Es bleibt dabei: Bahnflächen müssen Bahnflächen bleiben!

Rede von Luigi Pantisano, Stadtplaner und Architekt, Mitglied des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestags, Die Linke, auf der 761. Montagsdemo am 23.6.2025

Liebe Freundinnen und Freunde für den Erhalt des Kopfbahnhofs und für Klimagerechtigkeit,

als ich vor ein paar Wochen das letzte Mal hier auf der Bühne gestanden bin, habe ich Euch versprochen, mich entschieden gegen eine Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes einzusetzen. Und kaum bin ich im Bundestag, steht nun genau diese Änderung an. CDU und SPD haben einen Antrag eingebracht, damit es wieder möglich ist, Wohnungen auf ehemaligen und bestehenden Gleisflächen zu bauen. Damit soll der Weg auch für den Bau des Rosensteinquartiers freigemacht werden. Das ist falsch! Wir sagen Nein! Bahnflächen müssen Bahnflächen bleiben!

Meine zweite Rede im Bundestag habe ich genau gegen diesen Antrag der Black-Rot-Regierung gehalten. Von allen Parteien wurde dazu gesprochen. Allesamt haben sie Stuttgart 21 als wichtigen Grund genannt, warum sie das AEG wieder ändern wollen. Tja – und fast alle haben sie keine Ahnung von Stuttgart 21.

Der eine wohnt auf der Schwäbischen Alb, die andere irgendwo im Ruhrpott und nochmal jemand in Norddeutschland. Mit einer Ausnahme, auch der uns bekannte Grüne Matthias Gastel hat gesprochen. Bei ihm hatte ich auf ein paar kritische Worte zur Änderung des AEG und zu Stuttgart 21 gehofft. Viele Grüne engagieren sich ja zum Erhalt der Gäubahn, und die Grünen sind im Bundestag jetzt auch wieder in der Opposition. Was aber hat Matthias stattdessen zu Stuttgart 21 gesagt? Ich zitiere ihn aus seiner Rede im Bundestag: „Weder der eine noch der andere Entwurf ist eine Lex Stuttgart 21. Es geht um hunderte anderer Fälle, überwiegend um Wohnungsbau, die werden geregelt. Stuttgart 21 ist ein Sonderfall. Und hier ist politisch dazu zu sagen, dass auch Stuttgart 21 Entwicklungspotenziale bieten muss.“

Ja, Ihr habt richtig verstanden, auch die Grünen im Bundestag sind für den Abbau von Gleisflächen zur Entwicklung von Wohnraum.
Und die Grünen wären nicht die Grünen, wenn sie nicht noch einen Satz hinzufügen würden, um das bis dahin Gesagte in Frage zu stellen und auch um weitere Verwirrung zu stiften. So ergänzt dann auch Matthias folgenden Satz: „Es muss möglich sein, mehr Züge zu fahren als heute und als mit Stuttgart 21 möglich. Deswegen muss es darum gehen, dass ergänzende Infrastruktur geschaffen wird und damit die Gäubahn nicht abgehängt wird.“

Hä? Habt Ihr das verstanden? Also ich nicht. Was denn nun? Sollen die Gleisflächen vom Stuttgarter Hauptbahnhof erhalten bleiben, oder doch abgerissen werden für Wohnungsbau.

Daher habe ich ein paar einfache Frage an die Grünen, die sie mit Ja oder Nein beantworten können: Soll der oberirdische Kopfbahnhof erhalten bleiben? Sollen die oberirdischen Gleisflächen zum Kopfbahnhof erhalten bleiben? Soll die Gäubahn weiter durchgehend von Singen zum Stuttgarter Kopfbahnhof einfahren dürfen? Ja oder Nein? Und bitte mit einer einzigen Stimme reden. Wir haben nichts davon, wenn die Grünen in Konstanz überall Ja sagen und die Grünen in Stuttgart überall Nein.

Es braucht endlich Klarheit, wofür ihr liebe Grüne steht. Steht ihr auf der Seite der CDU und SPD oder steht ihr hier mit uns auf diesem Platz für den Erhalt der Gäubahn und des Kopfbahnhofs? – Und kleiner Tipp von mir: Beides geht nicht!

