Der Schienenverkehr muss gewinnen durch den Umstieg von S21 – „Mondays for Future“ – auf nach Berlin!

Rede von Dr. Eisenhart v. Loeper, RA und Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, auf der 456. Montagsdemo am 11.3.2019

Liebe Freundinnen und Freunde,

die Tatsache, dass sich die junge Generation mit „Fridays for Future“ eindringlich für das Klima engagiert, ist beispielgebend mutig. Und wir Älteren mit heute 456 Montagsdemos, mit der Mahnwache im neunten Jahr und allen unseren Einsätzen, wir sehen uns den Jüngeren stark verbunden als „Mondays for Future“. Wir sind tief bewegt von der großartigen ZDF-Sendung "Die Anstalt", die uns mit einzigartiger Resonanz der 2,5 Millionen Zuschauer auf dem Weg gegen den Wahn des Projekts S21 bestärkt: Die Bundesregierung hat jahrzehntelang den im Grundgesetz „gewährleisteten“ Ausbau und Erhalt des Schienenverkehrs versäumt, mehr noch setzt sie durch S21 mit Steuergeldern von über zehn Milliarden Euro tausende Menschenleben aufs Spiel, verkleinert und schwächt den Bahnknoten der Metropolregion Stuttgart. Dagegen engagieren wir uns mit vollem Einsatz und damit sind wir im Recht:

  1. Wir kämpfen dafür, den Rechtsstaat bei S21 zu realisieren und die bodenlose Kluft zur Praxis zu überwinden. Ja, wir fahren erneut am 26. März zur Sitzung des Bahn-Aufsichtsrats nach Berlin – 33 von Euch haben sich angemeldet, es wäre klasse, wenn sich noch viele mit beteiligen. Der Bahnspitze haben wir im Vorfeld folgende Fakten und Forderungen genannt (1):
  • Zentral ist der ungenügende Brandschutz bei S21, denn andauernd tödliche Gefahren für alle Fahrgäste in Kauf zu nehmen, darf sich kein Entscheider leisten und darüber kann kein Staatsanwalt hinwegsehen. Alle Entscheider haften hier persönlich. Dank des Gutachtens von Dipl.-Ing. Hans Heydemann und Dr. Christoph Engelhardt erreichte unser Vorstoß erstmals eine Antwort der Bahnvorstände Lutz und Pofalla über deren Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm. Wir haben daraufhin dem DB-Vorstand und dem Aufsichtsrat klar gemacht, wie absurd es ist, sich auf einen Genehmigungsbescheid zu S21 zu berufen, der doch anerkannt nichts zählt, wenn der Schutz des Lebens der Menschen vorhersehbar versagen kann. Und der Brandschutz schlägt fehl bei viel zu engen Bahnsteigen, bei 400 m entfernten Fluchttreppen, ungenügender Entrauchung bei ignorierten Doppelbelegungen der Gleise. Eklatant gleichheitswidrig, unvereinbar mit dem Grundrecht auf Leben und skandalös ist es, Rollstuhlfahrer und in der Mobilität eingeschränkte Personen im Brandfalle hilflos ersticken zu lassen (2).

 

