihm seinen Respekt: „Sie haben sich als aufrechter Mann erwiesen und sich gut vertreten. … Es gibt sicher respektable Gründe gegen Stuttgart 21 und Sie haben das Recht, dagegen zu protestieren. Allerdings im Rahmen des Gesetzes und allgemein verbindlicher Regeln des Zusammenlebens.“  Der Vorsitzende Richter machte auch klar, dass er S21 gegenüber absolut neutral sei und dieser Prozess um einen Button kein politischer, sondern ein ganz normaler Strafprozess sei, bei dem es um das Kunsturhebergesetz und Beleidigung gehe. Er hätte noch hinzufügen können: „ … und mit Stuttgart 21 hat das rein gar nichts zu tun.“ Das sagte er aber nicht, denn dazu hatten die beiden Verhandlungstage und die Plädoyers des Rechtsbeistands Jänicke und des Angeklagten dann doch zu sehr den 30.9.2010 thematisiert, zeitweise von hoher Emotionalität der Zuhörerschaft begleitet. Nach Beweisaufnahme und Zeugenaussagen am ersten Prozesstag (8.11.2013) standen am Freitag, 29.11.2013, noch folgende Punkte an: Beweisanträge des Rechtsbeistands, Plädoyer des Rechtsbeistands, Plädoyer des Staatsanwalts, Schlussplädoyer des Angeklagten, Urteil und Begründung.

1. Beweisanträge des Rechtsbeistands
Nach Eröffnung der Verhandlung um 13:30 übergab Rechtsbeistand Jänicke zwei Beweisanträge an Staatsanwalt Dietrich und die Gerichtsschreiberin und las sie vor. Im ersten Beweisantrag forderte er den Stuttgarter Stadtarchivar als Zeugen zu laden, damit dieser aussagen könne, dass der 30.9. ein Ereignis der Zeitgeschichte sei und somit die dort in Erscheinung getretenen Personen gleichermaßen Personen der Zeitgeschichte sind und nicht vom Kunsturhebergesetz (Recht auf das eigene Bild) geschützt sind.
Der zweite Beweisantrag befasste sich mit dem corpus delicti, dem Button, der nochmals  in Augenschein genommen werden sollte. Begründung: Es sollte auf Grund des Fotos des prügelnden Polizisten und der umstehenden Beamten erwiesen werden, dass POK Müller auf dem Bild nicht in Notwehr den Stock erhoben habe.
Das Hohe Gericht zog sich zur Beratung zurück, lehnte dann den ersten Antrag ab („ … das Gericht hat genug Sachkenntnis, eine Zeugenaussage ist nicht notwendig“) und ließ den zweiten Antrag zu.

Hier sei ein kurzer Kommentar erlaubt: Es ist für Zuschauer, die nicht täglich mit Prozessangelegenheiten befasst sind, immer höchst befremdlich, dass Angeklagte z.B. zur Anhörung von Zeugen und zum Anschauen von Indizien einen wohl begründeten Beweisantrag stellen müssen. Es reicht nicht, einfach zu sagen: „Wir sollten uns noch mal den Button ansehen.“ Mit einer präzise formulierter Begründung, warum man den Button sehen will, gibt man dem Gericht zu verstehen, dass es in der Hoheit desselbigen steht, der Bitte nachzukommen oder eben nicht. Was für einen Normalbürger eigentlich selbstverständlich erscheint, dass man sich nämlich Indizien anschaut und dass Zeugen gehört werden, ist nur auf Grund eines Antrags möglich.

Erfahrungsgemäß lehnt das Gericht die meisten Beweisanträge ab. Immerhin: Am heutigen Freitag schaute man sich tatsächlich noch einmal den Button gemeinsam an und diskutierte darüber, ob Herr POK Dirk Müller grinse und mit Freuden den Stock schwang oder ob er sich in Notwehr befände, wie ja ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ergeben hatte.
Als der Angeklagte Peter Müller in diesem Zusammenhang eine Frage an den Richter stellen wollte, gab dieser die Antwort: „Sie haben die Möglichkeit, Anträge zu stellen. Es ist nicht vorgesehen, dass ich Fragen beantworte.“  Man hätte nun verzweifelt den Gerichtssaal verlassen können, doch blieben die ca. 60 Zuschauer – wenn auch gelegentlich murrend – sitzen, stehen und auf dem Boden hocken. Dies auch aus Respekt vor dem Angeklagten.

Rechtsbeistand Jänicke hob einmal mehr hervor, dass er den Beweisantrag gestellt hatte, den angeblich Beleidigten POK Müller zu laden, damit dieser all die offenen Fragen beantworten könnte. Dieser Beweisantrag war allerdings schon am ersten Verhandlungstag am Landgericht sowie zuvor am Amtsgericht abgelehnt worden. Dass der Hauptzeuge nicht geladen wird, muss man nicht verstehen, nur zur Kenntnis nehmen.

2. Plädoyer des Rechtsbeistands
Nach Abschluss der Beweisaufnahme und da weder Richter noch Schöffen noch Staatsanwalt weitere Fragen hatten, wurde Rechtsbeistand Jänicke das Wort zum Plädoyer erteilt. Da er sein Plädoyer frei nach Stichpunkten vortrug, kann es nicht in vollem Umfang wiedergegeben werden, nur als Zusammenfassung. Trotz Überlänge hörten die Zuschauer angespannt zu, wurde doch vor ihren Augen noch einmal die Szenerie des 30.9. präsent. Jänicke betonte, dass es sich um einen kleinen Button von 5 cm Durchmesser  mit dem Bild eines grinsenden Polizisten handle, dem in einem Ermittlungsverfahren zugestanden worden war, er habe am Schwarzen Donnerstag in Notwehr gehandelt. „Sieht so ein um sein Leben besorgter Mensch aus?“, fragte Jänicke.  „So sieht jemand aus, der Spaß hat. Dieser 30.9. und die Staatsmacht waren eines Rechtsstaats nicht würdig.“ Um vor Augen zu führen, wie sehr der 30.9. in die Republik ausgestrahlt hat, wie sehr dieser Tag auch in das Bewusstsein von Polizei eingegangen ist, schilderte er ein Erlebnis in Gorleben, wo ein hoher Einsatzleiter der Polizei den Anwesenden versicherte: „Seien Sie gewiss, dass wir hier nicht einen 30.9. machen.“ Jänicke wollte das als Beweis gewertet haben, dass der 30.9. ein Teil der deutschen Zeitgeschichte ist und somit auch POK Müller als Vertreter der Polizei ein Mann der Zeitgeschichte, der zudem noch bis zum heutigen Tag weltweit als abschreckendes Beispiel für Polizeigewalt in den Medien sei. „Wenn man nicht wahr nimmt, dass der 30.9. eine Katastrophe war, sondern die Erinnerung an diesen Tag als Albtraum von Neurotikern, Hysterikern und Querulanten einstuft, dann müsste ich bei meinem Mandanten auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren.“
Er stellte seinen Mandanten als einen Bürger „wie du und ich“ vor, der den 30.9. am eigenen Leibe erfahren hatte, der an die Gewalt dieses Tages mittels eines Buttons erinnern und mahnen wollte, der sein Recht auf Meinungsfreiheit durch Tragen eines Buttons mit genau dieser Aufschrift wahr genommen hatte. Dass er hätte wissen müssen, dass dieser Button verboten war, könne man ihm nicht vorwerfen, da kurz vor ihm – wie er beobachtete – ein Polizist genau so einen Button gegen Spende erworben hatte, bestätigte dies doch, dass das erlaubt sei. Wenn diese Buttons mit einem millionenfach in den Medien verbreiteten Bild illegal gewesen seien, hätte der Polizist statt eines Erwerbs die noch dort liegenden Button konfiszieren müssen. „Wie sollte er auf die Idee kommen, der Button sei nicht erlaubt? Mal ehrlich,“ wandte er sich an das Gericht, „ …wenn Sie auf allen Fernsehkanälen dieses Bild sehen, kämen Sie auf die Idee, dass gerade dieses Bild verboten ist? Hätte er vielleicht vor dem Kauf einen Rechtsanwalt fragen sollen? Mein Mandant ist kein Jurist, er konnte aus dem Gesamtzusammenhang nicht davon ausgehen, dass er diesen Button nicht tragen darf.“ Und: „Warum hat POK Müller bis heute keine Anstalten gemacht, die Verbreitung von Bildern und Filmen mit seiner Person in Zeitungen und auf TV-Kanälen verbieten zu lassen?“  Jänicke vermutete, dass POK Müller von der Verbreitung des Buttons gar nichts gewusst und erst etwas unternommen habe, als die Staatsanwaltschaft dies an ihn herantrug.
Jänicke kam in diesem Zusammenhang noch einmal auf das Ermittlungsverfahren gegen POK Müller wegen Körperverletzung zu sprechen. Dieses hatte mit der Einstellung wegen Annahme einer Notwehrsituation geendet. Jänicke schilderte den 30.9. als Desaster für einen demokratischen Rechtsstaat, in dessen Folge auch noch die Verhöhnung der Verletzten und Traumatisierten durch den Untersuchungsausschuss zu erleben war. „Das Mindeste wäre gewesen und rechtlich geboten, die Ermittlungen zum 30.9. durch eine andere Staatsanwaltschaft  und nicht durch Oberstaatsanwalt Häussler vornehmen zu lassen. …. Eine andere Staatsanwaltschaft hätte bemerkt, dass die Fällung der Bäume zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich verboten war, dass deshalb der ganze Einsatz rechtswidrig war. Das scheint aber in Stuttgart keinen Staatsanwalt und keinen Richter zu interessieren…. Es wäre die Aufgabe des Staates und der Polizisten am 30.9. gewesen, die illegale Baumfällung zu verhindern und die Bürger zu schützen statt sie zu prügeln und mit Reizgas zu besprühen. Es ist die Aufgabe der Polizei, die Würde der Bürger zu schützen. “  Was die Wortwahl des  Textes auf dem Button angehe, darüber könne man geteilter Meinung sein. Nicht jeder würde diese Wortwahl gut finden, aber angesichts der Brutalität am 30.9. könnten sich viele Menschen, die das miterlebt hatten, nachvollziehen. Im Kern passen die Worte zum Bild. Ein Jahr nach dem Schwarzen Donnerstag  habe sein Mandant mit dem Button signalisieren wollen, nicht noch  einmal so einen Tag zu erleben.
Jänicke betonte, dass seinem Mandanten nicht im Geringsten klar war, dass er eventuell Unrecht tun könnte, dass er sich gar nicht die Frage stellen konnte, ob er den Button kaufen und tragen wollte oder nicht, er konnte die „Tat“ mangels Unrechtsbewusstsein gar nicht verhindern. Somit forderte Jänicke Freispruch für seinen Mandanten.

