KlimaSkandal Stuttgart 21 und Friday for Future

Rede von Klaus Gietinger, Autor und Regisseur, auf der Samstagsdemo am 11.5.2019

Liebe Gegnerinnen und Gegner von Stuttgart 21, liebe Freunde des gesunden Klimas, liebe Fridays!

Es freut mich sehr, dass ich heute zu Ihnen sprechen darf.

Vor 20 Jahren, 1999, sollte auch in Frankfurt, wo ich wohnte, der Hauptbahnhof untertunnelt werden: ‚Frankfurt 21‘. Wir gründeten eine Bürgerinitiative ‚Frankfurt 22‘, und Winfried Wolf gab mir die Telefonnummer von Gangolf Stocker. Der sagte mir: „Da habt ihr aber viel vor. Das ist wie bei der Kunst, das macht viel Arbeit.“ Nun, uns ist es gelungen, nach zwei Jahren das Projekt zu kippen. Das wird Euch auch noch gelingen. Leider wollen sie, der Scheuer und andere in Frankfurt jetzt einen Fernbahntunnel bauen. Der Bahnhof bliebe aber oben, heißt es. Doch anstatt, wie wir damals vorgeschlagen haben, die Zuläufe zu optimieren, soll jetzt wieder gebohrt werden. Doch auch das werden wir verhindern!

Leider ist Franz Alt heute krankheitsbedingt verhindert. Vor genau 26 Jahren, 1993, durfte ich für ihn einige Filme machen für seine Sendung: „Mobil ohne Auto“. Damals entwarfen wir ein Zukunftsszenario für das Jahr 2020. Es gab in diesem Blick in die Zukunft keine fliegenden Autos, wie in dem Film „Zurück in die Zukunft“. Im Gegenteil, es gab eine moderne Eisenbahn, die nicht nur auf ein paar Bolzstrecken für Geschäftsleute fuhr, sondern es war eine Flächenbahn, die weit in die Provinz, aufs Land und in die Kleinstädte ja sogar Dörfer führte. So wie es früher der Fall war. Aber natürlich nicht mit Dampfloks und Bimmelbahnen, sondern mit modernen elektrifizierten Zügen. Das war die Elektromobilität pur, eine Elektromobilität, die sich lohnen sollte und die sich komplett aus regenerativer Energie speiste. Und in der gab es nur Tunnel durch Berge und nicht durch Großstädte hindurch. Das sollte nämlich eine Bahn sein für alle Menschen und nicht für ein paar Großkopfete.

Diese Bahn hatte einen Integrierten Taktverkehr, so wie in der Schweiz. Ein Taktverkehr, in dem in jeder größeren Stadt die Züge alle halbe Stunde einfuhren und kurz danach wieder hinausfuhren, so wie es in der Schweiz seit Jahr und Tag gang und gäbe ist. Viele Leute und vor allen Dingen Politiker begreifen nicht, welche immensen Vorteile ein solcher Taktverkehr hat. Damit kann man, wenn er auch noch mit den Bussen vernetzt, vertaktet ist, praktisch jeden Flecken des Landes ohne große Mühe und ohne langes Rumkutschieren erreichen. Dann braucht man kein Auto.

Nun, wie sieht es aber heute aus, ein Jahr vor 2020? Die Bahn ist in einem bedauerlichen Zustand, runtergewirtschaftet von Mehdorn und Co. Und wie sieht es aus mit der Flächenbahn, die wir uns damals wünschten? Wie sieht es aus mit dem Taktverkehr, den wir uns damals erhofften?

Ein solcher Taktverkehr, das wissen sie alle, der ist in diesem unterirdischen Bahnhof nicht möglich. Dieser Flaschenhals ist und war eine Fehlgeburt von Anfang an. Und das haben alle Verantwortlichen gewusst. Und noch heute lügen sie uns an, was das für ein toller Bahnhof ist. Auch die, die dieses Land und diese Stadt regieren. Die grüne Troika, die hat das sogar ausgesprochen, dass da kein Taktverkehr machbar ist. Und kaum waren sie an der Macht, haben sie dieses Loch durchgewunken mittels einer „getürkten“ Volksabstimmung.