  • Mit dem Gutachten wurden besonders die Zulauftunnel im Brandfalle als Krematoriumsröhren entlarvt (3) Bei praktisch keinem anderen Tunnelneubau werden für Rettungswegbreite und Notausgangsabstand gleichzeitig nur die Mindestanforderungen angesetzt. Das ist unverantwortlich, denn die S21-Tunnel sind Höchstrisikotunnel. Per Ausnahmegenehmigung wurden die Querschnitte stark verengt, die Steigung ist doppelt so hoch wie üblich, ebenso die Personenzahl. Jetzt ist das Todesrisiko in den S21-Tunneln um einen Faktor 5 bis 20 höher als in anderen europäischen Tunneln. Bei Brand ist eine Rettung für aberhunderte Menschen unmöglich, größte Opferzahlen sind quasi eingeplant.
  • Ferner wird die Stärkung des Schienenverkehrs entgegen dem Wohl der Allgemeinheit (Art. 87 e Abs. 4 GG) scheitern – siehe Arno Luik in „Kontext“ (4) – wenn S21 für Züge mit herkömmlichem Signalsystem nicht befahrbar ist und nur über ein im Gleisbett verankertes ETCS-Kontrollsystem funktioniert (3). Die Bahn kann den Widerspruch nicht auflösen, dass dies gewaltige Kosten erzeugt, und sie den TGV aus Frankreich oder privaten Anbietern wie Flixtrain, BTS, Euroexpress das ETCS-System nicht europarechtswidrig auferlegen kann. Damit schädigt sie den Konzern und die Metropolregion und zieht erneut den Tatverdacht der Untreue auf sich.
  • Weiter fehlt es an der zur Gefahrenabwehr festgelegten „gleichen Sicherheit“ der Gleise in der Tief-Bahn-Haltestelle wegen des Höhenunterschiedes von 6 m, die allenfalls durch bahnbetrieblich angeordnete automatische Bremsen beim Türöffnen erreichbar ist (5). Sämtliche durch S21 fahrende Züge umzurüsten, ist jedenfalls bei DB-Konkurrenten nicht umsetzbar, zwingt also zum Umstieg. Außerdem ist gleiche Sicherheit auf den schiefen Bahnsteigen wegen drohender tödlicher Folgen nicht erreichbar, weil Kinderwagen und Rollstühle selbst bei Querprofilen zum Gleisbett abstürzen können, siehe Nachweise bei Wikireal (6).
  • Welchen Schlagseiten die Bahn ausgesetzt ist, zeigt weiter der durch gewaltigen Wasserandrang bedingte Baustopp in Obertürkheim – und der gerichtliche Baustopp im Filderabschnitt mit allen Risiken im Revisionsverfahren.
  1. Zu berichten ist auch über den Hintergrund und Rahmen von Gesprächen mit der Deutschen Bahn: Die Bahnvorstände Lutz und Pofalla und die Aufsichtsräte hatten Ende Januar 2018 beschlossen, den Finanzrahmen von S21 auf vorerst 8,2 Milliarden Euro anzuheben. Dagegen haben Dieter Reicherter und ich erstens erneut Strafanzeige erstattet wegen Untreue durch den Weiterbau des unwirtschaftlichen Projekts, worüber noch nicht abschließend entschieden ist. Zweitens klagte ich auf Offenlegung aller für die Entscheidung wesentlichen Daten (7), die besonders die fiktiven 7 Milliarden Euro Ausstiegskosten betreffen.
  • Die DB verdächtigte mich mit Bezug auf eine Montagsdemo-Ansprache, ich wolle ja nur die Aufsichtsräte der Strafjustiz ausliefern. Mir kam es aber zuerst auf Sachergebnisse an. Da lenkte die Bahn auf Gespräche ein, die nun am 8. Februar ergaben: Die Bahn stützt die 7 Milliarden € Ausstiegskosten darauf, sie müsse S21 bauen, sie begehe sonst Rechtsbruch, denn beim Ausstieg müsse sie alle Baukostenzuschüsse – das sind 3,5 Mrd.€ – erstatten und für über 800 Mio.€ den alten Zustand vor Baubeginn wieder herstellen. In Wahrheit ist aber die Kostenobergrenze des Finanzierungsvertrags zu S21 von 4,5 Mrd. € seit 2013 überschritten und eine per Sprechklausel erstrebte neue Vereinbarung gescheitert. Die Juristen zu S21 stellten 2013 fest (8): Die DB AG muss S21 nicht bauen, sie kann aus S21 aussteigen, gleichfalls Stadt und Land: S21 ist also weder gesetzlich noch vertraglich erzwingbar, weil die Finanzierung des gemeinsamen Projekts zur Hälfte nicht geregelt ist. Da aber keiner eine S21-Bauruine zulassen kann, sind daher alle zum kostensparenden sinnvollen Umstieg von S21 verpflichtet.
  • Um diese Position öffentlich zu stärken hat das Aktionsbündnis Prof. Dr. Urs Kramer, Universität Passau, den Experten für öffentliches und speziell Eisenbahnrecht beauftragt, die Baupflicht bei S21 nach wissenschaftlichem Standard zu untersuchen (9). Er wird unsere Position sicher wesentlich untermauern können. Wir bitten daher um Eure Hilfe bei der Finanzierung der erheblichen Kosten dafür.
  • Im weiteren Gespräch mit der DB AG am 19. März wird unsere Fachgruppe Umstieg mit Dipl.- Ing. Klaus Gebhard sowie Martin Poguntke erläutern, wie und zu welchen Kosten die Neubaustrecke S-Ulm an die Bestandsstrecke angeschlossen werden kann. Ferner wird Dipl.-Ing. Frank Distel zu den Streckensperrungen am Flughafen und zur drohenden Abkopplung der Panoramastrecke Stellung beziehen. Weitere Termine zu S21 sollen folgen.
  • Was bedeutet das? Die DB hat mit S21 beachtliche Probleme und ist neuerdings interessiert an Gesprächspartnern mit Sachkunde. Statt der beklagten Blockade unserer Bewegung finden wir etwas Gehör. Daran sollten sich die großen Parteien ein Beispiel nehmen. Klar ist auch, dass die politischen Weichen in Berlin gestellt werden. Dort muss das Umsteuern einsetzen. Und da sind alle gefordert.
  1. Fazit: Wir stehen für die nachhaltige Stärkung des Schienenverkehrs. Die Politik muss jetzt umsteuern für den Umstieg, damit das Grundrecht auf Leben und Mobilität bei S21 zur Geltung gelangt. Mondays for Future, wir kommen voran – All Days – bleiben wir dran und OBEN!

