Verkehrspolitik der neuen Bundesregierung – aus dem letzten Jahrhundert

Rede von Luigi Pantisano, Stadtplaner und Architekt, Mitglied des Deutschen Bundestages, Die Linke, auf der 755. Montagsdemo am 5.5.2025

Liebe Freundinnen und Freunde,

es ist mir eine große Freude, heute hier bei Euch zu sein – meine erste Rede zu halten – als frisch gewählter Bundestagsabgeordneter für Die Linke und für Stuttgart. Hier am Schlossplatz, in der Nähe des Rathauses, in dem ich vor wenigen Wochen nach neun Jahren als Stadtrat verabschiedet wurde.

OB Nopper hat mich zwar verabschiedet, aber aus der Stuttgarter Politik habe ich mich nicht verabschiedet. Ganz im Gegenteil, ich will mich weiter und noch lauter als Stimme Stuttgarts für ein solidarisches, ökologisches und vielfältiges Stuttgart einsetzen. Und so viel kann ich euch auch versprechen, OB Nopper braucht erst gar nicht durchzuatmen, meine Zwischenrufe wird er auch von hier draußen hören.
Lasst uns OB Nopper an folgendes erinnern: Herr Nopper, sie werden uns nicht los, ob hier auf der Straße oder im Parlament, wir sie aber schon. Spätestens bei der nächsten Wahl.

Liebe Freund*innen, ich wurde auf diesem Platz politisch geschult. Mit Euch zusammen habe ich viele Demonstrationen erlebt und organisiert. Hier auf der Straße und online. Ich bin wirklich stolz darauf, Parkschützer mit der Nummer 10 zu sein. Ich habe von Beginn an mit Euch erlebt, wie wir an den Pranger gestellt und kriminalisiert wurden, wie die Politik uns ausgelacht hat, und die Polizei mit Wasserwerfern und Knüppeln auf uns eingeschlagen hat.

Ich habe aber auch erfahren wie es ist, mit Tausenden von Euch, mit Zehntausenden Woche für Woche auf der Straße zu stehen und der Politik Druck zu machen. Was es bedeutet, eine Massenbewegung auf die Straße zu bringen – die Politik in Schwingung zu bringen. Ich habe erlebt, dass Demonstrationen kreativ sein können und auch Spaß machen. Das wir alle gemeinsam auf der Straße die Politik verändert haben, mehr als es ein Parlament je könnte. Ich bin politisch auf der Straße und in Demos groß geworden. Diese Haltung werde ich in den Bundestag tragen. Als einer von Euch!

Jetzt bin ich seit zwei Monaten gewählt, und so viel ist seither ja nicht passiert. Wir mussten alle wochenlang auf den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD warten. Es gab ja einige, die noch gehofft hatten, dass die Sozialdemokraten diesen Koalitionsvertrag ablehnen. Ich bin wirklich erstaunt, dass es immer noch Menschen gibt, die Hoffnung in die SPD legen. Wir wissen hier auf diesem Platz, dass die SPD maßgeblich mitverantwortlich ist für Stuttgart 21.

Morgen wird Fritze Merz, auf Basis eines Vertrags der Schande, von der SPD zum Kanzler gewählt. Und ich war dabei, als sie den Koalitionsvertrag vorgestellt haben. Voller Arroganz haben Merz, Klingbeil und dieser Clown aus Bayern ihre zutiefst rassistische, unsoziale und klimafeindliche Politik vorgestellt. Mir ist dabei regelrecht schlecht geworden. Denn es ist jetzt schon klar, dass mit dieser Politik Reiche wie die Quandts und Klattens profitieren werden. Hart arbeitende Menschen, Geflüchtete und Familien bekommen vor allem Fußtritte ab von Merz und seiner Regierung.

Sie wollen den Familiennachzug von Geflüchteten aussetzen – eine der ganz wenigen Möglichkeiten einer legalen Flucht. So wie auch die Einreise von Menschen aus Afghanistan und anderen Krisengebieten. Auch sie sollen nicht mehr kommen. UND diese Regierung aus Managern und Reichen will das unsoziale Bürgergeld noch weiter verschärfen. Menschen in Armut sollen noch ärmer werden. Ein Leben in Würde ist dann für viele nicht mehr drin, es geht dann nur noch ums Überleben in einem kalten Land.