3. Plädoyer des Staatsanwalts
Staatsanwalt Dietrich betonte, dass der Angeklagte  das Tragen des Buttons nicht bestritten habe, dass er aber nicht provozieren wollte. Der Tatbestand der Beleidigung ergebe sich aus der Kombination von Foto und Text, bei dem der Angeklagte den POK Müller auf eine ethisch niedrige Stufe stelle. Eine negative Aussage über den Charakter eines anderen Menschen wertet die Justiz als Beleidigung. Auf seine Frage in der Vernehmung habe der Angeklagte selbst gesagt, dass jemand, der ein brutaler Schläger ist, ethisch nicht hochstehend sei. Auch er, der Staatsanwalt, halte den 30.9. für ein großes Unglück, doch ein Gerichtsverfahren könne nicht alle Wunden heilen. Durch den Button habe sich der Angeklagte auf das gleiche Niveau wie die Presse gestellt, indem man einen Polizisten als Beispiel für den 30.9. in der medialen Berichterstattung genommen hat. Mit POK Müller und somit auch dem Button wurde der Polizeieinsatz auf den Punkt gebracht. Doch mit der Kombination von Bild und Text sei eine Grenze überschritten.  Er halte dem Angeklagten zugute, dass er ein „friedlicher Bürger aus der Mitte des Volkes“ sei. Dieser sei zu bestrafen, aber niedrig und angemessen, das heißt vor dem Hintergrund des 30.9. zu sehen. So forderte er für den Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz und die Beleidigung zusammen eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen je 25 Euro. (Anm.: Dies entsprach dem Urteil des Amtsgerichts.)

4. Schlussplädoyer des Angeklagten
Der Angeklagte Peter Müller ging in seinem  Schlussplädoyer zunächst auf seinen Lebenslauf in der ehemaligen DDR ein, wo er schon als Schulkind nicht „auf Linie“ war und Repressalien zu ertragen hatte und später als „politisch unzuverlässig“ eingestuft wurde, was ihm Weiterbildung und Studium verwehrte. Als im Jahr 1990 die Mauer fiel, war er der Ansicht, nun endlich in einem Land zu leben, wo Gerechtigkeit herrscht. Dass die Schiffswerft in Rostock, wo er arbeitete, dann verkauft und abgebaut wurde, habe ihn tief erschüttert: „Seither sehe ich das Rechtssystem im Rechtsstaat Deutschland äußerst kritisch.“  Dennoch lässt Peter M. sich immer wieder auf dieses System ein, was bleibt ihm auch anderes übrig, als entweder zu zahlen oder zu prozessieren. Er spricht den Herrn Staatsanwalt direkt an, indem er ihm Fragen stellt, deren Beantwortung er selbstverständlich nicht erwartet, doch die unter die Rede- und Meinungsfreiheit fallen. „Herr Staatsanwalt, was tun Sie gegen diesen Wirtschaftsbetrug der Bahn, die seit März 2011 genau weiß, dass S21 für 4,5 Mrd. nicht zu bauen sind, aber erst nach der Volksabstimmung den Kostendeckel als geplatzt zugibt? Das ist Betrug und somit ein Fall für den Staatsanwalt,“ sagt er. „Und was macht die Staatsanwaltschaft? Sie verklagt lieber Bürger, die den Betrug durchschaut haben, wegen Ordnungswidrigkeiten, Verstößen gegen das Versammlungsrecht und wegen eines Button.“ Peter M. führt auch die Azer-Liste mit den 121 Risiken an. Und ruft: „Herr Staatsanwalt – wie weit sind Sie mit Ihren Ermittlungen in diesen Fällen?“  Und weiter: „Wenn die Staatsanwaltschaft auf Grundlage dieses Schriftstücks von Herrn Azer ermitteln würde, hätte sie für sehr lange Zeit genügend Arbeit und müsste sich nicht mit kleinen Ansteckern befassen.“  In weiteren Verlauf des Plädoyers erwähnt er unbearbeitete oder eingestellte Anzeigen und das Verhalten von Richtern, was ihn eher an die Justiz der ehem. DDR erinnerte.
Es sei ihm unverständlich, warum POK Müller trotz Antrags nicht als Zeuge geladen wurde. Er hätte POK Müller gerne gefragt, warum er nur gegen Peter M. eine Anzeige wegen Beleidigung gestellt hat, nicht aber gegen die anderen beiden aktenkundigen Träger des gleichen Buttons. Auch andere Fragen seien nicht möglich gewesen, da der Hauptzeuge und weitere Zeugen nicht zugelassen waren. So z.B. nicht die anderen Polizisten des Einsatzes, die lachten, während POK Müller zuschlug. Sollte es Notwehr gewesen sein, so müsse man ja nicht lachen. Oder entsprachen die Herren vielleicht doch dem Text auf dem Button? Und warum geht POK Müller nicht gegen die Medien vor, die bis heute sein Image als das eines brutal schlagenden Polizisten verbreiten?
Peter M. beschäftigte sich dann genauer mit der Rolle der Polizisten, die ja Kindern als „Freund und Helfer“ dargestellt werden. In vielen Fällen kann Peter M. das auch über die Arbeit der Polizei sagen, aber  „…Polizisten, die ihren Dienst sorgfältig leisten, fallen weniger auf, als die, die ihren Schlagstock tanzen lassen … Das Problem mit Polizisten ist nur, dass ich sie nehmen muss, wie sie kommen. Beim Bäcker ist das einfacher; wenn mir die Brötchen bei dem einen nicht schmecken, dann gehe ich zum Nächsten“.
Peter M. ging auch auf die Rolle der Schöffen ein, „… durch deren ehrenamtliche Arbeit als Laienrichter ja das Vertrauen der Bürger in die Justiz gestärkt und eine lebensnahe Rechtsprechung erreicht werden soll.“  Peter M. wunderte sich nun, dass sie – die Schöffen – sich nicht in die Beweisaufnahme eingebracht hatten, dass sie keine Fragen an den Angeklagten oder die Zeugen  hatten. „Ich erwarte ja nicht unbedingt, dass Sie mir bedingungslos glauben, aber ich erwarte, dass Sie alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen, um sich ein objektives Urteil zu bilden. … Wenn ich in der Rolle eines Schöffen über Schuld oder Unschuld eines Angeklagten entscheiden sollte, dann würde ich möglichst viele Informationen sammeln.“
Peter Müller war sich mit seinem Schlussplädoyer sehr wohl bewusst, dass seine offenen Worte an Gericht, Staatsanwalt und Schöffen „ …  vielleicht taktisch nicht klug, aber ehrlich waren. Und Ehrlichkeit sollte an jedem Gericht oberstes Gebot sein,“ mahnte er an. Er erklärte nochmals seine Unschuld und forderte einen Freispruch für sich. Er beendete sein Schlussplädoyer mit den Worten: „Und egal, wie Sie entscheiden – Mein Geld können Sie mir nehmen, meinen Stolz und meine Würde nicht.“

5. Urteilsspruch und Begründung
Nach einer Beratungspause zusammen mit den Schöffen, nach Urteilsfindung und Formulierung, was eine Stunde Pause bedeutete, wurde das „Urteil im Namen des Volkes“ gesprochen:
Vom Vorwurf, gegen das Kunsturhebergesetz verstoßen zu haben, wurde Peter Müller frei gesprochen. Die Anklage der Beleidigung erwirkte eine Strafe von 15 Tagessätzen je 25 Euro, plus die Überrahme von ¾ der Gerichtskosten.
Der Tatbestand der Beleidigung sei in voller Form gegeben, führte der Richter an. Mit der Kombination aus Bild und Text auf dem Button sei eine Grenze überschritten worden, die auch durch das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gedeckt sei. „Sie wollten Herrn POK Müller nicht beleidigen und wussten nicht von der Strafbarkeit des Buttons. Sie konnten aber den Sinngehalt Ihrer Handlung erfassen, dazu müssen Sie nicht wissen, dass etwas strafbar ist. Der Button beschäftigt sich nicht mit dem 30.9., sondern mit einer Person, also ist hier das Personenrecht tangiert und die Kammer sieht darin den Straftatbestand der Beleidigung." Durch seine Aussage, dass das Verhalten des POK Müller am 30.9. ethisch verwerflich gewesen sei, habe er eine negative Aussage über dessen Charakter gemacht, was als Beleidigung gewertet wird.