Wir haben als Linke einen Änderungsantrag eingebracht, in dem wir fordern, dass weiterhin auch Bahnexpert*innen vor einem Abbau von Bahnflächen angehört werden sollen. Für unseren Antrag wird es sicher keine Mehrheit geben. Wir werden als Linke einer Änderung des Eisenbahngesetzes nicht zustimmen.

Liebe Freund*innen, lasst uns hier auch weiter auf der Straße gemeinsam für eine klimagerechte und soziale Verkehrspolitik kämpfen. Gemeinsam mit Euch allen.

Eines habe ich in den ersten drei Monaten im Bundestag ziemlich schnell verstanden. Politiker*innen – egal welcher Partei – vergessen mit dem ersten Schritt in den Bundestag sehr schnell, wer sie dort hingebracht hat und für wen sie dort sitzen. Ziemlich schnell verkleiden sich auch jene, die eigentlich mal hier bei uns standen, mit Schlips und Anzug.

Ich will Politik anders machen, mich nicht in abgehobenen parlamentarischen Diskussionen verlieren, sondern auf der Straße etwas bewegen und den Druck in das Parlament tragen. Wie das geht, beweist Ihr hier seit Jahren. Keine Schweinerei, keine Lüge und kein Fehler bleiben durch Euch geheim. Wir wollen daher als Linksfraktion, dass der Verkehrsausschuss des Bundestags künftig öffentlich tagt und die Sitzungen ins Netz übertragen werden. Und weil es endlich auch beim Gesamtbetrieb der Deutschen Bahn im Aufsichtsrat eine echte Kontrolle braucht, wollen wir als Opposition endlich einen Sitz haben. Es muss Schluss sein Stümperei und Betrug!

Liebe Freundinnen und Freunde, die Deutsche Bahn muss endlich reformiert werden. Weg von der irrsinnigen Aktiengesellschaft, hin zu einer echten Bürgerbahn, die dem Gemeinwohl und uns Bürger*innen verpflichtet ist.

Seit Jahrzehnten steckt die Bahn in einer tiefen Krise, seit Jahren baut sie Bahnflächen ab statt auszubauen. Laut einem Bericht der Monopolkommission für den Wettbewerb auf Bahnflächen sind seit den 1990er Jahren rund 68.000 Weichen und Kreuzungen abgebaut worden. Übrig sind noch 64.000. Mehr als die Hälfte aller Weichen und Kreuzungen wurden abgebaut. Weichen und Kreuzungen sind notwendig, damit beispielsweise ein Zug über ein anderes Gleis ausweichen kann, wenn vor ihm ein Zug liegen bleibt. Wie oft seid Ihr schon in der Bahn gesessen und es hieß in der Durchsage, dass „aufgrund eines vor uns liegenden Zuges sich die Weiterfahrt verzögert.“ Tja eine Weiche mehr hier oder da wäre ganz hilfreich, um so einen Zug zu überholen.

Abgebaut wurden diese Weichen und Kreuzungen, weil eine Sanierung zu teuer gewesen wäre. Also reißt man das alte Zeug einfach raus. Und was sagt die Monopolkommission? Ein gleichzeitiger Anstieg von Bahnfahrten auf einer immer kleiner werdenden Infrastruktur führt zu Konflikten im Bahnverkehr – eigentlich ganz logisch. Scheint, dass diese Logik bei der Deutschen Bahn und in der Bundespolitik nicht vorhanden ist.

Das Bahnfahren ist für uns alle eine Katastrophe. Erst vor Kurzem bin ich auf der schönen Gäubahnstrecke nach Konstanz gefahren. Nichts als Verspätungen und Zugausfälle. Die Kinder saßen auf dem Boden, die Eltern zurecht völlig entnervt. Und ein Kind sagt zu seiner Mutter einen Satz, den ich in meiner Rede im Bundestag schon zitiert habe, weil er mir nicht mehr aus dem Kopf geht: „Mama, das nächste Mal fahren wir mit dem Auto.“

Diese Aussage eines Kindes ist ein Armutszeugnis für die Bahnpolitik der letzten Jahre. Und unnötige Prestigeprojekte wie Stuttgart 21 und ihre Horrorbaustellen, statt der Sanierung von beispielsweise Weichen und Stellwerken sind Ausdruck dieser völlig verfehlten Bahnpolitik.