Was ist aber die Konsequenz aus diesem unterirdischen Dreck: kein Taktverkehr, keine Flächenbahn, keine Bahnhöfe auf dem Land, also brauchen die Menschen außerhalb der Großstädte Autos. Und weil die Bahn immer schlechter wird, immer katastrophaler, immer teurer, immer bodenloser und immer verschuldeter, wird es auch mit diesem Schrottbahnhof noch mehr Autos in Stuttgart geben, noch mehr Stau und noch mehr Dreck. Und die Klimakatastrophe kommt dann noch schneller. Und noch mehr Menschen leiden dann unter Feinstaub und Stickstoffoxiden

Ich muss ihnen jetzt mal was vorlesen aus einer Studie des ICCT (International Council on Clean Transportation). Das ist eine Umweltorganisation in den USA, die maßgeblich den Dieselskandal aufgedeckt hat, und dieser Skandal ist nicht nur ein Skandal von VW, es ist ein Skandal, wie die Regierung in Deutschland gemeinsame Sache mit den Betrügern von der Autoindustrie gemacht hat. Zusammen haben sie uns, ob Autofahrer oder nicht, betrogen nach Strich und Faden, und niemand hier in diesem Land, niemand in Deutschland will für den Schaden aufkommen, am allerletzten die Autoindustrie.

Doch die muss die Nachrüstungen bezahlen. Die müssen gezwungen werden, wie jeder Betrüger gezwungen wird, den Schaden, den er angerichtet hat, wieder gutzumachen. Aber kein Regierender macht hier in diesem Land die Finger dafür krumm.

Jürgen Resch von der Umwelthilfe spricht es aus: „Die Autokonzerne regieren durch bis nach Berlin“ und sie bilden – auch das sagte Resch – „eine kriminelle Vereinigung!“ Und das sage ich: Die Bahn wird regiert von ehemaligen Auto- und Flugzeugmanagern. Die wissen gar nicht, was es heißt, Bahn zu fahren und wie man so etwas vernünftig leitet. Die wollen gar nicht mehr Bahn, sondern die graben Löcher, um die Bahn darin zu begraben

Nun die vom ICCT – die Umweltorganisation aus den USA – die haben auch die Daten in Deutschland untersucht. Und, liebe Gegner von Stuttgart 21, wenn man von Smog und dicker Luft redet, redet man immer von Mumbai oder Peking oder Shanghai. Hier aber wird von Deutschland gesprochen: „Deutschland hatte im Jahr 2015 13.000 vorzeitige Todesfälle, die auf Feinstaub 2.5 und Ozon aus Auspuffrohren zurückzuführen waren, das ist die vierthöchste Anzahl von verfrühten Todesfällen aufgrund von Feinstaub 2.5 und Ozonverschmutzung in allen Ländern, hinter China, Indien und den Vereinigten Staaten. Bei der Bevölkerungsgröße hatte Deutschland mit 17 vorzeitigen Todesfällen pro 100.000 Einwohner die höchste Sterblichkeitsrate, die auf die Emissionen von Auspuffrohren aller großen Volkswirtschaften zurückzuführen ist – mehr als das Dreifache des weltweiten Durchschnitts und fast 50% über dem EU-Durchschnitt.

Von den 100 größten städtischen Gebieten, die die Studie weltweit auswertete, befanden sich drei der sechs Städte mit der höchsten Sterblichkeitsrate, die auf die Emissionen von Auspuffanlagen im Jahr 2015 zurückzuführen war, in Deutschland: Diese 6 Städte waren Mailand, Turin, Kiew, Köln, Berlin und Stuttgart.

In Stuttgart, der Heimat von Mercedes-Benz und Porsche, trugen die Dieselfahrzeuge auf der Straße im Jahr 2015 78% zur Gesundheitsbelastung bei den Transportemissionen bei – die höchste unter allen großen Stadtregionen der Welt.“ Sie leben also in der dreckigsten Feinstaub- und Stickoxidstadt der Welt.

Und all das wird mit diesem verkackten superteuren Milliardenloch noch viel schlimmer. 10 oder 12 Milliarden dafür, dass dann in Stuttgart kein Taktverkehr möglich ist und hier die Luft noch schlechter wird durch die Zunahme des Autoverkehrs. Und was macht die Landesregierung dagegen, was macht der katholische Ex-Maoist dagegen? So gut wie nichts. Was macht der Verkehrsminister von Baden Württemberg, ein Grüner dagegen? So gut wie nichts. Was macht der Oberbürgermeister von Stuttgart dagegen, ein Grüner? So gut wie nichts. Sie leben hier in der dreckigsten Autostadt der Welt und werden von drei Grünen regiert, die so gut wie nichts tun und die, seit sie an der Regierung sind, diesen Bahnhof nicht verhindert haben. Auch die Volksabstimmung haben sie nicht für ungültig erklärt, nachdem die Voraussetzung – der angebliche Kostendeckel von 4,5 Milliarden –  nicht eingehalten wurde, sich die Kosten längst mehr als verdoppelt haben. Warum erklären die nicht, dass die Volksabstimmung unter falschen Voraussetzungen stattgefunden hat und deswegen ungültig ist? Warum kuschen die ständig vor der Bahn und vor der Autoindustrie?