Um 17:00 Uhr war die Verhandlung „Müller gegen Müller“ vor dem Landgericht beendet.

Anmerkungen und Dankesworte
Wieder ein langer Prozessbericht. Aber kann man überhaupt noch kurze Berichte schreiben angesichts so vieler Ungereimtheiten innerhalb der S21-Prozesse? Wie kann es z.B. sein, dass vor zwei Wochen am Amtsgericht an einem einzigen Tag bei dem gleichen vorgeworfenen Delikt (Nötigung bei Blockade) am Vormittag die Angeklagten Einstellungen/Einstellungen mit Auflagen bekommen, aber in einem Prozess am Nachmittag (anderer Richter) die Angeklagten für eine einzige angebliche Nötigung eine Strafe von 30 Tagessätzen bekommen? Kann man schweigen? Kann man beim heutigen Verfahren „Müller gegen Müller“ am Landgericht begreifen, warum vom Angeklagten benannte Zeugen nicht zugelassen wurden? Kann man verstehen, dass der heute verhandelte Button durch einen Verwaltungsakt verboten war, dass aber trotz Antrags der Verteidigung das Original (genauer Wortlaut) des Verwaltungsaktes nicht vorgelegt werden musste oder konnte? Kann man begreifen, wie desinteressiert  und nicht um die Aufklärung von Details das Landgericht bemüht schien? Sollte nicht wenigstens am Landgericht allen Spuren nachgegangen werden? Was ist somit der Unterschied von Amtsgericht und Landgericht in der Prozessführung? Kann man begreifen, welche Rolle Schöffen haben außer Statisten zu sein, die keine Fragen haben in einem komplizierten Geflecht von Prozessvorgängen? Kann man begreifen, mit welcher Hartnäckigkeit abgelehnt wurde, den Kläger und Hauptzeugen POK Müller vorzuladen? Kann man verstehen, warum im Prinzip Meinungsfreiheit besteht, aber im konkreten Falle nicht?

Immerhin - und das soll auch gewürdigt werden - ist der Vorwurf, das Kunsturhebergesetz verletzt zu haben, fallen gelassen worden. Ein schöner Teilerfolg, der sicher auch Rechtsbeistand Jänicke und seiner stringenten Argumentation  während der Verhandlung zuzuschreiben ist.

Die wie eine Monstranz vor einem Urteil gesprochene Floskel „Im Namen des Volkes“ klingt seit Jahren wie Hohn in den Ohren der K21-Bewegung. Auch wenn dies eine symbolische Formel sein mag, nachdenken darüber ist erlaubt und so ist es manchem Zuschauer nicht zu verdenken, wenn er sagt „Nicht in meinem Namen“.
Wenn es allerdings hieße „Im Namen der Wahrheit“, wäre man in diesem Prozess daran interessiert gewesen, die Wahrheit zu ergründen? Hätte man die Mehrheit der Beweisanträge zugelassen, hätte es möglicherweise auf einen dritten Prozesstag ankommen lassen, hätte man Zeugen gehört und Beweismittel beigebracht, dann hätten die Zuschauer am Schluss immerhin das Gefühl gehabt, das Hohe Gericht sei bemüht gewesen, wirklich zu erfahren, was es mit einem einfachen Button auf sich hatte. „Wer die Wahrheit ausspricht, begeht kein Verbrechen,“ sagte MP Kretschmann kürzlich in einem TAZ-Interview. Man könnte hinzufügen: „Bevor man die Wahrheit ausspricht, muss man sie erforschen;  und wer die Wahrheit erforscht, begeht auch kein Verbrechen.“
Jeder, der an diesen beiden Prozesstagen am Landgericht teilgenommen hat, kann sich von Empathie  nicht frei machen. Keinen Zuschauer haben diese Verhandlungen unberührt gelassen. Ist es da zu verdenken, dass manchmal die Wogen hoch gingen im Gerichtssaal? Allerdings verstummte auch mancher Zuhörern aus Gründen der Hochachtung angesichts der grandiosen Plädoyers von Rechtsbeistand und Angeklagtem.
Kann man anders als sich verneigen vor einem Angeklagten, der sein Recht trotz Aussichtslosigkeit dennoch Stufe für Stufe erkämpfen will, am Amtsgericht, am Landgericht , … ?

Peter Müller bedankt sich noch einmal auf diesem Wege für die übergroße Solidarität, von der er an den beiden Prozesstagen getragen wurde.

Beobachtet und kommentiert: Petra Brixel.

Peter Müllers vollständiges Schlussplädoyer ist hier nachzulesen: 