Mit dieser unmenschlichen Politik wollen sie die rechtsextreme AfD kleinkriegen. Die Faschisten hingegen können die Korken knallen lassen. Nach aktuellen Umfragen sind sie mittlerweile die stärkste Partei. Um es klar zu sagen: wer auf Hass und Diskriminierung mit Ausgrenzung und sozialer Kälte reagiert, trägt zur Normalisierung des Faschismus bei. Die Enthaltung der SPD im letzten Bundestag zu einem Verbotsantrag der AfD ist dabei ein weiteres historisches Versagen der Sozialdemokraten.

Die Gefahr des Faschismus ist real und muss politisch wie juristisch bekämpft werden. Die Linke steht als einzige Partei – ohne Kompromisse – an der Seite der Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft. Für eine bezahlbare und klimafreundliche Mobilität, statt für Milliardenprojekte wie Stuttgart 21, die nur einigen wenigen da oben zu Gute kommen. Für einen Mietendeckel, der für Jung und Alt das Wohnen bezahlbar macht. Und als Partei des Friedens, lehnen wir Aufrüstung und Krieg ab.

Neben all diesen Plänen, die das Leben von Geflüchteten, Armen und Beschäftigten erschweren werden, wollen CDU und SPD bei der Klimapolitik und insbesondere bei der Mobilitätswende zurück in die Vergangenheit. Das ist eine Vergangenheit, an die ich mich als Kind gut erinnern kann. Ich habe an einer stark befahrenen Straße in Waiblingen gewohnt. Hohe Feinstaub- und Stickoxidwerte haben meine Atemwege so sehr belastet, dass ich schon bei kleinen Anstrengungen Asthmaanfälle hatte.

Als Jugendlicher habe ich schon für einen kostenlosen Nahverkehr demonstriert. Vor 30 Jahren stand ich mit anderen Jugendlichen das erste Mal in Waiblingen auf der Straße und habe Autos an Kreuzungen angehalten für eine klimagerechte Mobilität. Und seither hat sich wenig bis nichts geändert. Der Anteil an Autos im Verkehr ist gestiegen, und die Preise im Nahverkehr steigen und steigen. Gleich geblieben ist, dass dieselben abgehobenen Politiker, die den Verkehr nur durch die Windschutzscheibe des Fahrdienstes kennen, weiterhin eine Mobilitätswende blockieren. Das ist im Bund und im Land dasselbe. Da haben die Grünen auch kaum was erreicht. Kretschmann sorgt sich mehr um die Gewinneinnahmen der Aktionäre von Daimler, als um das Wohlergehen all derjenigen, die jährlich wegen Feinstaub sterben. Und so macht die neue Regierung da weiter, wo die bisherigen aufgehört haben. Sie erhöhen die klimaschädliche Pendlerpauschale – gegen die Empfehlung des Umweltbundesamts. Das Fahren mit dem Auto wird weiter finanziell günstiger gemacht und gefördert.

Das Deutschlandticket als eines der wenigen guten Projekte der Ampelregierung soll zwar bleiben, aber zu einem viel zu hohen Preis. Für eine Familie mit 2 Kindern und Kosten für ein Deutschlandticket von 58 Euro und einem Jugendticket BW von fast 40 Euro sind das fast 200 Euro im Monat. Das ist eindeutig zu teuer und schafft keine sozial gerechte Mobilität.

Damit setzt sich ein weiteres Muster dieser Regierung auch beim Verkehr fort, teure und klimaschädliche Subventionen für Reiche, statt Investitionen in den Klimaschutz und Entlastung der Menschen für eine klimagerechte Mobilität.

Nicht einmal die einfachsten und günstigen Maßnahmen bekommen sie hin. Beim Tempolimit auf Autobahnen und in Städten gibt es wieder kein Vorankommen. Wir bleiben weiterhin das einzige Land in Europa, in dem ohne Sinn und Verstand auf der Autobahn gerast werden darf. Die Mehrheit der Menschen ist seit langem für ein Tempolimit – aber die Autolobby setzt sich in Berlin und auch in Stuttgart mal wieder durch.

Oder wie unser grüner Ministerpräsident sagen würde: „Meine S-Klasse isch ja ned für die rechde Schbur gebaut.“ Tja, seine S-Klasse vielleicht nicht, aber seine Partei fuhr mal auf der linken Spur und ist jetzt so weit rechts, dass ihr rechter Seitenspiegel an der Leitplanke kratzt.

