Kann die Gäubahn zum Schlüssel für den Erhalt des Kopfbahnhofs werden?

Rede von Dr.-Ing. Hans-Jörg Jäkel, Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, Ingenieure22, auf der 681. Montagsdemo am 23.10.2023

Ja! Sie muss es! Wir können das schaffen!

Was gibt mir diese Gewissheit im schier endlosen Konflikt zwischen Gäubahn und Stuttgart 21?

Der Konflikt war bereits Thema in der Schlichtung, beim Filderdialog, bei der Erörterung zum Abschnitt 1.3, beim Mischbetrieb von 1.3b und der langen Unterbrechung für das dritte Gleis. Erst vor einem Jahr erfolgte auf Drängen der Gäubahnanlieger der sogenannte Faktencheck Gäubahn mit den erst jetzt im September vorgestellten Zusatzgutachten.

Die Gäubahnanlieger hatten sich schon 2019 an das Verkehrsministerium gewandt und beispielsweise mit den Unterschriften von 19 Bürgermeistern aus dem Landkreis Böblingen auf die gravierenden Folgen der Gäubahnunterbrechung hingewiesen. Die Antwort des Ministers war gefüllt mit den üblichen Beruhigungsfloskeln, z.B.: „auch ich bedauere diese Entwicklung sehr“, „habe mich mit Nachdruck für die … Gäubahn eingesetzt“, „alles daransetzen, die Dauer der Unterbrechung zu minimieren und deren Schaden zu reduzieren“. Solche Antworten stellen aber immer weniger zufrieden und so gibt es in den letzten Jahren immer wieder Äußerungen der verantwortlichen Kommunalpolitiker zu den falschen Versprechungen von Stuttgart 21.

Um diese Stimmen zu beschwichtigen, gab es dann vor einem Jahr diesen sogenannten Faktencheck zur Gäubahn. Die Deutsche Bahn und die Stadt Stuttgart präsentierten die Notwendigkeit der Bahnunterbrechung in der gewohnten Art und Weise als alternativlos. Aber so wie schon an anderer Stelle berichtet, fehlt inzwischen der Glaube an solche Darstellungen, und deshalb beauftragten die Gäu­bahn­anlieger drei weitere Gutachten. Zu 50% übernahm das Verkehrsministerium die Kosten – als Beruhigung des schlechten Gewissens oder als echte Positionierung?

Die Gutachten wurden schon 10 Tage vor der Präsentation im Interessenverband Gäu-Neckar-Bodenseebahn von der Presse zitiert. Die Kommentare von der DB und der Landeshauptstadt, dass ihre Position in vollem Umfang bestätigt sei, wurden auch gleich mit angefügt. Bei der Präsentation selbst warf der OB von Böblingen, Dr. Belz, der Bahn und der Landeshauptstadt aber vor, beim Faktencheck die Dinge zurechtgebogen und geschummelt zu haben. Insgesamt war jedoch eine Resignation festzustellen – wie bei der Schlichtung gelang es wieder, eine grundlegende Kritik mit einer Vielzahl von Untersuchungen abzubügeln.

Allerdings werden die Forderungen des Interessenverbands in der Pressemitteilung doch zweifach relativiert. Zunächst heißt es: „bei unter gegebenen Rahmenbedingungen ggf. nicht zu vermeidendem Unterbruch in S-Vaihingen“ und dann: „sich aus der Klage der DUH ergebende Konsequenzen (… weitere Durchbindung) wären ggf. neu zu bewerten.

Diese Klage wird also keinesfalls ignoriert, und ich bin der DUH sehr dankbar, dass sie sich dieses Themas so kompetent angenommen hat. Aber vor Gericht spielt sicher auch die politische Stimmung eine Rolle, und diese können und werden wir noch aktiver beeinflussen. Über unsere Kontakte wollen wir die offiziellen Vertreter der Städte entlang der Gäubahn über die deutlichen Widersprüche in den Argumentationen der Bahn und des Verkehrsministeriums informieren und dies dann möglichst auch über den Interessenverband publik machen.