Hohes Gericht, sehr geehrte Schöffen, Herr Staatsanwalt, liebe Zuschauer,
es ist wohl eher nicht üblich, vor Gericht über Gefühle zu sprechen, aber da sich das hohe Gericht und die Staatsanwaltschaft an den vergangenen beiden Prozesstagen immer wieder auf die angeblich verletzten Gefühle des POK Dirk Müller beriefen, ist es wohl nur logisch, dass ich hier auch meine Gefühle zu der Thematik kund tue.
Zunächst einmal hat nicht nur POK Dirk Müller Gefühle. Auch Dietrich Wagner, der bei dem kriminellen Vorgehen der Polizei am 30.09.2010 sein Augenlicht verlor, die unzähligen übrigen Verletzten und wohl alle Zeugen dieser Polizeigewalt wurden damals zutiefst in ihren Gefühlen verletzt und ihr Glaube an den Deutschen Rechtsstaat wurde in höchstem Maße erschüttert. Kinder, denen man in der Schule und bereits im Kindergarten beibrachte, dass die Polizei ihr "Freund und Helfer sei", erlebten plötzlich das totale Gegenteil, nämlich dass die Polizei von der Politik missbraucht wird, um die rein finanziellen Interessen von Lobbyisten mit Gewalt durchzusetzen.
Der Herr Vorsitzende ist zum Anfang des Verfahrens am 08.11. sehr ausführlich auf meinen Lebenslauf und speziell meine Herkunft aus der ehemaligen DDR eingegangen. Da ich mich dort stets standhaft weigerte, irgendwelchen politischen Organisationen und Parteien beizutreten, war ich natürlich verschiedensten Repressalien ausgesetzt. Das begann schon damit, dass ich als Schulkind von Klassenfahrten ausgeschlossen wurde. Nach Ableistung meines 18monatigen Grundwehrdienstes, den ich nur in Kauf nahm, um nicht für mindestens 3 Jahre in das wegen seiner Fassadenfarbe als "Gelbes Elend" bekannte Zuchthaus für politische Gefangene in Bautzen zu müssen, stand in meiner abschließenden Beurteilung: "Politisch unzuverlässig". Das machte mir einen beruflichen Aufstieg durch Weiterbildung  bzw. Studium unmöglich.
Trotz alledem habe ich nie meinen Glauben an Gerechtigkeit verloren und gehörte daher 1989 auch mit zu den Ersten, die gegen die politische Führung der DDR auf die Straße gingen, was nicht ungefährlich war. Unter anderem nahm ich zusammen mit vielen anderen Bürgern und mit Pfarrer Gauck, unserem heutigen Bundespräsidenten, an der Besetzung der Stasi-Zentrale in Waldeck bei Rostock teil. Als dann endlich die Mauer fiel und das geteilte Deutschland wiedervereinigt wurde, war ich der Meinung, dass ich jetzt endlich in einem Land lebe, wo Gerechtigkeit herrscht.
Diese Meinung musste ich aber bereits 1990 revidieren, als die Treuhand meine Firma, die Schiffswerft "Neptun" in Rostock und damit meinen Arbeitsplatz, für eine Deutsche Mark an die Bremer Vulkan-Werft verkaufte, die unsere besten Maschinen abbaute und nach Bremen und Hamburg brachte und meine Kollegen und mich auf die Straße setzte, obwohl unsere Werft damals noch volle Auftragsbücher hatte. Seither sehe ich das Rechtssystem im Rechtsstaat Deutschland äußerst kritisch.
So befassen sich hier und heute schon den zweiten Tag Juristen und natürlich auch die beiden Schöffen mit einem kleinen Anstecker, während sich die Deutsche Bahn zur gleichen Zeit über Verbote hinwegsetzt, ohne Genehmigungen baut und die Projektpartner von Stuttgart 21 hinsichtlich der immer mehr aus dem Ruder laufenden Kosten betrügt.
Herr Staatsanwalt - Was tun Sie gegen diesen Wirtschaftsbetrug?
Die Bahn weiß spätestens seit dem 25. März 2011, dass Tiefbahnhof und Tunnel nicht für die im Vertrag festgeschriebenen 4,5 Milliarden € zu bauen sind. An diesem 25. März legte der laut Dr. Rüdiger Grube "beste Mann der DB", Hany Azer seine berühmte Liste mit 121 Risiken zu Stuttgart 21 vor. Damit war bewiesen, dass das Projekt erstens schlecht geplant und zweitens noch schlechter kalkuliert wurde. Dennoch behauptete der angeblich "ehrliche hanseatische Kaufmann" Grube noch bis nach der Volksabstimmung am 27. November 2011, dass der Kostendeckel von 4,5 Milliarden € gilt. Das ist Betrug und somit ein Fall für den Staatsanwalt. Und was macht die Staatsanwaltschaft? Sie verklagt lieber die Bürger, die den Betrug durchschaut haben wegen Ordnungswidrigkeiten, angeblichen Verstößen gegen das Versammlungsrecht und nicht zuletzt wegen eines Buttons.
Mittlerweile wurde die "Azer-Liste" auch den zuständigen Politikern in Stadt, Land und auch im Bund zugestellt. Alle diese Politiker haben in ihrem Amtseid geschworen, Schaden von der Stadt bzw. dem Land fernzuhalten, unterstützen das Projekt aber weiter. Auch das ist strafbar, da diese Leute im Gegensatz zu mir wissentlich handeln.
Herr Staatsanwalt - Wie weit sind Sie mit Ihren Ermittlungen in diesen Fällen?
Wenn die Staatsanwaltschaft auf Grundlage dieses Schriftstückes von Herrn Azer ermitteln würde, hätte sie für sehr lange Zeit genügend Arbeit und müsste sich nicht mit kleinen Ansteckern befassen.
Noch ein Wort zur Arbeit der Stuttgarter Staatsanwaltschaft: Wenn ein Befürworter des Kopfbahnhofes eine Anzeige erstattet, tickt die Staatsanwaltschaft plötzlich ganz anders. So erstattete ich am 17. August 2011 zwei Anzeigen bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Einmal gegen Herrn Rochow von der Firma Hölscher, der mich mit seinem Firmenwagen angefahren hatte und einmal gegen die anwesenden Polizeikräfte von der Stuttgarter Einsatzhundertschaft wegen Strafvereitelung im Amt, weil sie den Vorfall trotz Ansprache durch mich ignorierten und nicht bereit waren, meine diesbezügliche Anzeige entgegenzunehmen, wozu sie verpflichtet gewesen wären. Beide Klagen wurden durch Frau Neidhardt, eine Kollegin des Herrn Staatsanwalt abgewiesen. Im Fall der Strafvereitelung durch die Polizisten begründete Frau Neidhardt die Abweisung damit, dass zur Tatzeit laut Einsatzprotokoll der Polizei zwischen 10 und 22 Personen am Tatort demonstrierten, von denen drei zwei einfahrende Fahrzeuge der Firma Hölscher blockierten. Aufzeichnungen seien an diesem Tag nicht gefertigt worden. Ist ein Einsatzprotokoll keine Aufzeichnung? Im Übrigen konnten sich die Polizeibeamten an nichts erinnern. Das Verfahren gegen den Fahrer des Hölscher-Autos wurde mit gleichem Datum ebenfalls von Frau Neidhardt eingestellt, weil sich Herr Rochow ebenfalls an nichts erinnern konnte - obwohl sein Auto eine Delle abbekommen hatte - und es an dem Tag laut Baustellentagesbericht überhaupt keine Demonstration bzw. Blockadeaktion gegeben habe. Beide Bescheide wurden mir - vermutlich aus Kostengründen - im gleichen Briefumschlag zugestellt. Gegen die Einstellung dieser beiden Verfahren legte ich Beschwerde beim Generalstaatsanwalt ein. Ein Herr Dr. Mästle bescheinigte mir, obwohl ich deutlich auf die Widersprüche in beiden Abweisungen hingewiesen hatte, das korrekte Vorgehen von Frau Neidhardt. Bitte bilden Sie sich selbst Ihr Urteil. Ich verkneife es mir, damit sich der Herr Staatsanwalt nicht noch mehr Arbeit macht.
Aber nicht nur die Staatsanwaltschaft arbeitet - vorsichtig ausgedrückt - so, dass es mit gesundem Menschenverstand nicht zu verstehen ist. Auch Richter urteilen mit zweierlei Maß. Bei meinem ersten Strafverfahren vor dem Amtsgericht wurde mir vorgeworfen, ich hätte Nägel auf die Straße geworfen, um eine Polizeikolonne aufzuhalten. Als Techniker weiß ich natürlich, dass das rein technisch gesehen totaler Schwachsinn ist und man mit ein paar Nägeln kaum ein Fahrzeug außer Gefecht setzen kann. Aber so wie auch hier wurden vom Gericht keine Zeugen der Verteidigung zugelassen. Nun aber kommt der Witz an der Sache: Die beiden Zeugen der Staatsanwaltschaft, natürlich Polizisten, waren sehr geteilter Meinung. Während die junge Polizistin behauptete, ich hätte deutlich sichtbar mit der linken Hand, also hin zu den 7 oder 8 in ein bis zwei Meter Entfernung von mir stehenden Polizisten, Nägel gestreut, sagte der Mann, er hätte mich über die Straße gehen sehen und sonst nichts. Somit hat er eigentlich meine Aussage bestätigt, dass ich zwar an dem Ort war, aber keine strafbare Handlung begangen habe. Übrigens saßen beide Zeugen nach eigenen Angaben über 20 Meter entfernt vom sogenannten Tatort in einem Auto.Trotzdem verurteilte mich die Richterin, Frau Tichaczek-Krebs zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25 € mit der Begründung, dass Polizisten nicht lügen. Da sich aber beide Polizisten in ihren Aussagen widersprochen haben, ziehe ich mit meinen beschränkten juristische Kenntnissen den Schluss, dass einer der beiden Zeugen ja gelogen haben muss. Übrigens gab es bei diesem Verfahren keine weiteren Beweismittel, weder die Nägel, noch Fotos, die die Nägel auf der Straße gezeigt hätten.
Damals hat aber auch kein Mensch nach meinen Gefühlen oder meine verletzten Ehre gefragt! Im Gegenteil: Die Richterin empfahl mir nach der Urteilsverkündung, mich in Zukunft von den S21-Gegnern fernzuhalten, was ebenfalls meine Gefühle als freier mündiger Bürger dieses Rechtsstaates verletzte.
Ich finde es auch sehr verwunderlich, wenn verschiedenste Medien aller politischen Richtungen melden, dass Polizisten Tankstellen überfallen oder gar in Kinderpornografie verwickelt sind, während Stuttgarter Richter ihre Urteile gegen unsereins damit begründen, dass Polizisten nicht lügen. Dabei hatte selbst Ex-Polizeichef Siegfried Stumpf so seine Probleme mit der Wahrheit: Seine "Schwäbischen Pflastersteine", die Demonstranten angeblich am 30.09.2010 auf Polizeibeamte geworfen hatten, entpuppten sich sehr schnell als ganz normale Kastanien, die die Polizei selbst mit ihren Wasserwerfern  von den Bäumen geschossen hatte. Auch bei Angaben über verletzte Polizisten zählt man immer diejenigen mit, die Pfefferspray gegen den Wind versprühen und auch jene, die von ihren eigenen Kollegen getroffen werden.
Dass in unserem  Fall auch der Zeuge Kirchner einige Probleme mit der Wahrheit hatte, haben hoffentlich nicht nur die Zuschauer bemerkt. Bei Verfahren gegen wirkliche Kriminelle läuft das ganz anders. So war ich am 23.10.2013 als Zeuge vor das Amtsgericht Stuttgart geladen. Ein gebürtiger Kasache mit Alkohol und Drogenproblemen sowie einem ellenlangen Vorstrafenregister wegen Diebstahl, Raub, Körperverletzung, Drogenhandel, Beleidigung, Exhibitionismus usw. stand wieder einmal wegen Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor Gericht und wurde von der Richterin, Frau von Mengden-Breucker, auch zu einem Monat Haft ohne Bewährung verurteilt. Der Angeklagte befand sich zum Tatzeitpunkt auf Bewährung auf freiem Fuß und hatte schon wiederholt gegen Bewährungsauflagen verstoßen, indem er betrunken oder gar nicht zu den Terminen bei seinem Bewährungshelfer erschienen war. Da ließen die Gesetze der Richterin nicht viel Spielraum und sie musste den Mann zu einer Haftstrafe verurteilen, was ich auch durchaus für richtig befand. Dass sich aber Frau von Mengden-Breucker während der Urteilsverkündung bei dem Angeklagten entschuldigte und wiederholt betonte, wie leid es ihr tue, dass sie dieses Urteil fällen müsse, hat mich regelrecht schockiert. Ich habe schon vielen Prozessen als Zuschauer beigewohnt, die sich gegen Stuttgart21-Gegner richteten, habe aber dabei nie erlebt, dass sich Richter für ihr Urteil entschuldigen.
