Rede von Dr. Carola Eckstein bei der 265. Montagsdemo

Rede von Dr. Carola Eckstein, Parkschützer, auf der 265. Montagsdemo am 23.3.2015
Dr. Carola Eckstein ©weiberg
Ausbauschritt 2025 – wie die SBB den Schweizer Bahnverkehr plant

Wir haben in der Rede von Monika Lege einmal mehr gehört, wie unsinnig die Deutsche Bahn AG mit Geld umgeht: viele Millionen staatlicher Gelder werden nicht in nützliche Infrastruktur investiert, sondern unser Steuergeld wird sinnlos verbaut. Montag für Montag stehen wir hier und demonstrieren gegen diese verfehlte Infrastruktur-und Bahnpolitik, weil wir wissen, dass es auch anders geht. Und einmal mehr machen es unsere Nachbarn uns vor: Die Schweizer z.B. planen seit einigen Jahren den Fahrplan für das Jahr 2025. Schauen wir uns also einmal an, wie Infrastrukturplanung in der Schweiz läuft und auf welcher Grundlage dort über Investitionen entscheiden wird.

Den wichtigsten Punkt habe ich schon genannt, vermutlich ist es kaum jemandem aufgefallen: Geplant wird der Fahrplan 2025, nicht irgendwelche Bauprojekte. Die Bauprojekte ergeben sich dann hie und da als Erfordernisse des Fahrplans und nicht als Selbstzweck – das Ziel ist es schließlich, Züge zu fahren, Menschen und Güter zu befördern, nicht Beton in der Landschaft zu verteilen.

Die Basis des gesamten öffentlichen Verkehrs in der Schweiz, also für Züge, Busse und Seilbahnen ist der integrale Taktfahrplan. 14 Städte dienen als Knoten, zwischen den Knoten betragen die Fahrzeiten knapp 30 oder knapp 60 Minuten, sodass sich alle Züge immer zur vollen und zur halben Stunde in den Knoten treffen. Kurze Umsteigezeiten und eine perfekte Verknüpfung aller Regionen miteinander sind die Folge – minimiert wird nicht die Zeit, die man im Zug verbringt, sondern die Zeit, die man braucht, um von A nach B zu kommen. Der Integrale Taktfahrplan wurde in der Schweiz im Rahmen des Bahn2000-Projekts bereits vor 15 Jahren eingeführt. In Deutschland steht der Deutsch-land-Takt in allen Koalitionsverträgen, auch im grün-roten Koalitionsvertrag in Baden-Württemberg. Doch offensichtlich verfolgt weder die Kanzlerin noch unsere Landesregierung dieses Ziel.

In der Schweiz wird derweil am 'Ausbauschritt 2025' gearbeitet, der 'Ausbauschritt 2030' ist in Planung, alles im Rahmen des Projekts 'Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur', kurz ZEB, das von der SBB so beschrieben wird: „Das Großprojekt ZEB umfasst mehr als 100 Projekte in der ganzen Schweiz. Ziel von ZEB ist es, die Schienenkapazitäten für den Güter-und den Personenfernverkehr bis 2025 auszubauen und die Zahl der Bahnhöfe mit Umsteigemöglichkeiten zur vollen und halben Stunde zu erhöhen.“ Am Anfang der Planung steht der Bedarf: Es wird prognostiziert, wieviele Personen und wieviel Güter zukünftig transportiert werden müssen und daraus ergibt sich, wieviele Züge pro Stunde auf den verschiedenen Strecken verkehren müssen, also ein Fahrplan. In diesem im Internet einsehbaren Planungsdokument kann man dann beispielsweise nachlesen, dass die knapp 120 km von Bern nach Zürich in der Hauptverkehrszeit zukünftig im Viertelstunden-Takt bedient werden sollen. Um dies zu ermöglichen, besagt der nächste Schritt der Planung, dass zwischen Olten und Aarau weitere 6 km der Strecke viergleisig ausgebaut werden müssen, was wiederum den gut drei km langen Eppenbergtunnel nötig macht. Also: 6 km Streckenausbau + 3 km Tunnel, um den Vietelstunden-Takt zwischen Bern und Zürich zu ermöglichen. Ein ausgedrucktes Exemplar dieser Schweizer Planung gibt es an der Mahnwache und hier am Parkschützer-Stand.

