Neues Milliardengrab Pfaffensteigtunnel – nichts gelernt aus Stuttgart 21! Stuttgart-Rosenstein am Wohnungsbedarf vorbeigeplant!

Rede von Dipl.-Ing. Frank Distel, Schutzgemeinschaft Filder e.V. und Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, auf der 774. Montagsdemo am 22.9.2025

Liebe mitengagierte Obenbleiber, liebe Freunde,

heute stehe ich hier in absoluter Fassungslosigkeit – mit meinem empörten Zorn über die Ignoranz der Entscheidungsträger bei Bahn und Politik!

Die Zustimmung des Bundestags zum Haushalt 2026 legalisiert zumindest durch das Öffnen der Tür zur Finanzierung des bahnbetrieblich absurden Pfaffensteigtunnels den Gipfel der missbräuchlichen Verwendung von Steuermitteln. Um die Finanzierung durch den Bund zu verdeutlichen, liebe Zuhörer: für die Finanzierung von Verkehrsinfrastrukturprojekten durch den Bund ist eine seriöse Nutzen-Kosten-Berechnung erforderlich. Dieser Quotient muss mindestens einen Wert über 1,0 ergeben, um Zugang zum Bundesverkehrswegeplan zu erreichen. Das heißt, der Nutzen muss die Kosten übersteigen.

Um nun beim Pfaffensteigtunnel dies so „hin-zu-rechnen“, hat die Bahn schamlos und im Wissen um diese betrügerische Untreue übel getrickst. Man hat den Pfaffensteigtunnel einfach zum Nordabschnitt des zweigleisigen Ausbaus der Gäubahn erklärt. Dazu folgendes:

  1. Man dichtet dem Pfaffensteigtunnel den Nutzen des zweigleisigen Ausbaus ab Horb nach Süden an, obwohl dieser Tunnel bahnbetrieblich nicht das Geringste damit zu tun hat! Er ist, wie sich zweifelsfrei bereits aus der Finanzierungsvereinbarung von 2009 ableiten lässt, allein deshalb ein Projekt von Stuttgart 21, weil dort die unsinnige Führung der Gäubahn über den Flughafen verankert und mehrfach gerichtlich bestätigt wurde.
  2. Man lässt den Pfaffensteigtunnel anteilig vom Güterverkehr auf dem südlichen Teil der Gäubahn profitieren, obwohl nie ein einziger Güterzug durch diesen Tunnel und erst recht nicht durch den Bahnhof am Flughafen fahren wird. Dies ist besonders scharf zu verurteilen, weil diese Manipulation der Nutzen-Kosten-Berechnung mit angeblichem Güterverkehr schon bei der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm öffentlich in der Kritik stand. Schlafen die im Bundestag eigentlich – oder spielen sie diese üblen Tricksereien bewusst mit?
  3. Über 3 Milliarden Euro für heute gerade mal täglich zwischen 70 und 90 Fluggäste von insgesamt über 5.000 täglichen Fahrgästen der Gäubahn – die haben den Verstand verloren, liebe Zuhörer! Der Nutzen-Kostenfaktor des Pfaffensteigtunnels allein dürfte damit kaum den Wert 0,3 erreichen. Also weit entfernt von der Finanzierung durch den Bundeshaushalt!

Wer, liebe Mitstreiter, steckt eigentlich hinter diesen veruntreuenden Missbräuchen von Steuermitteln, fragt man sich – und warum stellen sich unsere Presseorgane nicht längst diese Frage?

Ich will und darf hier nichts öffentlich behaupten, was ich nicht beweisen kann. Aber, ich sage klipp und klar: wenn eines Tages öffentlich bekannt würde, dass Entscheidungsträger bei Bahn und Politik auf Zuwendungslisten der Tunnel-Lobby stehen, dann würde mich das nicht im Geringsten wundern! Anders lassen sich diese Veruntreuungen von Steuermitteln mit unzulässigen Rechentricks eigentlich nicht mehr schlüssig erklären.

