Rede von Rechtsanwalt Dr. Eisenhart von Loeper, Sprecher des Aktionsbündnisses K21, auf der 262. Montagsdemo am 2.3.2015
Liebe Anwesende, Freundinnen und Freunde,
im Ringen um Stuttgart 21 hat das Vertrauen in den Rechtsstaat am Schwarzen Donnerstag und insgesamt schmerzhaft schwer gelitten. Zum Markenzeichen des effektiven Rechtsstaats gehört es, die Kernfragen eines Projekts vor der Bauausführung zu klären. Nein, eben nicht mit der Salamitaktik Fakten schaffen, wie es die Bahn betreibt, um die Klärung zu unterlassen oder Bürger und Betroffene in ihren Beteiligungsrechten zu überrumpeln.
Hier ist etwas gemeingefährlich schief gelaufen, dass fünf Jahre nach einem kläglichen Baubeginn so zentrale Fragen bis heute ungeklärt sind wie der funktionsfähige Brandschutz zur Rettung von Tausenden Menschen, die regelwidrig gefährliche Gleisneigung und der unsinnige Rückbau der Verkehrsleistung des Bahnhofs oder der Kauf des Gleisvorfeldes für den Städtebau in Stuttgart, obwohl die Bahnanlagen nie dafür freigegeben wurden. Ungelöste Konflikte holen uns ein, speziell bei ungenehmigten Teilabschnitten. Das hat der Widerstand mit größtem Sachverstand bei der Anhörung auf den Fildern klargemacht und das beweist sich erneut mit dem Gutachten der TU-Dresden. Erst hat die Bahn als S 21-Betreiber mit falschen Zahlen getrickst und getäuscht und jetzt bestätigt auch das jüngste Gutachten den planerischen Murks der Bahn. Darum: Wer den Frieden und die Fairness in dieser Stadt will, muss endlich aufhören damit, die schweren Mängel speziell der fehlenden Sicherheit und Leistungsfähigkeit von S 21 auszugrenzen. Wir brauchen echte Prozesse, die im Wortsinn „vorangehen“. Drei aktuelle Prozesse will ich ansprechen:
(1)Die Stuttgarter Netz AG klagt gegen das EBA, um es auf Durchführung eines Stilllegungsverfahrens für den Kopfbahnhof zu zwingen und dadurch den Bahnbetrieb übernehmen zu können. Das VG Stuttgart will nun Ende des Monats erst einmal über Vorfragen der Zulässigkeit der Klage verhandeln - so ist ja auch unklar, ob der unterirdische Bahnhof jemals in Betrieb genommen wird. Geht es mit rechten Dingen zu, wird die Bebauung des Gleisareals an der Übernahme der Bahnanlagen durch Wettbewerber der DB AG scheitern, aber auch daran, dass die acht Gleise weder den heutigen noch den langfristig benötigten Verkehrsbedarf befriedigen können.
(2)Zum Prozess um verfassungswidrige Mischfinanzierung: Dank Eurer zum zweiten Bürgerbegehren gesammelten 35000 Unterschriften und enormer juristischer Zuarbeit findet nun nächsten Monat die Berufungsverhandlung vor dem VGH Mannheim statt. Der Verlauf ist ungewiss, sicher ist aber, dass wir bestens durch unseren Berliner Rechtsanwalt und ehemaligen OVG- Richter Kluge vertreten sein werden. Wir wären bereits beim BVerwG, wenn die Stadt und ihr OB der Sprungrevision zugestimmt hätten. Sicher ist auch: Erringen wir in dieser oder in letzter Instanz den Erfolg, bricht die Finanzierung um mehr als ein Drittel weg und S 21 bricht zusammen.