Denn es bleibt wahr: Die Gäubahn muss für die S-Bahn-Verschwenkung zur neuen Station Mittnachtstraße nicht unterbrochen werden. Aber die Bahn und die Stadt Stuttgart haben mit dem Projekt Stuttgart 21 daran ein gewaltiges Interesse und versuchen unbedingt, diese Unterbrechung noch vor der Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs zu erreichen.

Dass der Gäubahnverkehr auf der Panoramabahn bis zum Hauptbahnhof trotz S-Bahn-Anbindung aufrecht erhalten werden kann, das hat die Bahn selbst in einer Studie 2018 auf Machbarkeit überprüft. Es wurde ein eingleisiger und ein zweigleisiger Weiterbetrieb untersucht und dafür 1,5 bis 3 Mio. € an Baukosten ermittelt. Dem Verkehrsministerium ist diese Studie bekannt, aber aus Rücksicht auf die Interessen der Landeshauptstadt hat es diese nie öffentlich bekannt gemacht, sondern die vorn zitierten „Weichmacher“ an die Kommunen der Gäubahn weitergegeben.

Immer wieder wird der Planfeststellungsbeschluss zum Abschnitt 1.5 als Legitimation der Unterbrechung aufgeführt. Aber der Beschluss ist zu diesem Thema sachlich falsch. In den Antragsunterlagen hatte die Bahn ein Bauverfahren beschrieben, das in mehreren (6) Phasen die Gleise der S-Bahn zeitweise mit Rampen über den Damm der Gäubahn führen sollte. So ein Verfahren ist „nur zur Information“ angegeben und kann ohne Planänderung durch einen anderen Ablauf ersetzt werden. Das hat die DB Netz auch so gemacht und es wird keine S-Bahn-Gleise auf dem Damm der Gäubahn und auch keine Rampen geben. Allerdings hat es ein Lageplan in den normativen Teil der Planfeststellung geschafft, in dem sowohl die Rampen als auch der dafür notwendige Rückbau der Gäubahngleise eingezeichnet sind. Aber wenn es keine Rampen braucht, dann braucht es auch keine Unterbrechung der Gäubahn. Das sollte auch das EBA akzeptieren und keine vorsätzliche Zerstörung einer Verbindung des europäischen Bahnnetzes zulassen.

Der Bereich, in dem für die nicht mehr notwendigen Rampen die Gäubahn unterbrochen werden soll, liegt zwischen den Brücken über die Nordbahnhofstraße und über die Ehmannstraße. Dort haben die württembergischen Staats-Eisenbahnen schon 1908 bis 1914 das imposante nördliche Überwerfungsbauwerk errichten lassen. Dieses ist sowohl auf dem Titel als auch auf S. 37 des Buches „Der Stuttgarter Gleisbogen“ abgebildet. Ein Großteil des Bauwerks ist allerdings im Damm für die acht Gleise zum Nordbahnhof verschwunden. Aber dass bei einer solchen Aufschüttung, die 100 Jahre den Bahnbetrieb stabil getragen hat, nun ein Verschwenken der S-Bahn-Gleise weg von der Gäubahn zu schwierigen statischen Problemen führen soll, das glauben nur die, die eine Kappung unbedingt wollen.

Ich bin überzeugt, dass wir mit diesen Argumenten sowohl bei den Kommunen entlang der Gäubahn als auch über die Klage der DUH Gehör finden werden. Wenn es so gelingt, die Gäubahn weiter in unseren Kopfbahnhof zu führen, dann haben wir einen großen Schritt für seinen Erhalt getan. Lasst uns die Gäubahn zum Schlüssel machen fürs „Oben bleiben“!

Rede von Hans-Jörg Jäkel als pdf-Datei

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