Also, meine Damen und Herren der Presse, recherchieren Sie doch einfach mal! Klopfen Sie auf die Büsche, dann fällt auch Ungeziefer unten raus! Wecken Sie die Entscheidungsträger in Bundestag und Regierungen endlich mal auf, wie es sich für eine Presse gehört, die kritisch auf Ungereimtheiten in der Politik blicken sollte!

Die Kosten des Pfaffensteigtunnels betragen nach aktueller Auswertung gebauter Tunnelstrecken mindestens 3 Milliarden Euro. Daran ist nicht zu rütteln. Wenn man im Verlauf der Planungs- und Bauzeit von 10 Jahren bei den jährlichen Abschlagszahlungen die Baupreisindices hinzurechnet, was die Kalkulationstrickser der Bahn leider nie tun, dann werden daraus am Ende rund 3,5 Milliarden, bewusst vorsichtig gerechnet. Es kann also noch teurer werden!

An dieser Stelle habe ich in unserem gemeinsam mit Dieter Reicherter verfassten Brief an den neuen Bundesminister für Verkehr einen Paradigmenwechsel zur Finanzierung des Gesamtprojekts ins Spiel gebracht: Die Forderung von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil ist bekannt, wonach alle Ressorts, also auch das Bundesverkehrsministerium, Einsparvorschläge zu unterbreiten haben. Beim Verkehrsministerium springen dabei sofort der Pfaffensteigtunnel und der Nordzulauftunnel ins Auge: das wären rund 7 Milliarden Euro Einsparung insgesamt für den maroden Kernhaushalt des Bundes über 10 Jahre Bauzeit gerechnet, liebe Mitstreiter! Geht man im Kernhaushalt, also ohne Sondervermögen von jährlich 14 Mrd. für Verkehrsinvestitionen aus, dann sind das jedes Jahr ungefähr 5% der Verkehrsinvestitionen des Bundes!

Hinzu kommt die fachlich längst gesicherte Erkenntnis, dass der nur 8-gleisige Tief-/Schiefbahnhof noch nicht einmal den heutigen Fahrplan in vergleichbarer Betriebsqualität bewältigen kann. Von der Verdoppelung der Bahnnachfrage ab 2030 ganz zu schweigen und erst recht von einer langfristigen Zukunftstauglichkeit des Bahnknotens. Dieser schwerwiegende Mangel ist durch keinen Wahnsinnstunnel und auch durch keine Digitalisierung zu kompensieren, sondern ausschließlich mit dem Erhalt des Kopfbahnhofs, hilfsweise mit mindestens 10 oberirdischen Gleisen im Sinne einer Kombilösung à la Zürich Hauptbahnhof.

Hier kommt nun der Sonderfonds „Infrastruktur“ ins Spiel, der just für die Sanierung der maroden Bestandsinfrastruktur vorgesehen ist. Der Bund möge – anstelle der 7 Mrd. Euro aus dem in schweres Fahrwasser geratenen Kernhaushalt – rund 1,5, höchstens 1,8 Milliarden Euro für die Sanierung des Kopfbahnhofs und der Panoramastrecke einsetzen. Mehr kostet das nicht, liebe Zuhörer, auch nicht bei sperrungsfreiem Bauen unter rollendem Rad! Dieser Sonderfonds ist nämlich ausdrücklich nicht für Neubauvorhaben vorgesehen – wovon einige Proler träumen, schon gar nicht für solch bahnbetrieblich absurde Wahnsinnstunnel – sondern für die Sanierung der maroden Bestandsstrecken!

Was geschah mit unserem Brief an Herrn Schnieder? Anscheinend nichts, zumindest nicht vor der Haushaltsentscheidung, was wir eigentlich erhofft hatten. Der Brief war dem Bundesminister für Verkehr – jedenfalls bis jetzt – nicht mal eine Antwort durch einen Referenten wert!