Richtig dünn wird es im Koalitionsvertrag dann für den Rad- und Fußverkehr. Immerhin hat es für einen einzigen Satz gereicht: „Den Rad- und Fußverkehr werden wir als Bestandteil nachhaltiger Mobilität stärken und fördern.“ Angesichts 441 Fahrradtoter im letzten Jahr ist das nicht nur äußerst einfallslos, sondern auch sehr gefährlich für unsere Sicherheit.

Große Geländewagen, SUVs und neuerdings noch größere RAM-Trucks haben in Städten nichts verloren. Leidtragende dieser unsinnigen Autos sind meist Frauen und Kinder, die sich häufiger zu Fuß durch die Stadt bewegen. Am Olgaeck ist eine 46-jährige Frau gestorben und 5 Kinder wurden verletzt. In Esslingen ist eine Mutter mit ihren zwei Kindern auf dem Gehweg überfahren worden und in der Folge gestorben.

Ich sage es, wie es ist, für diese Toten trägt auch eine verfehlte Verkehrsplanung von Städten die Verantwortung. Und darüber hinaus eine Bundespolitik, die dem fließenden Verkehr von Autos den Vorrang gibt, statt für die Sicherheit von zu Fuß Gehenden und Radfahrer*innen zu sorgen. Ich fordere die Umsetzung eines generellen Tempo 30 in Städten. Das würde die Sicherheit von zu Fuß gehenden und Radfahrer*innen sofort erhöhen.

In einem Punkt hat diese Regierung dann doch erstaunlich konkrete Pläne vorgelegt. Sie wollen unbedingt das Verbandsklagerecht verändern. Umweltverbände und Bürgerinitiativen sollen zum Schutz des Klimas nicht mehr so einfach klagen können. Die Verachtung der CDU gegenüber einer kritischen Zivilgesellschaft, wie ihre 500 Fragen zu Organisationen wie „Omas gegen Rechts“ deutlich machen, hat nun also auch die SPD erreicht. Sie begründen dieses Vorhaben mit schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren. In Berlin glauben sie wohl, dass wir alle verblödet sind und nicht sehen, was wirklich dahinter steckt? Es ist doch klar, dass Sie beispielsweise die Deutsche Umwelthilfe daran hindern wollen, gegen die Bundesregierung zu klagen! Ich bin dankbar über jede Klage von Jürgen Resch und der Deutschen Umwelthilfe für eine konsequente Klimapolitik. Diese Tritte in den Hintern der Regierung sind nötig! Sie wollen uns mundtot machen, aber das Gegenteil werden sie erreichen, und wir als Die Linke im Bundestag und in Stuttgart stehen an eurer Seite.

Wir als Linke Baden-Württemberg stehen auch an eurer Seite im Kampf für die Erhaltung der Gäubahn. Jetzt sind die Grünen seit über 10 Jahren an der Macht im Land, sie stellen den Minischderpräsidenten und den Verkehrsminister und dann wollen sie die Gäubahn vom Hauptbahnhof abkappen. Ja, die Grünen sind maßgeblich dafür verantwortlich. Denn machen wir uns nichts vor – und ich sag das als jemand, der eine große Nähe beispielsweise zu den Grünen in Konstanz hat. Dort sind sie zwar gegen eine Kappung, die Grünen hier in Stuttgart befürworten sie. Und wie ihr wisst, begründen sie die Gäubahnkappung mit dem Bau des Rosensteinquartiers. Weil dort ja angeblich die ganzen günstigen Wohnungen versteckt sind, die Stuttgart wirklich dringend braucht. Blöd nur, dass mit dem neuen Allgemeinen Eisenbahngesetz, dem die Grünen und auch die SPD im Bund zugestimmt haben, der Bau von Wohnungen auf dem Gleisvorfeld nicht mehr erlaubt ist. Wieder zeigen alle mit dem Finger auf die anderen und keiner will es gewesen sein.

Eins kann ich Euch versichern, ich werde mich im Verkehrsausschuss des Bundestags entschlossen gegen eine Änderung des AEG einsetzen. Das Gleisvorfeld bleibt! Die Gleise bleiben! Der Kopfbahnhof bleibt!

Wir bleiben hier und wir bleiben oben!

Rede von Luigi Pantisano als pdf-Datei

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