Steffen Siegel auf der 427. Montagsdemo

Rede von Steffen Siegel, Schutzgemeinschaft Filder, auf der 427. Montagsdemo am 6.8.2018

Seid gegrüßt, liebe Freunde,

(müssten wir bei dieser Hitze nicht jedem Polizisten dankbar sein, der uns beschattet? Aber nicht mal darauf ist mehr Verlass)

Im Ernst: Unser missratenes Menschengeschlecht ist gerade dabei, unseren einzigartigen Planeten und damit sich selbst zugrunde zu richten. Nicht nur, dass unser aller Plastikscheiß das Leben bis in antarktische Gewässer ruiniert und ein Herr Trump immer noch den Klimawandel abstreitet, nein, auch bei uns wird geplant und gebaut und zerstört, als sollten wir wenigstens bei der Erderwärmung Weltmeister werden.

Sei es beim Berliner Flughafen BER (Fliegen ist die klimaschädlichste Art der Fortbewegung), wo man bereits – lange bevor er, wenn überhaupt, jemals fertig gestellt sein wird – eine gigantische Erweiterung plant, und wo die Kosten in die Höhe schießen, inzwischen bis zu 6 Milliarden Euro, oder sei es bei uns hier in Stuttgart, wo man sich dies nicht bieten lassen wollte und flugs die zu erwartenden Kosten bei S21 diesmal „ganz ehrlich gerechnet“, auf 8,2 Milliarden nach oben trieb. Stuttgart 21 ist nicht nur wegen der Kosten weit wahnsinniger als BER, nein, wir hier haben doch einen der besten Bahnhöfe, zerstören diesen mutwillig und bauen an seiner Statt einen viel schlechteren, und lange bevor unser Schwachsinn hier überhaupt gebaut ist, wird es heiß und heißer.

Auch wir auf den Fildern kurbeln kräftig an der Klimaschraube: Beste Ackerböden werden zubetoniert, der Flughafen baut eine Airport City, und tut alles, um den Flugverkehr zu puschen, Filderstadt träumt von einem Silicon Valley, die Gemeinden wachsen krebsartig usw. Sind die denn alle irre? Und dann noch Stuttgart 21!

Der Filderabschnitt 1.3 ist bis heute weder seriös geplant noch gerechnet. Es gab zu diesem Abschnitt ein Planfeststellungsverfahren, das fiel aber mit Pauken und Trompeten durch. Also trickste man und teilte ihn in zwei Abschnitte a und b auf. Abschnitt a wurde im Handstreich, ohne Öffentlichkeitsbeteiligung, im Juli 2016 planfestgestellt. Dagegen klagen wir, mit Hilfe großartiger Fachleute insbesondere von den Ingenieuren und vor allem mit euren großherzigen Spenden. Damit lässt es sich einfach unbeschwerter klagen. Danke!

Dann geschah wieder 2 Jahre nichts, die Bahn behauptet, dass für die dann folgenden endlosen Verzögerungen die Eidechsen und unsere Klage Schuld seien. Wie jämmerlich muss es um deren Selbstachtung bestellt sein, wenn sich die Täter durch Eidechsen und uns friedfertige Umweltschützer zu Opfern hochstilisieren müssen? Ihr Versagen liegt doch z.B. viel eher daran, dass der Brandschutz im Tiefbahnhof unter der Messe und am Terminalbahnhof (drittes Gleis) auch nicht ansatzweise funktioniert, und dass da oben nicht einmal ein vernünftiger Bahnbetrieb möglich sein wird und vieles mehr.

Als wir über unseren Rechtsanwalt vor knapp einem Jahr Einsicht in die Betriebssimulation forderten, auf die sich die Bahn immer bezog, wurde uns mitgeteilt, diese sei noch nicht fertig, und das Eisenbahnbundesamt (EBA) hatte sogar die Stirn, in einem Brief an den Verwaltungsgerichtshof (VGH) zu sagen: „Es ist zweifelhaft, ob die Klägerin (also wir) berechtigt ist, eine Betriebssimulation zu fordern. Hierbei werden keine Normen in Bezug genommen, die dem Umweltschutz dienen.“ Das EBA sagt also, Störungen des Bahnbetriebs haben nichts mit Umweltschutz zu tun und gingen uns deshalb nichts an. Das ist einfach frech. Der VGH hat nun dieser Tage dennoch eine mündliche Verhandlung in Mannheim angesetzt und zwar am 20. November!