Gerichtlich erzwungene Fahrverbote allein helfen da gar nichts. Eine andere Verkehrspolitik ist nötig! Sonst sind die Klimaziele nicht erreichbar.

Und liebe Gegner von Stuttgart 21, auch das Elektroauto wird da nicht helfen. Erstens braucht es genauso viel Platz wie ein Verbrenner und zweitens gefährdet es genauso, ja noch mehr Menschen wie das Dieselauto oder der Benziner, denn man hört es nicht und es beschleunigt noch schneller als ein Verbrenner, und außerdem ist es gar nicht sauberer, schon gar nicht unter den heutigen Bedingungen.

Die regenerativen Energien ersetzen nämlich seit Jahren und noch mindestens bis 2025 die Atomenergie. Die Dreckschleudern, die Kohlekraftwerke, sie sind seit Jahren gleich, die werden nicht weniger, nicht die nächsten 20 Jahre. Es ist sogar noch schlimmer. Alle Institute, die uns vorrechnen, dass das Elektroauto sauberer ist, lassen nämlich zwei wichtige Punkte aus: Ersten braucht jedes Elektroauto zusätzlichen Strom. Die Regenerativen, die sind immer voll ausgelastet, weil sie im Betrieb ja fast nichts kosten. Wenn aber zusätzlicher Strombedarf aufkommt – und er wird massenhaft aufkommen mit den Elektrokarren – dann wird das dazu geschaltet, was noch da ist, und das sind Kohlekraftwerke. Das heißt, mit jedem zusätzlichen Elektroauto wird der Strom aus Kohlekraftwerken geholt, und die verpesten dann die Luft noch mehr mit CO2 als der Diesel.

Jetzt könnte man natürlich sagen, des trifft dann andere und nicht uns Stuttgarter, aber auch das stimmt nicht. Denn erstens fliegen dann ganz viele Arbeiter und Arbeiterinnen raus, weil das Elektroauto viel weniger Hände braucht, die es bauen. Und zweitens: Die Elektroautos, die werden falsch als Nullemittenten gerechnet und jeder Autokonzern kann sich diese Nullemissionen gutschreiben lassen, und diese Gutschriften, die kann man dann mit den Grenzüberschreitungen der SUVs und der Geländewagen verrechnen, so dass da dann keine Strafzahlungen fällig wären. So spart die Autoindustrie Millionen, wenn nicht Milliarden, und was noch besser ist: Für jedes Elektroauto können die sich 5 Dreckschleudern gutrechnen lassen, so läuft das nämlich. Und diese Dreckschleudern, diese SUVs, die fahren dann weiter durch Stuttgart und bedrohen Ihr Leben und Ihre Atemluft. Die einzige Lösung des Problems heißt daher: massiver Ausbau der Bahn, vernünftiger Ausbau des öffentlichen Verkehrs, und nicht wie hier alles in einem engen Loch vergraben. Es heißt aber auch Ausbau des Radverkehrs und zwar zu Lasten des Autos.

Heute Morgen habe ich in der Zeitung gelesen, dass der Bundesrat fordert, die Waffenverbotszonen auszuweiten, dass Messer ab einer Klingenlänge von sechs Zentimeter in der Öffentlichkeit verboten werden sollen. Ich frage mich, warum werden Autos ab einer gewissen PS-Zahl, ab einer gewissen Größe, ab eines gewissen Gewichtes und ab eines gewissen Dreckausstoßes nicht einfach verboten? SUVs sind auch Waffen und haben hier nichts zu suchen.

Und auch daran werden wir langfristig nicht vorbeikommen: weg mit den Autos aus den Innenstädten, nur so kriegen Sie hier wieder saubere Luft und nur so kann die Klimakatstrophe verhindert werden. Da hilft kein Elektroauto, da hilft nur weniger Auto, schon gar keine SUVs, und es hilft nur mehr Bahn denn je. Denn die Bahn und der öffentliche Verkehr sind schon seit Jahrzehnten, teils seit hundert Jahren elektrifiziert. Auch die Schwäbische Eisenbahn (Ulm- Friedrichshafen) soll jetzt tatsächlich elektrifiziert werden. Unser Freund Andreas Kleber hat uns mal erzählt, wann diese Elektrifizierung zum ersten Mal versprochen wurde. Raten Sie mal? 1927.

Die Bahn und der ÖPNV sind die wahre Elektromobilität, und deswegen muss dieser Lochbahnhof, dieses Grab der Stuttgarter, dieses Grab Baden-Württembergs, dieses Grab der Deutschen Eisenbahn, dieses Grab muss weg!

Oben bleiben!

[Es gilt das gesprochene Wort]

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