Es ist also ganz klar: Jeder stillgelegte Meter Schiene muss wieder reaktiviert werden! Denn wir brauchen viel mehr Schienen und nicht weniger. Schienen wurden oft stillgelegt, weil sie sich ökonomisch für eine Aktiengesellschaft Deutsche Bahn nicht gerechnet haben, zum Beispiel Verbindungen in ländliche Gebiete.

Aber als Linke sagen wir: Mobilität darf nicht an den Gewinnen für Aktionäre und Manager ausgerichtet werden. Mobilität ist ein Grundrecht und muss für alle zugänglich sein. Wer also lieber das Geld in irre Projekten wie S21 versenkt, handelt gegen die Interessen der eigenen Fahrgäste und gegen das Klima.

Eine Deutsche Bahn, die Mobilität an den Profiten für die private Wirtschaft misst, geht den völlig falschen Weg. Einen völlig intakten Bahnhof abzureißen, statt zu renovieren, ist Ausdruck dieser kranken Privatisierungspolitik.

Die Änderung des Eisenbahngesetzes ist somit ein Geschenk an zwei ganz bestimmte Gruppen: Zum einen an die Autolobby wie Daimler und Porsche. Denn wer Bahnflächen zurückbaut, zwingt die Menschen, wieder mit dem Auto zu fahren. Oder wie sollen die Menschen sonst zukünftig auf der Gäu­bahn­strecke von Konstanz in die Stadt Stuttgart reinkommen?

Und hier in Stuttgart, ist es ein besonderes Geschenk an die Wohnbaumafia. CDU und SPD versuchen, ihre Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes damit durchzudrücken, dass sie den Mangel an bezahlbarem Wohnraum gegen den Bedarf von Schieneninfrastruktur ausspielen.

Wir hier alle wissen, dass es ein bitter erkämpftes Versprechen aus der Schlichtung war, dass die Flächen des Rosensteinquartiers in städtischer Hand bleiben. Was wir aber auf Versprechen in Bezug auf Stuttgart 21 geben können, wisst Ihr alle: nichts und wieder nichts!

Verkehrsminister Herrmann und Minischderpräsident Kretschmann sind die letzten der damals Verantwortlichen, die noch im Amt sind. Wenn Stuttgart 21 irgendwann einmal fertig sein wird, sind sie das auch schon lange nicht mehr. Ein Versprechen ohne Verantwortliche wird nichts wert sein. Zudem ist schon jetzt klar, dass die Stadt nicht einmal die zwei Milliarden Erschließungsaufwand stemmen kann. Am Ende wird das Rosensteinquartier der Wohnbaumafia zum Fraß vorgeworfen. Im Kalabrien reiben sie sich schon die Hände.

Für die große soziale Wohnungskrise in unserer Stadt werden Wohnungen, die vielleicht in 20 Jahren auf dem Rosensteinquartier entstehen, überhaupt nichts ändern. Familien können sich die Mieten heute nicht mehr leisten. Eine Krankenpflegerin oder Erzieherin findet schon heute keine bezahlbare Wohnung in Stuttgart. Laut neuesten Ergebnisses ist Stuttgart die viert teuerste Stadt für Mieterinnen und Mieter, und daran müssen wir jetzt etwas ändern!

Wir als Linke fordern daher einen bundesweiten Mietendeckel, der die Mieten jetzt senkt und das Leben wieder bezahlbar macht. Und wir müssen die rund 11.000 leerstehenden Wohnungen in Stuttgart wieder beleben.

Es ist also mich und für uns klar: Bahnflächen müssen Bahnflächen bleiben! Und damit bleibt auch der Kopfbahnhof und auch die Gleise bleiben.

Und deshalb sage ich es ganz deutlich: Wir bleiben hier – und wir bleiben oben!

Danke!

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