Darauf bereiten wir uns gut vor und sind gespannt – Münchhausen lässt grüßen – wie man diesmal versuchen wird, sich aus dem eigenen Sumpf am eigenen Schopf heraus zu ziehen.

Kleiner Hinweis: Wenn die Neubaustrecke (von Wendlingen zum Fasanenhof) an der Autobahn entlang gebaut sein sollte, dann müsste man einige Jahre später (Abschnitt b) für die Gäubahnzüge diese queren. Man müsste von der Terminalstation (drittes Gleis) unter großen Gebäuden bergmännisch hindurchgraben. Dann weiter durch Unmengen sensible Leitungen (Strom, Wasser, Gas, Informationskabel usw.) und unter der 8-spurigen Autobahn, der Schnellbahnstrecke und einer Landstraße bohren, um dann in einer Schleife über Plieninger Gebiet Richtung Fildertunnel zu gelangen. Bisher dachte man an eine offene Bauweise und dann ein Deckel drüber. Das geht aber nicht mehr, vor allem, wenn die NBS schon Jahre vorher fertig sein sollte.

Und, der Flughafen selbst hat größtes Muffensausen. In der jahrelangen Bauzeit bricht dort 24 Stunden am Tag vom Zulieferverkehr bis zum Parken das blanke Chaos aus.

Die Kosten werden – natürlich völlig unerwartet – in die Höhe schießen und die jetzt hingetricksten, ganz sicher endgültigen Gesamtkosten von 8,2 Mrd. weit hinter sich lassen. Und dies wissen doch alle. Wie da argumentiert wird, das ist doch eine schändliche Beleidigung für das aufgeklärte Menschengeschlecht! Es verschlägt einem die Sprache! Um es schwäbisch derb zu sagen: Die Zuständigen gehörten alle mindestens zweimal wöchentlich standrechtlich verschlagen!

Statt ins Gefängnis gehen sie allerdings irgendwann mit Millionen Abfindungen fort und heften sich irgendwann gegenseitig irgendwelche Verdienstkreuze an oder verleihen sich irgendwelche Professorentitel.

Dabei müssten wir uns doch endlich bescheiden, wir müssten Abschied nehmen von der Völlerei, der sich die meisten leidenschaftlich hingeben. Und die, die unsere Zukunft planen, forcieren auch noch so Projekte wie S21, durch die bei der Schiene ein Kapazitätsabbau stattfindet, dafür fördern und subventionieren sie hemmungslos den Straßen- und den Flugverkehr.

Die neuste Horrormeldung auf den Fildern kommt von Flughafen und Messe. Sie fordern den Bau von 4100 (in Worten: viertausendeinhundert) neuen Parkplätzen. Dabei soll doch der S21-Schienenanschluss angeblich dazu dienen, den Autoverkehr auf die Schiene zu verlagern. Die wissen alle genau, dass dies mit S21 nie klappen wird, und dass mehr Autoverkehr droht. Man braucht allein fürs Parken Riesenflächen und muss deshalb dafür rechtzeitig, also jetzt schon vorsorgen. Diese Parkplätze sind der Einstieg in weitere Betonorgien und genau dies wollen sie und nehmen dafür kaltlächelnd eine sinnlos geschändete Stadt und für alle Ewigkeit zubetonierte, fruchtbare Filder­äcker in Kauf.

Schlussbemerkung: Hoffnung macht mir, und das ist nicht zuletzt unser aller Verdienst, dass die Euphorie für das Projekt ständig sinkt. Otto von Bismarck sagte schon vor langer Zeit: „Ein Gedanke, der richtig ist, kann auf Dauer nicht niedergelogen werden“. Nur noch Schwachköpfe schwärmen von S21. Selbst die obersten Planer sagen inzwischen, es sei unwirtschaftlich und sie würden es heute nicht mehr beginnen.

Also kämpfen und klagen wir mit noch mehr Engagement gegen S21 an! Es macht doch auch Spaß, den Zerstörern das Leben schwer zu machen! Sollen sie mit ihren stinkenden Tunnelfragmenten doch weiter dahinvegetieren, wir, wir bleiben oben!

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