Aber auch in anderen Verfahren zu Stuttgart 21, die ich als Zuschauer verfolgt habe, sind sehr seltsame Urteile gefällt worden. So ist außer Stuttgart kein Fall in Deutschland bekannt, bei dem Demonstranten, die durch Anketten an Bäume, Gebäude oder sonstiges passiv Widerstand leisteten, von Gerichten wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt wurden. Weder bei den Protesten in Whyl, Wackersdorf, Brockdorf oder vergleichbaren Aktionen wurden Urteile wegen dieses Vorwurfs verhängt. Das gibt es nur in Stuttgart! Offen gesagt erinnern mich derartige Gerichtsurteile leider immer wieder an die DDR-Justiz. Auch da war es durchaus üblich, Bürger die nicht die Linie des Staates vertraten zu kriminalisieren, indem man ihnen Straftaten unterstellte. Bei den daraus resultierenden Gerichtsverfahren wurden dann natürlich nur ein oder zwei linientreue Zeugen der Staatsanwaltschaft zugelassen, oftmals aus den Reihen der Staatssicherheit, kurz Stasi, während der Verteidigung die Ladung von Zeugen untersagt wurde. Begründet wurde dieses Verfahren meistens gar nicht oder es hieß lapidar, man könne auf weitere Zeugen verzichten. Wie dann das Urteil ausfiel, können Sie sich sicher denken. Nicht umsonst wurden viele dieser Häftlinge dann vom Westen freigekauft. Oder glauben Sie, die Bundesrepublik Deutschland hätte Millionen dafür ausgegeben, um sich Kriminelle ins Land zu holen.
Nun zurück zum heutigen Verfahren. Auch hier handelt es sich um ein politisches Verfahren. Ein deutlicher Beweis dafür ist, dass die Anklage durch die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vertreten wird und das Strafverfahren gegen mich nicht unwesentlich von unserem allseits bekannten ehemaligen Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler angekurbelt und beeinflusst wurde. Diese Art von Gerichtsverfahren sind sehr simpel gestrickt: "Die Polizisten sind die Guten - die Demonstranten die Bösen". Deshalb werden als Zeugen zumeist auch nur Polizisten gehört. Die Anhörung der Zeugen der Verteidigung wird dagegen in vielen Fällen ganz abgelehnt oder deren Aussage wird als Gefälligkeit gegenüber den Angeklagten abgetan. Dementsprechend fallen dann auch die Urteile aus.
Ich hatte in den letzten drei Wochen genügend Zeit, über den ersten Verhandlungstag nachzudenken. Dabei habe ich auch versucht, mich in die Rolle des POK Dirk Müller zu versetzen, was mir aus allerdings sehr schwer gefallen ist. Leider konnten wir am 08.11. Herrn Müller nicht zu seiner angeblich sehr sensiblen Gemütsverfassung befragen, da sich der Herr Vorsitzende hartnäckig weigert, den Herren von der BFE Böblingen als Zeugen zu laden. Sonst hätte ich ihn zum Beispiel fragen können, warum er, wenn drei Personen zur gleichen Zeit am gleichen Ort diesen Button getragen haben, nur gegen einen der drei Anzeige erstattet. Ich kann ja nicht einmal davon ausgehen, dass ihm zum Beispiel meine Nase nicht gefällt, da er diese ja nicht kennt. Weiterhin würde mich brennend interessieren, warum die anderen Mitglieder seiner Einheit ständig gelacht haben, als sich Herr Müller angeblich in Notwehr verteidigen musste. Das ist übrigens in dem ca. 10 Minuten langen Film deutlich zu sehen, den der Herr Vorsitzende als Beweis zugelassen, aber bereits nach dem Vorspann wieder abgebrochen hat. Im Gegensatz zu den Polizisten finde ich es nicht lächerlich, wenn zum Beispiel Demonstranten neben mir "körperlichem Zwang" durch die Polizei ausgesetzt werden.
Und dann muss ich noch einmal auf das Thema Ku-Klux-Klan zurückkommen: Es gibt allein in Baden-Württemberg ca. 25.000 Polizisten und noch einmal rund 5.000 Angestellte im Dienst der Polizei. Von diesen 30.000 Menschen, denen ich einfach mal mindestens eine durchschnittliche Intelligenz unterstelle, hat angeblich keiner mitbekommen, was "Der Freitag" unter der Überschrift "Unser Mann beim Ku-Klux-Klan" über Dirk Müller schrieb. Auch dazu hätten wir Herrn Müller gern befragt. Ohne diesen Artikel, der Herrn Müller unter seinem von der BILD-Zeitung geprägten Beinamen "Prügelglatze" unterstellt, zeitweilig Mitglied im deutschen Ableger des Ku-Klux-Klan gewesen zu sein, persönlich bewerten zu wollen, ergeben sich für mich folgende Fragen: Wenn der Artikel nicht stimmt, warum hat die Polizei im Allgemeinen und Herr Müller im Einzelnen keine rechtlichen Schritte dagegen unternommen? Wenn eine Zeitung Unwahrheiten über mich verbreiten würde, dann würde ich Anzeige erstatten und eine Gegendarstellung verlangen. Wenn der Artikel allerdings wahr ist, dann ist es ein Armutszeugnis für unseren Rechtsstaat, dass Herr Müller immer noch Polizeibeamter ist und noch dazu Polizeinachwuchs ausbildet. Was soll denn aus den jungen Polizisten bei so einem Vorbild werden? In jedem Fall aber, und jetzt schlüpfe ich wieder in die Rolle des Polizisten, wäre ich maßlos beleidigt und in meiner Ehre verletzt, wenn irgendeine Zeitung so über mich schreibt. Aber weder Herr Müller, noch der übrige Polizeiapparat reagierten auf diese Vorwürfe. Im Übrigen war es ja nicht nur "Der Freitag", sondern ähnlich lautende Artikel verbreiteten auch viele andere Blätter. Ich habe hier in Form von "Focus-Online" und der "Süddeutschen" leider nur zwei weitere Beispiele vorliegen, aber mir ist noch im Bewusstsein, dass zum Beispiel auch die beiden großen Stuttgarter Printmedien über diese Thematik berichteten.
Herr Müller, der laut Zeugin Grieshaber allem Anschein nach doch über ein Fernsehgerät verfügt, fühlt sich durch die Berichterstattung aller Fernsehsender über den 30.09.2010 offenbar nicht beleidigt. Wie kann es sonst sein, dass er akzeptiert, dass zu der Szene, in der er laut Staatsanwaltschaft in Notwehr wild um sich prügelt und aus der das Bild auf dem Button resultiert, Worte fallen wie "extreme Härte der Polizei", "brutales Vorgehen der Polizeikräfte" oder "kriegsähnliche Zustände". Diese Kommentare hatten und haben also eine ähnliche Aussage, wie der Schriftzug auf meinem Button. Aufgrund der Berichterstattung in den Medien dürfte auch Herr Müller mitbekommen haben, dass er mittlerweile einen "gewissen Bekanntheitsgrad" erreicht hat. Dennoch tut er nichts, um seine deutliche Erkennbarkeit zu mindern; das heißt, er verzichtet auch weiterhin auf jegliche Kopfbedeckungen, wie Helm, Basecap oder sonstige Mützen, die andere Polizisten ständig tragen und die ja auch zur Uniform gehören. Ebenso beharrt er weiterhin auf seinem markanten Bartwuchs. Ich kann natürlich nicht beurteilen, ob die Natur bei Herrn Müller noch in der Lage ist, seine Kopfhaut noch mit Haaren zu bedecken, aber schon das Tragen einer Kopfbedeckung und eine Rasur bzw. eine Veränderung seines Bartes würden ihn sicher für die meisten Menschen unkenntlich machen. Aber anscheinend legt Herr Müller darauf keinen Wert - er will offenbar gesehen und erkannt werden! Herrn Müller scheint das alles also ziemlich egal zu sein. Wenn man ihn bei seinen Einsätzen beobachtet, dann erkennt man sehr schnell, dass ihm anscheinend total schnurz ist, was die Leute über ihn denken. Als zum Beispiel bei der Occupy-Demonstration in Frankfurt eine Gruppe aus Marburg auf Herrn Müller traf und ausrief: "Da ist ja die Prügelglatze vom 30.09. in Stuttgart!", tangierte das Herrn Müller nicht im geringsten. Stattdessen zeigt er bei seinen Einsätzen selbst gegenüber den ihm unterstellten Polizisten ein ziemlich ruppiges Verhalten. Anscheinend gehören bei den BFE Fußtritte und Schubsereien zum normalen Umgang miteinander. Warum sich die Polizisten das gefallen lassen, ist mir ein Rätsel.
Übrigens muss Herr Müller auch am 30.09.2010 gesehen haben, dass er während seiner Prügelatacke in Notwehr von mehreren Leuten gefilmt und fotografiert wurde, was ihn aber nicht hinderte, sein verwerfliches Tun fortzusetzen. Wo waren da seine Gefühle und seine Ehre? Wenn man übrigens diesen Film in Einzelbilder zerlegt, dann kann man folgendes erkennen: Die POK Müller unterstellten Polizisten bildeten rechts und links von ihm eine Kette, sodass eine zwei bis drei Meter breite Gasse entstand, in der sich das sogenannte Opfer Müller frei bewegen konnte. In Notwehr stürmte Müller dann nach vorn und schlug, natürlich immer noch in Notwehr, auf die Demonstranten ein. Diese "Ausbildung am lebenden Objekt" fanden seine Polizeischüler dann anscheinend auch äußerst belustigend, wie ihre lachenden Gesichter zeigen. Und wenn Herr Müller wirklich in Gefahr war, warum haben ihn dann seine Kollegen nicht unterstützt? Im Übrigen ist hier leider immer noch nicht ausreichend geklärt worden, ob POK Müller ein friedlicher oder ein gewaltbereiter Typ ist.  Die BFE's setzen sich zum größten Teil aus Freiwilligen zusammen. Wenn man sich zu einer BFE meldet, dann sollte man schon wissen, dass der Job nicht immer ganz friedlich bleibt. BFE's werden ja bekanntlich vor allem bei Großveranstaltungen, wie zum Beispiel Fußballspielen, Großdemos und anderen Anlässen eingesetzt. Da wird dann schon ein gewisses Maß an "Bereitschaft zu körperlichem Einsatz" erwartet. Für mich liegt dann schon der Verdacht nahe, dass sich in die Reihen dieser Einheiten auch ab und zu Leute einbringen, bei denen die Hemmschwelle zur Gewalt etwas niedriger angesetzt ist, zumal sich selbst Polizisten anderer Einheiten hin und wieder kritisch zu den BFE äußern.
Nicht unerheblich finde ich auch, dass dieser total aus dem Ruder gelaufene Polizeieinsatz am 30.09.2010 aus mindestens zwei Gründen überhaupt nicht gerechtfertigt war. Erstens war für diesen Tag die Schlusskundgebung der Schülerdemo im mittleren Schlossgarten angemeldet und genehmigt und zweitens hatte das Eisenbahnbundesamt wegen fehlender Naturschutzunterlagen  jegliche Baumfällungen untersagt. Trotzdem fand dieser wahnsinnige menschenverachtende und unkoordinierte Polizeieinsatz statt und die Bäume wurden gesetzwidrig gefällt.
Eindeutig ein Fall für die Staatsanwaltschaft!