Liebe Freunde und Mitstreiter, so geht man nicht mit Bürgern um, die sich fachlich durchdacht mit konstruktiven Vorschlägen engagieren! Diese Politiker, liebe Freunde, dürfen sich über die weiter grassierende Politikverdrossenheit in unserem Lande nicht wundern und noch weniger über das irrationale Erstarken der rechtsextremen, völkisch verseuchten AfD!

Stuttgart 21 steht leider stellvertretend für die viel zu vielen verhängnisvollen Beispiele politischer Fehlentscheidungen, die viele Wähler irrational abstimmen lassen.

Steht jetzt womöglich noch eine erneute Fehlbesetzung des Bahnvorstands auf der Agenda? Ich befürchte es. Geben wir aber der Dame mal eine Chance, schlage ich heute vor. Grundsätzlich gehören an die Spitze der Bahn und in die zweite Führungsebene Bahnfachleute anstatt abfindungsheischende ehemalige Automanager und abgehalfterte Politiker, liebe Freunde. Am besten wäre eigentlich die Auflösung der gesamten DBakel AG und Übertragung des deutschen Bahnbetriebs an die Schweizer SBB, wenn das möglich wäre!

Zurück zum Thema nach meinem Ausflug in die Politik: Die schieren bahnfachlichen und sicherheitstechnischen Mängel des Pfaffensteigtunnels sind Euch schon häufiger vorgetragen worden, zuletzt von meinem Freund Steffen Siegel vor zwei Wochen. Deshalb erspare ich Euch an dieser Stelle Wiederholungen.

Fazit: der Erhalt oberirdischer Bahngleise ist unabwendbar, um chaotische Zustände im künftigen Bahnknoten zu verhindern. Klar ist damit auch, dass die Finanzierungsvereinbarung dringend geändert werden muss – und zwar ohne absurde Führung der Gäubahn über den Flughafen!

Was folgt daraus für das Städtebauprojekt der Stadt Stuttgart?

  1. Da der Erhalt der oberirdischen Gleise nicht zu vermeiden ist, greift § 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes – sogar in seiner ursprünglichen Fassung. Dies erfordert, dass das Eisenbahnbundesamt und die Politik endlich die schwarz, rot und auch grün lackierten Bretter vor ihren Köpfen entfernen. Die Gleise werden für Bahnbetrieb weiter benötigt, ergo kann dort keine Bebauung stattfinden – Punkt und Basta!
  2. Die Stadt müsste städtebaulich neu planen und dabei Bahnbetrieb und Wohnungsbau zusammen denken. Das Europaquartier ist völlig ausgeschlossen, denn es liegt exakt auf den dringend benötigten heutigen Kopfgleisen. Die in Planung befindliche Aufstellung des Bebauungsplans ist daher ein ganz perfider Schritt der Stadt Stuttgart, möglichst rasch vollendete Tatsachen gegen den Erhalt oberirdischer Gleise zu schaffen.

Liebe Freunde, wenn es nicht gelingt, im Rahmen des Bürgerbegehrens die 20.000 Unterschriften Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger zusammen zu bekommen, dann könnte es zappenduster werden mit dem Erhalt der so wichtigen oberirdischen Gleise.

