Planungen für Stuttgart 21 – es passt vorn und hinten nicht!

Rede von Dr.-Ing. Hans-Jörg Jäkel, Ingenieure22, auf der 457. Montagsdemo am 18.3.2019

Liebe Freunde,

unter diesem Titel könnte man eine mehrtägige Veranstaltung abhalten, deshalb will ich mich auf einige Aspekte der Abschnitte 1.3b (Gäubahnanschluss), 1.6b (Abstellbahnhof) und „1.1b“ (Hauptbahnhof) beschränken.

Vor einem Monat hat hier ja Steffen Siegel über die „Filder-Anstalt“ berichtet. Aber neben der Fehlplanung einer Station drittes Gleis und der Flughafenkurve quer über die Plieninger Felder gibt es auch noch die Rohrer Kurve, die ja nach der desaströsen Erörterung des Gesamtabschnittes 1.3 im Herbst 2014 nun kreuzungsfrei gebaut werden soll. Und was haben sich die „Experten“ der DB dafür einfallen lassen? Die S-Bahn vom Flughafen nach Rohr steigt hinter Oberaichen stetig an, bis sie dann wieder hinabführt, um unter der Gäubahn kreuzungsfrei einzufädeln. Und genau an der allerhöchsten Stelle soll eine Brücke mit den entsprechenden Rampen gebaut werden. Da wäre mal eine Tunnellösung für die Ausfädelung angebracht, so wie in Feuerbach und ja auch „direkt vor der Nase“ in Rohr.

Aber ganz ohne Tunnel geht es natürlich nicht und so soll die S-Bahn von Böblingen nach Vaihingen einen neuen Berghautunnel bekommen. Aber damit man eine kreuzungsfreie Lösung hinbekommt, geht es in den Tunnel von beiden Seiten steil bergab und der tiefste Punkt liegt in der Tunnelmitte, was auch nach den Planungsrichtlinien der DB vermieden werden soll. Die Konsequenzen eines ordentlichen Starkregens auf der über dem Tunnel verlaufenden A8 brauche ich Euch wohl nicht zu erläutern. Da ist dann bei der S-Bahn Land unter. Die Vaihinger Bürgerinitiativen haben für die Rohrer Kurve wesentlich bessere Lösungen erarbeitet. Aber die DB hat es nicht nötig, die vom Gesetz vorgesehene frühe Bürgerbeteiligung durchzuführen. Und dann ist immer zu hören: „Wir haben aus S21 gelernt“ – das ist sehr oft nur blanker Hohn.

Die frühe Bürgerbeteiligung bei der Planfeststellung soll auch dazu dienen, das eigentliche Verfahren zu beschleunigen. Aber bei 1.3b läuft die Verfahrensdauer völlig aus dem Ruder. Die Einsprüche mussten bis 9/2017 eingereicht werden. Das Gesetz sieht dann vor, innerhalb von dreri Monaten die Erörterung durchzuführen und einen Bericht zu erstellen. Jetzt sind da schon 18 Monate vorbei. Wir brauchen keine entmündigenden Planungsbeschleunigungsgesetze, sondern vernünftige Vorhaben auf Grundlage des geltenden Rechts.

Um alles noch komplizierter zu machen, hat die DB nun eine Planänderung beantragt, die im Februar 2019 ausgelegt war. Dort steht nun drin, dass es viel besser wäre, für mindestens ein Jahr den Flughafen überhaupt nicht mehr mit der S-Bahn anzufahren – Filderstadt natürlich auch nicht. Man könne dann schneller bauen und hätte stabile Verhältnisse. Den Tunnelparteien in Stadt, Land und beim Verband Region Stuttgart (für die S-Bahn zuständig) und auch den Grünen fällt natürlich nichts Besseres ein, als Verständnis zu zeigen. Lediglich die Linken mit dem Piraten Ingo Mörl finden dafür klare Worte und geißeln die Haltung der anderen Volksvertreter als Opferstarre.

Doch es kommt noch besser und wird fast kriminell. Im Gegensatz zu der umfangreich gesund gebeteten S-Bahn-Sperrung mit einer angeblich zehnmonatigen Bauzeitverkürzung findet man im Kapitel 8 des Erläuterungsberichtes Teil III eine klitzekleine Änderung, die nirgends begründet ist. Im Originaltext heißt es auf Seite 111: „Die Gesamtbauzeit für die Baumaßnahmen im PFA 1.3b beträgt ca. 5 Jahre.“ Und was machen die Experten der DB daraus? Sie ergänzen sechs blaue Buchstaben „Rohbau-“ und machen für die Gesamtbauzeit gar keine Angabe mehr. Jetzt heißt es: „Die Gesamtbauzeit für die Rohbau-Baumaßnahmen im PFA 1.3b beträgt ca. 5 Jahre.“ So einfach kann man die Bauzeit um etwa zwei Jahre verlängern. Ich will hier keine rechtliche Wertung vornehmen, kann aber sehr gut verstehen, wenn das als Vertuschung oder Betrug bezeichnet wird. Ich fordere Euch deshalb noch mal auf, gegen die Planungen für 1.3b Einspruch einzureichen. Bis 27. März ist das noch möglich und die Unterlagen stehen beim Regierungspräsidium Stuttgart im Netz zur Verfügung.