Aber wie sagte Herr Grube einmal so schön und ausnahmsweise ehrlich: "Cash in the Täsch it the name of the game."
Überhaupt gelten in Sachen Stuttgart 21 anscheinend besondere Gesetze, die ich leider noch nicht in Schriftform gefunden habe. Da muss selbst die laut Grundgesetz geltende Pressefreiheit hinter den Interessen der Deutschen Bahn zurückstehen. So urteilte kürzlich dieses Landgericht.
Aber auch die Polizei erfindet schon eigene Gesetze: So wurde mir zum Beispiel am 22.10.2013 das Passieren der Ehmannstraße durch einen uniformierten Polizisten der Stuttgarter Einsatzhundertschaft mit Namen Seitz verboten. Herr Seitz sagte wörtlich:"Stuttgart21-Gegner dürfen hier nicht durch." Neugierig, wie ich nun mal bin, fragte ich natürlich nach dem Grund, zumal zur gleichen Zeit weitere Fußgänger, Radfahrer und Kraftfahrzeuge die Straße passierten. Der nette Herr Seitz erklärte mir dann auch, dass er mich nur zu meiner Sicherheit am Weitergehen hindere, weil im Rosensteinpark Bäume gefällt würden. Da war ich schon froh, zu den Gegnern von Stuttgart 21 zu gehören und diesen gefährlichen Bereich meiden zu dürfen.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber auch betonen, dass ich nicht generell etwas gegen Polizisten habe. Aber wie bei jeder anderen Berufsgruppe gibt es halt auch bei der Polizei gute und sehr gute Mitarbeiter, die ihre Aufgaben gewissenhaft und streng im Rahmen der Gesetze erfüllen und natürlich auch einige, die negativ auffallen. Das Problem mit den Polizisten ist nur, dass ich sie nehmen muss, wie sie kommen. Beim Bäcker ist das einfacher; wenn mir die Brötchen bei dem einen nicht schmecken, dann gehe ich zum Nächsten. Die Polizisten, die ihren Dienst sorgfältig leisten, fallen weniger auf, als die, die ihren Schlagstock tanzen lassen und sich mit Wolken von Pfefferspray umgeben.
Seit mehr als drei Jahren leiste ich ehrenamtlich Dienst an der Mahnwache gegen Stuttgart 21 am Hauptbahnhof, was der Staatsanwaltschaft sicherlich hinlänglich bekannt ist. Da passiert es recht häufig, dass wir von den verschiedensten Leuten, von betrunkenen Jugendlichen bis hin zu wohlsituierten Herrschaften mit Schlips und Kragen angepöbelt und beleidigt, aber auch tätlich angegriffen werden. Sogar Brandanschläge hatten wir schon zu verzeichnen. Wenn es dann nicht bei verbalen Beleidigungen bleibt, rufen wir natürlich auch die Polizei, meistens die Beamten aus der Dienststelle in der Klett-Passage. Und gerade diese Polizisten erschienen bisher immer sehr schnell und lösten die Probleme sehr umsichtig, gewissenhaft und uns gegenüber auch sehr freundlich. Dafür an dieser Stelle noch ein herzliches Dankeschön.
Nun noch ein Wort an die verehrten Schöffen: Durch Ihre Beteiligung als ehrenamtliche Laienrichter in Gerichtsverfahren soll das Vertrauen der Bürger in die Justiz gestärkt werden und eine lebensnahe Rechtsprechung erreicht werden. Die Beteiligung von Schöffen wird somit zu einem wichtigen Element des demokratischen Rechtsstaates, indem sie ein Bindeglied zwischen Staat und Bürger schaffen kann. Dementsprechend erfüllt der Schöffe eine verantwortungsvolle Aufgabe. Ein ehrenamtlicher Richter ist in Deutschland in gleichem Maße sachlich unabhängig wie ein Berufsrichter. Er hat seine Pflichten getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und dem Gesetz zu erfüllen, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen. Auf diese Pflichten leistet er einen Eid. Als ehrenamtlicher Richter übt der Schöffe als Vertreter des Volkes neben dem berufenen Richter das Richteramt in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht aus. Sie sind nur dem Gesetz unterworfen und in ihrem Richteramt an Weisungen nicht gebunden. Unparteilichkeit ist die oberste Pflicht der Schöffen. Unter diesen Voraussetzungen erstaunt es mich, dass Sie sich nicht in die Beweisaufnahme eingebracht haben und zum Beispiel auch Fragen an mich oder die Zeugen gestellt haben. Ist der Fall so klar für Sie? Haben Sie keine Fragen zum Charakter und zu den hier zitierten Gefühlen des Herrn Müller, der ja leider nicht einmal befragt werden konnte. Warum wurde der Zeuge Müller weder in diesem, noch in sonstigen Verfahren als Zeuge vernommen? Was wollen die Gerichte verbergen, wenn sie sich so vehement und fast schon angstvoll weigern, Dirk Müller vorzuladen? Interessiert es Sie nicht, wie zum Beispiel meine Festnahme durch den Zeugen Kirchner und seine Kollegen wirklich verlaufen ist?  Gerade der Zeuge Kirchner hat durch seine widersprüchlichen Aussagen sowohl vor dem Amtsgericht, als auch hier vor dem Landgericht bei mir mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Hatten Sie nicht das Bedürfnis, durch die von Herrn Richter Wagner abgelehnte Befragung der Zeugen Janker und Forer mehr zu erfahren? Auch die vorliegenden, leider auch von Richter Wagner als Beweismittel abgewiesenen Filmaufnahmen hätten mehr Klarheit in das Verfahren bringen können. Ich lege dem Gericht diese Zeugnisse doch nicht aus Jux und Dollerei vor. Wenn mein Rechtsbeistand und ich Beweisanträge stellen, dann haben wir uns dabei auch etwas gedacht. Wie Sie diese Beweise dann deuten, ist selbstverständlich Ihre Sache.
Bisher gab es bis auf wenige Ausnahmen nur Beweise der Staatsanwaltschaft. Im Artikel 3 des Grundgesetzes steht aber:"Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich." Warum werden dann alle Beweisanträge der Verteidigung abgelehnt und das nicht nur bei dem heutigen Verfahren. Schließlich ist das heute schon meine dritte Gerichtsverhandlung bzw. der vierte Termin und alle liefen nach dem gleichen Schema ab. Ich erwarte ja nicht unbedingt, dass Sie mir bedingungslos glauben, aber ich erwarte, dass Sie alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen, um sich ein objektives Urteil zu bilden. Wenn ich in der Rolle eines Schöffen über Schuld oder Unschuld eines Angeklagten entscheiden sollte, dann würde ich möglichst viele Informationen sammeln und bewerten, um dann nicht vorschnell über das weitere Schicksal des Angeklagten entscheiden zu müssen. Auch Sie wollen doch sicher morgen noch mit einem reinen Gewissen und ohne Zweifel an der Richtigkeit Ihres Urteils in den Spiegel schauen können.
Natürlich ist es nichts Besonderes, wenn ich als Angeklagter einen Freispruch fordere. Welcher Angeklagte will das nicht? Aber in meinem Fall gibt es genügend Gründe für diese Forderung: Da wäre zum Ersten das Kunsturhebergesetz, das in § 23 folgendes besagt:
Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
1. Bildnisse aus dem Bereich Zeitgeschichte;
i>3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;
Zu diesem Thema fällte das Bundesverwaltungsgericht Leipzig unter dem Aktenzeichen BVerwG 6 C 12.11 im März 2012 folgendes Urteil: Es wurde entschieden, dass ein von der Polizei gegenüber dem Mitarbeiter einer Zeitung ausgesprochenen Verbot rechtswidrig war, Polizeibeamte des Spezialeinsatzkommandos während des Einsatzes zu fotografieren. ... Der Einsatz von Polizeibeamten, namentlich der Einsatz von Kräften des Spezialeinsatzkommandos stellt im Sinne der einschlägigen Bestimmung des Kunsturhebergesetzes ein zeitgeschichtliches Ereignis dar, von dem Bilder auch ohne Einwilligung der abgelichteten Person veröffentlicht werden dürfen. Ein berechtigtes Interesse der eingesetzten Beamten kann dem entgegenstehen, wenn die Bilder ohne den erforderlichen Schutz gegen eine Enttarnung des Beamten veröffentlicht werden.