  1. Was bleibt der Stadt? Nun, die „Maker City“ könnte auch mit Erhalt oberirdischer Gleise realisiert werden. Das „Rosensteinquartier“ müsste um mindestens 1/3 reduziert werden, um zwischen erhaltenem Bahnbetrieb und Wohnungen geeignete städtebauverträgliche Lärmschutzvorkehrungen zu treffen. Dies gilt allerdings nur, wenn endgültig geklärt ist, dass der heutige Abstellbahnhof nicht mehr benötigt wird. Dies bezweifle ich nach wie vor! Außerdem müsste ein Reststädtebau des „Rosensteinquartiers“ deutlich weniger verdichtet und höhenreduziert werden, um stadtklimatisch wenigstens einigermaßen im Einklang zu sein. Dann aber wird der Städtebau dort für die Stadt noch viel unwirtschaftlicher!
  2. Nach meiner Überzeugung, die auch zwischen den Zeilen der Begutachtung durch das städtische Umweltamt herauszulesen ist, müsste aus stadtklimatischen Gründen jegliche Bebauung auf dem dortigen Kaltluftentstehungsgebiet des Abstellbahnhofs unterlassen werden.
  3. Die Stadtverantwortlichen müssen endlich die nackten Zahlen zur Kenntnis nehmen. Dies gilt für die viel zu hohen Kosten für die Bereitstellung der Bauflächen und der öffentlichen Infrastruktur der drei Quartiere. Es gilt aber auch für die unzureichenden mittleren Wohnungsgrößen für Familien mit Kindern, die ich Euch schon auf der 729. Montagsdemo mit durchschnittlich 68 m² vorgerechnet habe. Bei einem gesunden Wohnungsmix mit einem angemessenen Anteil an 4- und 5-Zimmerwohnungen sind es sogar noch unter 60 m². Familiengerechte Wohnungen sind das gewiss nicht, liebe Freunde! Bei einem wahrscheinlichen Szenario mit vergleichsweise zahlreichen Ein-Zimmer-Wohnungen zwischen 20 und 30 m² könnten die 2-und 3-Zimmerwohnungen vielleicht 80 m² im Durchschnitt erreichen, aber mit dann viel zu wenigen Wohnungen für Familien mit Kindern. Am Ende wäre bei vielen Kleinst- und weniger familiengerechten Wohnungen die geplante Vielzahl von Kitas, Kindergärten und Schulen aller Art fehlgeplant. Insoweit ist das ganze Projekt Rosenstein nicht zu Ende gedacht.
  4. Bleiben wir mal beim Beispiel einer noch familiengerechten 80 m²-Wohnung. Ich rechne bei den Bau- und Grundstückskosten der Innenstadtlage ohne Förderung mit einer Marktmiete von 25, vielleicht sogar 30 Euro/m². Das bedeutet mindestens 2.000 Euro Kaltmiete für 80 m²! Wer soll diese astronomische Miete auf bezahlbare 12 bis 13 Euro/m², also ungefähr 1.000.- € kalt herunter subventionieren? Die Stadt mit ihrem maroden Haushalt nach den Steuerausfällen von Mercedes, Porsche und Bosch gewiss nicht! Die Bauträger sicherlich auch nicht – die wollen Geld verdienen! Im Eigentumsbereich würde eine 80 m²-Wohnung in dieser Innenstadtlage zu einem marktüblichen Kaufpreis von rund 1 Million Euro plus Kaufnebenkosten führen. Abgesehen davon, dass in erster Linie Mietwohnungen förderfähig sind, wird auch kaum ein Gutbetuchter in Stuttgart für eine solch kleine Wohnung unverhältnismäßige 1,1 Millionen Euro auf den Tisch legen. Auch Reiche können rechnen.

Die Lösungen des Wohnungsbedarfs der Stadt führen über die fünf verfügbaren Industrie- und Gewerbebrachen sowie über die Aktivierung der über 11.000 leerstehenden Wohnungen. Das ist viel billiger und schneller! Vor allem, wenn die Stadt endlich die Rückabwicklung des Kaufs der Gleisgrundstücke ins Blickfeld nimmt. Die Stadtkassen bekommen einen warmen Geldregen und sichern für die Stadt die Finanzierbarkeit von Wohnprojekten in den genannten Brachen. Mehr noch: die Stadt sichert sich langfristig ihre finanzielle Zukunft. Mit „Rosenstein“ wird diese massiv gefährdet, liebe Zuhörer!

Abschließend: Der künftige Bahnknoten wird mit oberirdischen Gleisen langfristig leistungsfähiger, sicherer, vor allem resilient gegen Störungen – und – wir bleiben wenigstens teilweise oben, liebe Freunde!

Ich danke Euch fürs Zuhören.

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