Rede von Johanna Tiarks, Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat ‚Die Linke SÖS Plus', auf der 779. Montagsdemo am 27.10.2025
Liebe Freund*innen,
es ist eine politische Entscheidung, dass unsere Kommunen in Baden-Württemberg chronisch unterfinanziert sind. 90 Prozent der Kommunen in Baden-Württemberg sind verschuldet, und wir können davon ausgehen, dass die Zahl weiter steigt. Auch Stuttgart wird sich zu dieser Zahl von über 1000 Kommunen in den nächsten Jahren dazugesellen.
Und das, angesichts der aktuellen gewaltigen Herausforderungen. Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Die Stimmung gegen arme Menschen wird aufgeheizt von rechten Parteien, indem die Sanktionen beim Bürgergeld verschärft werden. Und das mit existentiellen Folgen: Jedes dritte Kind ist von diesen Sanktionen betroffen, und die Hälfte der Eltern muss regelmäßig auf Essen verzichten, damit die Kinder satt werden.
Die Klimakatastrophe schreitet voran, und die Klimaanpassung ist politisch gerade ein „nice to have“.
In dieser Situation werden die Kommunen von Bund und Land systematisch im Stich gelassen. Immer mehr Aufgaben werden an die Gemeinden weitergereicht, ohne dass dafür die kommunalen Gelder erhöht werden. Ein Beispiel ist das Bundesteilhabegesetz. Dringend notwendig, um die Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen zu stärken. Aber – es wird vom Land nicht ausreichend refinanziert – und wir bleiben auf den Kosten sitzen.
Die Steuereinnahmen – vor allem die Gewerbesteuer – gehen zurück, und das führt bei uns in der Kommune letztendlich zu einer unlösbaren Aufgabe. Wir brauchen endlich eine ausreichende kommunale Finanzierung, damit wir in den sozialen Zusammenhalt, in den Klimaschutz und in bezahlbaren Wohnraum investieren können. Und klar ist, dafür braucht es eine Umverteilung von den Überreichen hin zur Gesamtgesellschaft.
Ein Milliardär verdient durchschnittlich zwei Millionen Euro pro Tag. 3.300 Superreiche besitzen 23 Prozent des Vermögens in Deutschland. Statt die öffentlichen Haushalte kaputt zu sparen, müssen Überreiche endlich in die Verantwortung genommen werden! Deshalb sind wir auch Bündnispartnerin bei „Kommunen am Limit“, das von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di initiiert wurde.
Und was schon absurd ist – die Grünen Baden-Württemberg sind im Bündnis auch mit dabei! Dabei ist es gerade ihr Finanzminister Bayaz, der das Geld im Säckel lässt und die Kommunen aushungert. Und hier in Stuttgart machen die Grünen ein Haushaltsbündnis mit der CDU!
Allein das, was Merz in letzter Zeit vom Stapel gelassen hat, lässt einen fassungslos zurück. Immer dann, wenn man glaubt, es kann nicht schlimmer werden, setzt er nochmal eins drauf. Ihr habt sicherlich alle die unsägliche Stadtbildaussage von Merz mitbekommen. Er hetzt gegen Migrant*innen und Geflüchtete und untermauert seine Aussage dann auch noch damit, dass die Töchter schon wissen würden, von was er redet.
Man nennt das übrigens Femonationalismus. Merz instrumentalisiert Frauenrechte für eine rassistische, nationalistische, sexistische und extrem rechte Agenda, die insbesondere muslimische Männer stigmatisiert. Damit hat er seinen Rassismus also gleich nochmal untermauert!
Aber eines stimmt, wir wissen als Töchter ganz genau, was die Probleme unserer Gesellschaft sind: Die Gewalt, die von Männern in dem anscheinend „sicheren“ Zuhause ausgeübt wird. Fast jeden Tag ein Femizid. Eine immer patriarchalere und rassistischere Gesellschaft! Dank AfD und einer CDU, die munter AfD-Inhalte groß macht!
Und da ist es schon besonders absurd, dass die Grünenspitze in Stuttgart mit der CDU ein Haushaltsbündnis macht. Damit rücken die Grünen ohne Not nach rechts und machen sich im Stuttgarter Rathaus zum Steigbügelhalter für eine offensichtlich nach Rechtsaußen gerückte CDU-Politik. Eigentlich hätte man das verhindern können. Es gibt eine ökosoziale Mehrheit im Gemeinderat. Aber, die Grünenspitze hat sich dagegen entschieden. Ich bin mal gespannt, wie die Basis der Grünen damit umgehen wird.
Das, was Oberbürgermeister Nopper jetzt als Sparhaushalt vorgelegt hat, ist unausgewogen, gefährdet den sozialen Zusammenhalt und damit auch die Demokratie. Gerade die Kürzungen im sozialen Bereich, wie beispielsweise auch die Erhöhungen der Kitagebühren, sind ein verheerendes Signal in die Stadtgesellschaft.
