Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
als eine der Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens „Bahnhof mit Zukunft“ wende ich mich direkt an Sie mit der Aufforderung, jegliche Behinderung des Bürgerbegehrens durch Sie und die Ihnen unterstellte Stadtverwaltung zu unterlassen und stattdessen Bürgerinnen und Bürger der Stadt, denen Sie Ihr Amt verdanken, bei der Wahrnehmung demokratischer Rechte zu unterstützen.
Wie Sie wissen, richtet sich das Bürgerbegehren gegen einen Beschluss des Gemeinderats, dessen Vorsitzender Sie sind. Die Stadtverwaltung, deren Chef Sie sind, hat in diesem Stadium keine Mitwirkungsrechte. Denn Rechte und Pflichten ergeben sich direkt aus Paragraf 21 der Gemeindeordnung. Demnach hat der Gemeinderat erst nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren zur Vorbereitung des dann anstehenden Bürgerentscheids seine Auffassung darzulegen. Aufgabe der Stadtverwaltung bei einem Bürgerbegehren ist es hingegen, die Vertrauenspersonen zu unterstützen. Nur so kann die rechtsstaatlich geforderte Gewaltenteilung bewahrt werden.
Die noch während des laufenden Bürgerbegehrens vorgesehene Vergabe durch den Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik für die Freiraum- und Erschließungsplanung will hingegen ohne jede Not vollendete Tatsachen schaffen und untergräbt somit die Zielsetzung des Bürgerbegehrens.
Weitere Maßstäbe für das Verhalten von Amtsträgern bei Bürgerbegehren ergeben sich aus den Entscheidungen zur Volksabstimmung über die Beteiligung des Landes am Projekt Stuttgart 21 im Jahr 2011 wieder, die Ihnen sicher im Gedächtnis sind. Schon damals mussten sich Aufsichtsbehörden damit befassen, dass Amtspersonen und Mandatsträger sich unter Verstoß gegen ihre rechtlichen Verpflichtungen in den
Abstimmungskampf eingemischt hatten. Nach den damaligen Richtlinien des Landes
durften bei Meinungsäußerungen keine Mittel oder Symbole wie z.B. ein Briefbogen
oder Wappen verwendet werden. Nichts anderes kann bei einem Bürgerbegehren
gelten.
Nach diesen Maßstäben steht es Ihnen vor Abschluss des Bürgerbegehrens nicht zu, in die Abstimmung einzugreifen und ein faires basisdemokratisches Verfahren zu unterlaufen. Genau das erfolgt aber mit einseitigen öffentlichen Stellungnahmen durch Sie und Ihre Verwaltung z.B. auf der offiziellen Homepage der Stadt, in der in einem Zitat von Ihnen vor angeblich negativen Konsequenzen eines erfolgreichen Bürgerbegehrens gewarnt wird.
Besonders befremdet uns, dass die Stadtverwaltung sich laut eines Berichtes im Staatsanzeiger gemein macht mit Lobbyverbänden aus Industrie und Handel, Bau-, Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sowie Haus- und Wohnungseigentümern. Ulrich Wecker vom Verein „Haus und Grund“ hat Bürgerinnen und Bürger, welche sich in ihrer Freizeit für eine basisdemokratische Abstimmung einsetzen, als „Ewiggestrige“ geschmäht. Ausgerechnet mit ihm hat Frau Ines Aufrecht, bei der Stadt zuständig für das Projekt, unser Bürgerbegehren erörtert und damit als parteiische Propagandistin für Lobbyisten gedient.
Abschließend fordere ich Sie eindringlich auf, Ihren Verpflichtungen als Stadtoberhaupt gerecht zu werden und sich weitere Verstöße gegen das Gebot von Objektivität und Neutralität nicht mehr zu erlauben.
Mit freundlichen Grüßen
Hannes Rockenbauch