Anmerkungen:

(1) Früher bereits gestellte Forderungen gelten unverändert, werden hier nur nicht eigens aufgelistet, siehe Strafanzeige v. 15.02.2017 u. Folgendes über www.strafvereitelung.de

(2) Zur Hilflosigkeit eines Rollstuhlfahrers im ICE bei Bombenalarm: https://www.suedkurier.de/region/hochrhein/kreis-waldshut/Rollstuhlfahrer-muss-bei-Bombenalarm-im-ICE-bleiben-weil-ihm-niemand-hilft;art372586,10050142

(3) Die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung berichtet: „39 Fahrzeugbrände bei ICE-Zügen wurden uns seit 2008 gemeldet“. Besonders betroffen macht die Beinahe-Katastrophe des ICE-Brands bei Montabaur. Siehe https://www.swr.de/report/brennende-ices-lokfuehrer-bahn-ueberbrueckt-schutzrelais/text-des-beitrags-brennende-ices/-/id=233454/did=22515510/mpdid=22797120/nid=233454/3q9qei/index.html

(4) Siehe https://www.kontextwochenzeitung.de/wirtschaft/413/das-goldene-begraebnis-der-bahn-5741.html?pk_campaign=KONTEXT-per-EMail&pk_kwd=Ausgabe-413
Hiernach kann nur ein kleiner Teil der Züge S21 anfahren , ETCS verlangsamt den Zugverkehr um ca. 10 Prozent, was bei S21 zu einer Maximal-Zugzahl von nicht 32, sondern nur 29 Zügen führt, und ETCS führt zu riesigen Mehrkosten (auch) für die Bahn.

(5) Vgl. bereits diesseitiges Schreiben an DB-Vorstand und Aufsichtsrat vom 04.02.2019, Ziffer 2

(6) http://wikireal.info/w/images/5/56/2017-0706_Engelhardt_Uebersicht_ Beweise_Gleisneigung.pdf
Dazu Beschwerdeschriftsatz an StA Berlin (242 Js 258/17) v. 15.01. 2018, S. 21 f.

(7) Verwaltungsgericht Berlin, VG 2 K 81.18

(8) Juristen zu Stuttgart 21, „Das Rätsel der Sprechklausel“ und PM v. 31.01.2013

(9) Dem Gutachtenauftrag liegt ein Vertrag mit der Universität Passau, vertreten durch deren Präsidentin, zugrunde. Das Rechtsgutachten soll noch vor dem Termin der nächsten Sitzung des DB-Aufsichtsrats vom 27.03.2019 öffentlich präsentiert werden.

Rede von Eisenhart v. Loeper als pdf-Datei

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