Doch nun weiter nach Untertürkheim zum Abstellbahnhof (PFA1.6b). Fast zeitgleich mit den Planungen für die Fildern reichte die DB den vierten Versuch für den Abstellbahnhof ein. Den hat sie dann zurückgezogen und etwas verändert 2018 wieder eingereicht. Aber durch die privaten Anbieter auf der Schiene weiß jetzt keiner mehr so richtig, wie viel Kapazität dieser Abstellbahnhof eigentlich haben soll. 2017 ging man noch von täglich ca. 100 Zügen aus und hatte deshalb auch in Münster und Obertürkheim Abstellgleise vorgesehen. Aber die neuen Betreiber des Stuttgarter Regionalverkehrs – Abellio und Go-Ahead – haben sich Abstell- und Wartungsbahnhöfe in der Region gebaut, da die DB die Abstellungen nur extrem teuer angeboten hat.

Es ist allerdings ein Unding, wenn der Bahnknoten Stuttgart neu gestaltet wird und das Thema Abstellbahnhof völlig ungeklärt ist. Im Norden Deutschlands gibt es da ganz andere Gerichte, die wegen einer nicht nachvollziehbaren Planung einer Autoverladung das gesamte Projekt in Hamburg-Altona gestoppt haben. Was würden diese Richter sagen, wenn sie dazu befragt würden, wie man in Stuttgart am Bahnhof einfach weiter baut, ohne eine genehmigte Planung für den Abstellbahnhof zu haben? Wahrscheinlich werden solche Probleme mit den viel gepriesenen Durchbindungen gelöst und die Züge müssen dann irgendwo in der Republik freie Gleise finden.

Aber nun zu 1.1b. Die Klage der Stuttgarter Netz AG wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Aber im Urteil wurde eindeutig festgestellt – und auch die DB hat dies bestätigt – dass für den Rückbau des Gleisvorfeldes ein Planfeststellungsverfahren nötig ist und in diesem Verfahren dann über die Stilllegung und Entwidmung der Bahnflächen zu entscheiden ist. Nach geltender Rechtslage dürfte das recht schwierig werden, denn in §23 AEG kann die Freistellung eines Geländes von Bahnbetriebszwecken nur stattfinden, „wenn kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht und langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten ist“. Da bin ich mir doch sehr sicher, dass es viele private Eisenbahnverkehrsunternehmen – ggf. auch SBB und ÖBB – gibt, die ihre Fahrzeuge in absehbarer Zeit nicht auf das Allheilmittel ETCS im Tunnelbahnhof umstellen wollen, aber trotzdem noch Verkehre – und wenn es nur Sonderzüge sind – nach Stuttgart anbieten wollen. Die DB selber hat ja 2017 einen historischen Sonderzug aus dem Hauptbahnhof (oben) gechartert und auch für Ministerien und Betriebe organisieren wir immer wieder solche Sonderfahrten – im Tiefbahnhof nicht vorstellbar!

Mit dem Planfeststellungsbeschluss für 1.1 ist nur der Neubau des Tiefbahnhofes abgedeckt. Der beabsichtigte Rückbau des Gleisvorfeldes mit dem Abstell- und Wartungsbahnhof Rosenstein erfordert noch ein neues Verfahren – nennen wir es 1.1b. Angeblich wird daran schon seit vielen Jahren gearbeitet, aber eingereicht sind noch keine Unterlagen. Für mich ist damit auch der immer wieder verwendete Begriff von einem Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofes völlig unhaltbar, denn bei einem Umbau erst den Neubau zu beantragen (2002, genehmigt 2005) und den Abriss von alten Teilen erst mehr als ein Jahrzehnt später, dass würden die Richter in Hamburg sicher auch nicht akzeptieren. In Stuttgart ist es leider möglich.

Aber wir bleiben dran. Wir wollen kein Stuttgart 21, sondern einen Umstieg, und deshalb gilt weiterhin: Ihr kriegt uns nicht los, aber wir Euch schon!

Rede Hans-Jörg Jäkel als pdf-Datei

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