Die Gefahr der Enttarnung des POK Müller besteht im hier verhandelten Fall nicht, da Herr Müller erstens keiner geheim operierenden Einheit angehört und sich zweitens lange vor Erscheinen des Buttons selbst bekannt gemacht hat und das immer noch tut.
Übrigens revidierte das Bundesverwaltungsgericht mit dieser Entscheidung ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Ist das Zufall?
Das ist aber nicht der einzige Fall, bei dem Urteile  von höheren Instanzen gekippt wurden. Ein Fall, den man mit meinem vergleichen kann, datiert aus dem Jahr 1995. Damals hatte ein Mann einen Aufkleber an seinem Auto, auf dem stand:"Alle Soldaten sind Mörder". Nun war ich, wie Sie wissen, selbst einmal Soldat und würde mich eigentlich durch diese Äußerung auch beleidigt fühlen. Schließlich war ich nicht aus freien Stücken Soldat und hatte bestimmt auch niemals die Absicht, auf Menschen zu schießen. Jedenfalls befanden sowohl das Landgericht Münster, als auch das Oberlandesgericht Hamm den Mann der Beleidigung für schuldig. Letztendlich hob das Bundesverfassungsgericht unter dem Aktenzeichen 1 BvR 870/93, bzw. 1 BvR 906/93 diese Urteile auf und verwies die Sache zurück an das Oberlandesgericht Hamm. Begründet wurde diese Entscheidung mit Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.
Weiterhin heißt es in der Urteilsbegründung: Strafgerichtliche Verurteilung wegen herabsetzender Äußerungen ... greift in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit ein.
Weiterhin:Handelt es sich bei der umstrittenen Äußerung ... um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, so spricht - unabhängig davon, ob eine Kritik berechtigt oder das Werturteil richtig ist - eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede. Übrigens stammt der Ausspruch "Soldaten sind Mörder" von Kurt Tucholsky und mir ist nicht bekannt, dass Tucholsky dafür von einem Gericht bestraft worden wäre. Handelt es sich bei der umstrittenen Äußerung um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, so spricht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede.
Urteile, die den Sinn der umstrittenen Äußerung erkennbar verfehlen und darauf ihre rechtliche Würdigung stützen, verstoßen gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit.
Auch auf der Deutungsebene haben Strafgerichte verfassungsrechtliche Anforderungen zu beachten.
Weiterhin berufe ich mich auf § 17 StGB Verbotsirrtum. Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Absatz 1 gemildert werden. In meinem Fall heißt das, dass ich den Irrtum hätte vermeiden können, wenn ich die Stuttgarter Zeitung gelesen hätte, die als einzige irgendwo auf den Innenseiten über das Verbot dieses Buttons berichtete. Da aber hier in Stuttgart mehr als 40 Tageszeitungen angeboten werden, kann das hohe Gericht doch nicht ernsthaft behaupten, dass es meine Pflicht gewesen wäre, ausgerechnet dieses eine Blatt zu lesen. Für ein Abo der Stuttgarter Zeitung fehlt mir übrigens das Geld - Sie wissen ja, was ich verdiene. Also kaufen wir ab und zu mal eine Tageszeitung, wenn wir besonders interessante Beiträge erwarten. Dann aber muss es auch nicht unbedingt die Stuttgarter Zeitung sein. Wie ich schon erwähnte, werden ja in Stuttgart über 40 Tageszeitungen angeboten und wenn Sie bedenken, dass wir nur eine oder 2 Zeitungen pro Woche kaufen, dann standen die Chancen, zu diesem Zeitpunkt die richtige Zeitung zu kaufen vielleicht bei 1:200. Also kann man schon davon ausgehen, dass ich von dem Verbot des Buttons erst bei meiner Festnahme am 05.10. 2011 erfuhr, wie ich es auch ausgesagt habe und wie es sogar der Zeuge Kirchner richtig erkannt hat. Außerdem hat es der Herr Staatsanwalt noch immer nicht geschafft, das Original des Verwaltungsakts zum Verbot dieses Buttons vorzulegen. Die Vorlage dieses Verwaltungsaktes wäre aber zum Ersten eine Rechtsgrundlage für das Gericht und zum Zweiten aber und viel wichtiger, die Frage, ob solch ein Erlass, der einen Straftatbestand beschreibt, selbst überhaupt eine Rechtsgrundlage hat. Dieser Erlass ist hier eigentlich das Thema bei Gericht und nicht das Tragen dieses Buttons. Wenn ich hier schon erwartungsgemäß verurteilt werde - wir sind ja schließlich in Stuttgart - dann aber bitteschön nicht auf der Grundlage eines Zeitungsartikels. Wir sind hier beim Landgericht und da lege ich schon Wert darauf, dass sich das Gericht an Fakten und Gesetze hält und nicht auf Zeitungsartikel beruft.
Allerdings muss man sich ja auch nicht unbedingt an allem orientieren, was der politischen Abteilung des Herrn Häussler entspringt. Nicht umsonst hat sich neben einer Abordnung Stuttgarter Bürger selbst Bundespräsident Gauck bei den Bewohnern von Sant' Anna di Stazzema für das schändliche Versagen des Herrn Häußler bei der Verfolgung der Verantwortlichen für das Massaker vom Sommer 1944 entschuldigt. Und die Hausdurchsuchung bei Richter a. D. Dieter Reicherter, noch dazu in dessen Abwesenheit, dürfte in der deutschen Justiz auch einmalig sein.  Diese Hausdurchsuchung war ein klarer Verstoß gegen Artikel 13 Grundgesetz. Herr Reicherter war ein Zeuge, was die Staatsanwaltschaft sehr genau wusste und Gefahr war nicht im Verzug! Welcher Staatsanwalt aber erhebt deswegen eine Anklage gegen seinen Ex-Chef? Herr Häußler hat damit dem Ruf der Stuttgarter Staatsanwaltschaft einen großen Schaden zugefügt und es wäre nur logisch, wenn man sich nicht mehr auf die bekanntermaßen sehr einseitigen Ansichten des Herrn Häussler beruft.
Ganz so politikfern, wie immer behauptet wird, geht es in der Stuttgarter Justiz allerdings sowieso nicht zu: Die Besetzung von Schlüsselpositionen wurde jahrelang von einem CDU-Spitzenbeamten im Ministerium gesteuert; für die meisten bewarb sich nur der vorher ausgeguckte Aspirant. Und die Bekundung von CDU-Größen, der Staatsgerichtshof hätte den EnBW-Deal im Falle ihres Weiterregierens milder beurteilt, lässt ebenfalls tief  blicken. Das Recht ist eben nicht die exakte Wissenschaft, als die es die Juristen gerne darstellen, sondern bietet Auslegungs- und Ermessensspielräume, die man so oder so nutzen kann. Nun, da der Posten Häußlers und auch der des Stuttgarter Generalstaatsanwalts neu besetzt sind, kann die Justiz verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Wenn sich die Staatsanwaltschaft überzeugend um Objektivität bemüht, wenn auch die Kontrolle durch übergeordnete Organe sensibler erfolgt, dann bleibt die Aufregung um einen einzelnen Ermittler hoffentlich ein Einzelfall. (Stuttgarter Zeitung, 08.07.2013 A. Müller)
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, verehrte Schöffen, da ich ein aufrechter und ehrlicher Mensch bin, habe ich in meinem Schlusswort auch kritische Worte zu den Gerichten und der Rechtsprechung speziell hier in Stuttgart gefunden.  Das war vielleicht taktisch nicht klug, aber es war ehrlich - und Ehrlichkeit sollte an jedem Gericht oberstes Gebot sein. Selbst unser Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte kürzlich in einem Interview: "Wer die Wahrheit ausspricht, begeht kein Verbrechen!" (TAZ 16.11.2013)
Trotzdem oder gerade deshalb hoffe ich auf ein gerechtes Urteil, das sowohl mit dem Gesetz in Einklang zu bringen ist, das aber auch zeigt, dass hier Menschen menschlich urteilen. Ich erkläre nochmals meine Unschuld und fordere Freispruch. Und egal, wie Sie auch entscheiden - Mein Geld können Sie mir nehmen, meinen Stolz und meine Würde nicht!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Peter Müller)