Aber längst nicht nur für Hauptstrecken wie die zwischen Bern und Zürich sind Kapazitätssteigerungen und Ausbau geplant: In Giubiasco im Tessin wird eine neue Weichenverbindung nötig, damit die zusätzlichen Verbindungen fahrbar sind. Um Züge in den Hauptverkehrszeiten verlängern zu können, wird ebenfalls im Tessin zwischen Lugano und Melide ein Wendegleis nebst Abstellgleis benötigt und bei Mendrisio ist in der Planung zu lesen: 'Verlängerung und Anpassung Bahnsteig Gleis 1, inkl. Einfahrt mit 60 km/h.' Auch offene Punkte werden in der Planung aufgeführt; so z.B. zur Strecke Thun-Brig in der Zentralschweiz: 'Betriebskonzept Lötschbergachse noch offen. Das Betriebskonzept hat einen Einfluss auf die Qualität und Mengengerüst der Trassen.'; in Bern-Weyermannshaus gibt es noch Probleme:' Die Erreichbarkeit für den Güterverkehr ist nicht in jedem Fall sichergestellt.' und auf der Stecke Zolikofen-Gümlingen ungeklärte Fragen: 'Umsetzung des Betriebskonzeptes mit 4 G-Trassen pro Richtung und Stunde ins Aaretal erfordert eine vertiefte Betrachtung unter Berücksichtigung der Topologie in Gümlingen. Für die Festlegung der erforderlichen Infrastruktur (Spurwechsel zur Vergrößerung der Federwege) ist eine Simulation erforderlich.'

Es geht also um Kapazitätssteigerungen, mehr Züge und mehr Fahrgäste in der Hauptverkehrszeit. Im Bundesbeschluss über den Ausbauschritt 2025 liest sich das wie folgt. Ausbauschritt 2025 umfasst folgende Maßnahmen: Lausanne–Genf: Kapazitätsausbau; Zürich–Chur: Kapazitätsausbau; St. Gallen-Chur: Kapazitätsausbau; Bellinzona–Tenero: Kapazitätsausbau; Lugano: Kapazitätsausbau; Basel Ost: Kapazitätsausbau und Entflechtung; Lausanne-Bern: Beschleunigungsmaßnahmen; Bern–Luzern: Leistungssteigerung; Knoten Genf: Kapazitätsausbau; Knoten Bern: Kapazitätsausbau; usw. Insgesamt 26 Streckenabschnitte werden aufgeführt, an denen es zu Verbesserungen kommen soll, immer im Blick der schrittweise Ausbau des integralen Taktfahrplans, d.h. mehr Züge pro Stunde und mehr Taktknoten mit guten Umsteige-Anschlüssen.

Die Zukunftsplanung der Schweizer Bahn betrachtet aber nicht nur Züge und Gleise sondern auch Personenströme – denn wenn mehr Züge fahren und mehr Leute mit diesen Zügen fahren, so müssen auch mehr Personen ein-, aus-und umsteigen. So wird z.B. seit Jahren kontinuierlich daran gearbeitet, im Bahnhof Bern mehr Platz für Fahrgäste zu schaffen. Hier rechnet niemand mit halb leeren Zügen, wie die DB AG in ihren Entfluchtungsszenarien, in Bern wird geplant, wie man die Kapazität erhöhen kann, wenn die Auslastung am Anschlag ist.

In Deutschland das Kontrastprogramm: Reihenweise teure Neubaustrecken, auf denen kaum Züge fahren; Wie der Stresstest zeigt, treibt das Milliardengrab S21 die Sinnlosigkeit auf die Spitze: Wenn in diesem unterirdischen Bahnhof überhaupt ab und zu Züge fahren sollen, müsste man den Fahrplan von ganz Süddeutschland genau so verbiegen, dass es eben für den Stuttgarter Tunnelwahnsinn irgendwie halbwegs passt. Direkte Anschlüsse – integraler Taktfahrplan gar – sind mit nur 8 Gleisen sowieso nicht möglich; ob die in der neuen 'Kundenoffensive' der Bahn jüngst versprochenen zusätzlichen Züge für die Region Stuttgart durch das Nadelöhr Stuttgart 21 passen können, ist zumindest sehr fraglich.

Übrigens: Auch in der Schweiz war das nicht immer so – die Fahrplan-orientierte Infrastrukturplanung begann mit dem Großprojekt 'Bahn2000' und der Einführung des integralen Taktverkehrs – nachdem die Hochgeschwindigkeitsstrecke 'Neue Haupttransversale' am langjährigen, erbitterten Widerstand der Schweizer Bevölkerung gescheitert war. Die 'Neue Haupttransversale' sollte 120km Neubaustrecke für den Hochgeschwindigkeitsverkehr schaffen – das erklärte Ziel von 'Bahn2000' war „nicht so schnell wie möglich, sondern so schnell wie nötig“. Dafür wurden alles in allem auch knapp 120 Bahn-km neu gebaut; allerdings nicht am Stück, sondern im ganzen Land verteilt, oft nur ein oder zwei km, immer dort wo es der Fahrplan erfordert.

Wir müssen vermutlich noch eine Weile demonstrieren, bis unsere Verkehrsminister verstehen, dass wir uns als Fahrgäste der Bahn nicht danach richten wollen, wo irgendwer es opportun fand, einen Tunnel zu graben. Steuergelder müssen für Strecken und Tunnel eingesetzt werden, die dem Fahrplan, also den Fahrgästen nutzen. Oben bleiben!

PS: Weitere Infos zur Schweizer Bundesbahn gibt es online HIER.

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