(3)Zur Strafanzeige gegen Bahnmanager und Klage gegen BKA: Als Stuttgart 21 vor zwei Jahren vor dem "Aus" stand, weil plötzlich 2,3 Milliarden Euro Mehrkosten den Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro gewaltig sprengten, wollten die Kanzlerin und ihre Koalition aus Sorge um die damals bevorstehende Bundestagswahl eine Ausstiegsdebatte um Stuttgart 21 unbedingt vermeiden. Das war aber unvereinbar damit, dass die Aufsichtsräte allein nach dem Unternehmenswohl entscheiden mussten. Weil Merkel, Pofalla und Co dennoch per Machtwort einwirkten, dass Stuttgart 21 gebaut werden muss, haben wir Strafanzeige vor allem wegen Untreue gegen Grube, Kefer und die Aufsichtsräte erstattet. Der Berliner Justizsenator Heilmann hat jetzt entgegen dem Gutachten von Professor Herzog die Faktenlage schlicht übergangen und die Strafverfolgung vereitelt. Ihn und die Staatsanwälte anzuzeigen brächte nichts, weil darüber gleichfalls die ihrem Justizsenator unterstellten Staatsanwälte zu entscheiden hätten.
Aber, Freundinnen und Freunde, es gibt andere Wege, ich habe für diese Bewegung Klage gegen das Bundeskanzleramt vor dem VG Berlin einge- reicht, damit die Wahrheit über den rechtswidrigen Weiterbau- Beschluss zu Stuttgart 21 ans Licht kommt. Da gibt es zwei gute Botschaften:
a) Zum Einen hat das Bundeskanzleramt für die kritische Zeitspanne vor dem Weiterbau-Beschluss des Bahn- Aufsichtsrats fünf interne Vermerke an die Kanzlerin und an Ronald Pofalla übersandt, die jeweils dokumentieren, dass Merkel sich zu S 21 bekannt habe und dass nun wegen der Milliarden Euro Mehrkosten die verstärkte Debatte um den Ausstieg aus dem Projekt drohe. Damit sind wir genau auf jener Spur, die zum Machtmissbrauch des Kanzleramts hinführt.
b) Die zweite gute Botschaft ist, das Verwaltungsgericht Berlin wird die ausgeprägten Schwärzungen der Vermerke anhand meiner umfangreichen Klage prüfen. Zum Greifen nahe ist es damit, das geschwärzte Innenleben des Kanzleramts zu den kritischen Vorgängen aufzudecken. Warum? Ich nenne vier Gründe:
(1)Das Kanzleramt verteidigt seine Schwärzungen mit der Vertraulichkeit der internen Beratungen, die jahrzehntelang für Großvorhaben nicht preisgegeben werden dürften. Aber so würde das gesetzlich verbürgte Recht auf Teilhabe an der politischen Meinungsbildung zur Farce entwertet. Das Bundesverfassungsgericht stellt klar: Die parlamentarische Kontrolle der Regierung wird ergänzt durch eine Kontrolle durch die öffentliche Meinung, die auf fundierte Informationen angewiesen ist.
Genau deshalb fordern wir die fundierten Informationen zur Klärung der Rechtsverstöße des Kanzleramts ein.
(2)Die Bundesregierung hat sich Fragen der Fraktion DIE LINKE zu ihrer Einflussnahme auf die Aufsichtsräte beim Weiterbau-Beschluss zu S 21 entzogen, indem sie betonte, die Aufsichtsräte hätten persönliche Mandate und sie wolle deren Entscheidung nicht bewerten. Nur warum hat sie dann vor der Entscheidung des Aufsichtsrats massiv das Machtwort gesprochen „Stuttgart 21 wird gebaut“? Genau damit hat sie widersprüchlich rechtswidrig ihre Macht missbraucht.
(3)Das Kanzleramt verweigert die vollen Informationen, das betreffe den geschützten Kernbereich der Entscheidung der Exekutive. Sie tut damit so, als wäre sie der Aufsichtsrat der Bahn. Sie verleugnet damit ihre amtliche Erklärung, bei S 21 handle es sich um ein „eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn AG“.
(4)Schließlich anerkennt die Rechtsprechung beachtlich liberal, dass das Recht auf Informationszugang gleich wie bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen umso mehr zum Zuge kommen muss, wenn es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße geht. Genau das trifft unseren Fall.
Liebe Freundinnen und Freunde, lasst uns weiter klar in der Sache vorangehen - auch im Prozess - und dem Licht der Wahrheit Raum geben. Ich danke Euch und Eurem Einsatz. Oben Bleiben.