Ernest und Ernestine – zwei die auszogen, das Gruseln im Kampf gegen Stuttgart 21 zu lernen …


Eine wahre Geschichte

Ernest P. Ist in der Bewegung gegen Stuttgart 21 inzwischen bekannt als einer, der konsequent für sein Recht auf Informations- und Versammlungsfreiheit einsteht und dafür sogar ins Gefängnis geht. Dadurch ist er schon fast so was wie ein „Held“ in der Bewegung geworden. Er wird von nicht wenigen wegen seiner Standhaftigkeit und seinem Widerstand bewundert. Andere meinen wiederum, dass es letzten Endes ein Kampf gegen Windmühlen sei. Die Gerichtsverfahren am 12. und am 29. November, von denen hier die Rede ist, sind deshalb zwar bei weitem nicht die einzigen, stehen aber exemplarisch für Gerichtsurteile, die im Namen des Volkes in Sachen Stuttgart 21 ausgesprochen werden und auch dafür, wie Strafbefehle für Zeugenaussagen geahndet werden können. Man lese und staune:

Im Dezember 2015 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Ernest P. und einem Lkw-Fahrer. Obwohl eine andere Zufahrt zur Baustelle frei gewesen wäre, wollte der Fahrer die Einfahrt am Nordausgang des Bahnhofs erzwingen. Er fuhr mit seinem Lkw langsam in Richtung Einfahrt und schob dabei Ernest P. etwa einen Meter, bis andere Kundgebungsteilnehmer den Fahrer zum Stoppen bringen konnten. Der Lkw-Fahrer stieg dann aus dem Wagen und versuchte Ernest P. aus dem Weg zu zerren. Dabei und auch währen der Vorschiebens mit dem Lkw fügte er ihm Schmerzen an der Schulter zu. So berichtet Ernest P.
Ernestine R., ebenfalls Mitglied der Gruppe der SeniorInnen gegen S21, die am Frühstück am Bauzaun teilgenommen hatte, war während des gesamten Vorgangs dabei. Allerdings ist sie dann, nachdem sie vom Lkw berührt wurde, aus Angst zur Seite gegangen, während Ernest P. stehen blieb und vom Lkw weitergeschoben wurde. Letztendlich räumte die Polizei die Einfahrt. Ernest hatte seinerzeit gleich nach Eintreffen der Polizei Anzeige wegen Körperverletzung erstattet. Seine Anzeige gegen den Lkw-Fahrer wurde allerdings eingestellt, im Gegenzug wurde ihm von der Staatsanwaltschaft „falsche Verdächtigung“ des Lkw-Fahrers vorgeworfen.
Bei der Verhandlung am 23.5.2017 bestritt der Fahrer, dass er Ernest P. mit dem Lkw weiter angeschoben und er ihn stattdessen später lediglich „zärtlich“ angefasst habe, um ihn von seinem Lkw wegzubekommen. Ernestine, die als Zeugin geladen war und Ernests Aussagen bestätigte und zudem angab, ebenfalls vom Lkw berührt worden zu sein, aber aus Angst dann doch zur Seite ging, wurde nicht geglaubt und Ernest P. wurde in dieser Gerichtsverhandlung zu einer Geldstrafe von ca. 500 Euro wegen „falscher Verdächtigung“ verurteilt. In der Begründung hieß es u. a., dass das Gericht davon überzeugt war, dass Ernestine falsch ausgesagt hätte. Sie hätte erst in der Hauptverhandlung ausgesagt, dass auch sie vom Lkw berührt wurde und weder Ernest noch sie dies bei dem aufnehmenden POK angegeben hätten. Überdies „zeige die Zeugin R. deutliche Belastungstendenzen gegenüber dem Zeugen F. wie auch starke Entlastungstendenzen gegenüber dem Angeklagten (Ernest), dem sie, wie sie wiederholt ausführte und dem Gericht aus vorangegangenen Verfahren bereits bekannt war, im Widerstand gegen das Projekt Stuttgart 21 aufs Engste verbunden ist ...“ (!)
Ernest P. hat gegen dieses Urteil Einspruch erhoben. Aufgrund seines Einspruches wurde ein neuer Verhandlungstermin angesetzt, der nunmehr auf Donnerstag, 29.11.18, um elf Uhr am Landesgericht stattfinden wird

Ernestine aber verstand die Welt nicht mehr, als sie vor mehreren Monaten einen Strafbefehl über 3.000 Euro wegen „uneidlicher Falschaussage“ erhielt. Hatte sie doch, wie sie auch den SeniorInnen gegen Stuttgart 21 schon damals berichtete, nur erzählt, was damals passiert sei und nun die Quittung dafür erhalten.
Diese 3000 Euro sind für die Rentnerin Ernestine nun wirklich kein Pappenstiel und zudem sieht sie schon gar nicht ein, dass sie für ihre Aussage auch noch bestraft werden soll. Obwohl schon im gesetzten Alter von 87 Jahren, will sie keinesfalls mit ihrem Alter „kokettieren“ sondern es geht ihr hier nur um Recht und Unrecht. Während die Gruppe der SeniorInnen gegen S21, bei denen Ernestine und Ernest mehrheitlich der Meinung ist, dass schon mit dem Gerichtsverfahren gegen Ernest wegen „falscher Verdächtigung“ Ernest gezeigt werden soll, wer hier die Macht hat und ihm seine Grenzen aufgezeigt werden sollen, finden sie es unerträglich, wie hier mit unglaublicher Härte gegen die Aussage von Ernestine vorgegangen wird und ihr noch nachträglich ein Strafverfahren wegen „uneidlicher Falschaussage“ angehängt wird. Sie glauben, dass auch ihr gezeigt werden soll, „wo der Bartel den Moscht holt“. Unglaublich!
Und unglaublich auch deshalb, weil noch nicht einmal Ernests Strafverfahren wegen „falscher Verdächtigung“ endgültig geklärt ist! Also Ernestine schon  v o r h e r  wegen ihrer Aussage zu Ernests Strafverfahren vor Gericht steht! Da versteht man wirklich nur noch Bahnhof … (!)
Die Verhandlung gegen Ernestine R. findet am kommenden Montag, den 12. November, um neun Uhr (1. Stock) vor dem Amtsgericht Stuttgart, Hauffstraße 5, statt.
Sie freut sich sicher über solidarischen (Anwesenheits-)Beistand. Und natürlich auch Ernest P. bei seiner Verhandlung am 29. November.

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