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4 Antworten zu Prozessbericht und Urteil im Berufungsverfahren „Müller gegen Müller“ vor dem Landgericht Stuttgart, am Freitag, 29.11.2013

  1. Thomas A sagt:

    Danke für dieses wirklich besondere und auch besonders gelungene Plädoyer.
    Zum Verhalten des Polizisten Müller auf dem Video das ich gesehen habe ist folgendes zu sagen. Ein Anwalt klärte mich sinngemäß dahin auf, daß ich nach einer Angriffshandlung, mir gegenüber nur sehr kurze Zeit (wenige Sekunden) eine Art Handlungsbonus habe, wo ich nicht ganz genau darauf achten muß nicht überzureagieren. Auch die Bedrohungsintensität muß ich glaubhaft machen können. Ansonsten wird wegen übertriebener oder exzessiver Notwehr auch nach einem erfolgten Angriff auf mich ein Strafverfahren eröffnet. Einen Dieb darf ich umklammern und an den Extremitäten festhalten. Ich darf ihn nicht einfach schlagen, obwohl diese Einschränkungen durchaus Gefahr für mich beinhalten.
    Das wird von mir verlangt ohne Kampfausbildung, ohne Ausbildung in Konfliktbewältigung und ohne Eid auf eine Verfassung, wo ziemlich früh die Stelle kommt die sich auf körperliche Unversehrtheit bezieht. Was wird von einem Polizisten verlangt ? Was von einem, dessen besonderer Schwerpunkt auch der körperliche Zugriff ist, demzufolge es auch nicht die fehlende Praxis zur Ausbildung mangelt ?
    Notwehrsituation hat sich nach den öffentlichen Videos für den Polizisten höchstens als Kopfkino abgespielt, und ist niergendwo irgendetwas rechtfertigend zu erkennen. Vor allem ist aber eine sehr lange Zeitspanne ohne Bedrohnug oder Attacke bewiesen.

  2. Peter Illert sagt:

    Ich habe mir am Amtsgericht auch einige Prozesse angeschaut, die nichts mit “ S 21″ zu tun hatten, nicht nur aus Interesse am Fall, sondern auch um vergleichen zu können, ob es Unterschiede in der Behandlung gibt. Besonders, nachdem es 2011 eine Presseerklärung gab, in der behauptet wurde, S 21 -Gegner verzögerten die übrigen Verfahren. Von der Mitverantwortlichkeit der Staatsanwaltschaft stand da nichts.
    Mein Eindruck war aber, dass es nicht an politischen Hintergründen festzumachen war, ob es ein faires und offenes Verfahren gab. Das ging quer durch, hing eher an der Person von Richter/in und Angeklagten. Und an den Vorgaben der Staatsanwaltschaft – aber das betraf „Nicht-S 21-Prozesse“ auch.
    Dabei habe ich auch erlebt, dass Richterin v.Mengden-Breucker ihr Bedauern geäussert hat, wenn sie Angeklagte aufgrund von einschlägigen Vorstrafen in Relation zum eigentlichen Tatbestand hart bestraft hat. Das finde ich nicht schockierend, sondern , wenn es auch wirklich so gemeint ist, menschlich in Ordnung. Die abschreckenden Strafen nicht unbedingt, weil sie oft nichts besser machen. Diesem Dilemma sind sich auch die Gerichte bewusst. Die Angeklagten tauchen immer wieder auf, gerade wenn Sucht im Spiel ist. Aber die Gesellschaft will diese Strafen und diese Art der Problemlösung ja offensichtlich so.

    • Obenbleiber sagt:

      Fakt ist, dass die Justiz ein willfähiges Organ der Mafia ist, dies jedoch geschickt tarnt. In diese Falle ist offenbar auch Peter Illert getappt. Fakt ist auch, dass die S21-Gegner härter und verbissener verfolgt werden, als alle anderen, darum kümmert sich schon die Mafia und die durch und durch korrupte Justiz.

      Die Bahn-Mafia hat die Justiz völlig in Griff und möglicherweise fließen dort Millionen schwarz in schwarze Kassen und möglicherweise auch Richtertaschen!

  3. K. Neumann sagt:

    „Eine negative Aussage über den Charakter eines anderen Menschen wertet die Justiz als Beleidigung.“ Genau, es gilt allein der Straftatbestand. Und da unsere Richter unabhängig sind, trifft auf diese keiner zu, zum Beispiel für diesen von Herrn Geissler angesprochenen Vorgang, der zwar ein anderes Thema im Zusammenhang mit diesem unsäglichen Projekt beharkt, aber genau in die hier im Prozessbericht – danke auch liebe Beate, alles prima dargestellt, wie der Rechtsstaat von jenen von innen heraus durch Parteilichkeit ausgehöhlt wird, die ihn in seiner Substanz durch einen vorbildhaften Charakter schützen sollten!!- dargestellte Unabhängigkeit der Herren des Verfahrens fällt, die damit diesen jede gewünschte Richtung und jedes gewünschte Urteil ermöglicht: „
    Mit der Aussage „Wenn das die Leute wüssten, würden sie sich schon sehr wundern“, reagierte der 80-Jährige darauf, dass die Richter damals offenbar keine neutralen Gutachter verpflichtet hatten, sondern sich bei ihrer Entscheidungsfindung auf den Sachverstand jener drei Experten stützten, die von der Bahn bestellt worden waren: Wulf Schwanhäußer, Mitglied im Konzernbeirat der Bahn, Gerhard Heimerl vom verkehrswissenschaftlichen Institut der Uni Stuttgart, der vor Gericht seine eigenen Pläne begutachtet hatte sowie sein Nachfolger Ullrich Martin, der mittels Simulation dem Tiefbahnhof eine größere Leistungsfähigkeit gegenüber K 21 attestierte…..“ l. c. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.gutachten-zu-stuttgart-21-wenn-das-die-leute-wuessten.a45ff993-3f92-4395-81eb-6bfa0f2668aa.html

    Bei so einem Vorwurf hat sich das von Herrn Geissler so kritisierte Gericht nicht lumpen lassen und gleich zurückgetreten, indem es Herrn Geissler daran erinnert hat, dass der Richter in der Berufung seiner Gutachter unabhängig sei, sic!

    An diesem Projekt offenbart sich die Erbärmlichkeit des deutschen Rechtsstaates repräsentiert durch die charakterliche Unreife seiner Macher.

    Das Volk, in dessen Namen sie den Betrug am Steuerzahler rechtlich legitimieren, das bleibt draussen vor.

    Daher bin ich für eine Reform des Strafrechtes dahingehend, dass für Richter das gelten muss, über das sie selbst zu befinden haben, wenn mit offensichtlichem Vorsatz ein unrechtmässiger Vorteil erwirkt werden soll: „ StGB § 263 Betrug (1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
    (2) Der Versuch ist strafbar….“

    Sprachlich kann man das noch richter- oder urteilsspezifisch fassen, aber an der grossen und notwendigen Linie wäre nichts zu deuteln.

    Richter mit einem solchen Vergehen sollten sich nicht mehr sicher fühlen dürfen und einer Art Scherbengericht des Volkes stellen müssen, wenn es das Volk durch VE fordert. Aber da werden wir wie bei der Haftung von Beamten allgemein auf den St. Nimmerleinstag warten müssen. Der Gesetzgeber kastriert sich nicht selber, obgleich er sich auf den Dummen, wie ihn Bonhoeffer beschrieben hat, absolut verlassen könnte. Daher geht alles so weiter wie gehabt.

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