Die Grünen haben nun gemeinsam mit der CDU auch ihren Haushalt vorgelegt. Die beiden wollen die Kitagebühren nun nicht ganz so drastisch erhöhen und verkaufen das dann als Reduzierung und Entlastung der Familien – und glauben wahrscheinlich, dass die Stuttgarter*innen auf diesen „Prank“ reinfallen. Ich glaube ja nicht.
Dabei haben solche Sparpläne politische Konsequenzen. Für Frauen, die eh schon weniger verdienen, lohnt es sich dann kaum noch, arbeiten zu gehen. Und als weitere Konsequenz droht den Frauen Altersarmut und Abhängigkeit. Aber nicht nur das. Die Mütter sind verzweifelt, und rechtsextreme Kräfte sehen diesen Anknüpfungspunkt, um sich den Betroffenen anzubiedern. Und dafür haben die AfDler auch gleich ein passendes Angebot. Ein überkommenen Rollenmodell – Frauen zurück an den Herd. Und das, obwohl über diese Erhöhung gar nicht wirklich viel eingenommen wird. Deswegen lehnen wir jegliche Erhöhungen der Kita- und Betreuungsgebühren ab!
Wir haben uns entschieden, in diesem Haushalt eine Mischung aus Umverteilung, Anträgen mit Lenkungswirkung und Entlastungen zu beantragen. Auf der Einnahmenseite wollen wir die Gewerbesteuer auf Münchner Niveau anheben – das bringt uns jährlich ca. 166 Millionen Euro, Großprojekte sollen gestrichen oder verschoben und verkleinert werden.
Außerdem wollen wir mit einem Bürger*innenhaushalt mit verbindlichem Bürger*innenbudget verlorengegangenes Vertrauen in die Kommunalpolitik wieder herstellen.
Aber klar ist, ohne die Mitarbeiter*innen funktioniert in einer Kommune überhaupt nichts. Deswegen wollen wir die Stuttgart-Zulage für die Beschäftigten nicht kürzen! Aber die Bürgermeister*innen – als Top-1-Prozent der am besten Verdienenden – sollen auf ihre Zulage vollständig verzichten. Leider können wir das für OB Nopper und den 1. Bürgermeister Fabian Meyer nicht beantragen. Von denen fordern wir aber, dass auch sie ihr Gehalt kürzen. Und zwar freiwillig! Gerade die beiden sollten als gutes Beispiel voran gehen!
Die Gewerbesteuererhöhung gibt uns ausreichend Spielraum, um gerade den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Dazu gehört für uns, dass der Erfrierungsschutz für Kinder und Familien in den Haushaltsentwurf gehört. Wir wollen Menschen dabei unterstützen, wieder in die Krankversicherung zu kommen, und wir haben die notwendigen Mittel für die Wohnungslosennotfallhilfe beantragt. Aber auch der Gewaltschutz für Frauen muss sichergestellt werden. Dafür haben wir die Sicherstellung des autonomen Frauenhauses beantragt.
Wir wollen einen Innenentwicklungs-Turbo starten, um z.B. endlich das EnBW-Areal am Stöckach zu entwickeln. Wir wollen den Büroleerstand bekämpfen und diesen in bezahlbaren Wohnraum umwandeln. Dafür wollen wir alles Personal aus der Abteilung Rosenstein abziehen. Ich würde sagen, das brauchen wir wirklich nicht mehr an dieser Stelle. Vor allem, nachdem wir so erfolgreich Unterschriften gesammelt haben. Die sollen sich dann besser und sinnvoller der Umsetzung von leistbarem Wohnraum widmen! Und wir haben zusätzliche Stellen beantragt, um den Leerstand zu bekämpfen. Wir wollen auch, dass die Stadt das ehemalige Statistische Landesamt am Erwin-Schoettle-Platz kauft und auch dort bezahlbare Wohnungen realisiert.
Die Anwohner*innen-Parkgebühren sollen aus unserer Perspektive deutlicher als im Verwaltungsvorschlag steigen. Damit können wir es uns leisten, dass Kinder zwischen 0 und 14 Jahren künftig in Stuttgart umsonst und ohne Fahrschein im ÖPNV unterwegs sind.
Klar ist, es darf grundsätzlich beim Fuß- und Radverkehr nicht gespart werden. Aber – der Autoverkehr mit seinen Budgets kann natürlich deutlich weniger werden. Hat den eindeutigen Vorteil – weniger Baustellen – weniger Staus.
Die Schleyerhalle darf nicht abgerissen werden, bei der Sanierung der Villa Berg wollen wir reduzieren und bei der Opernsanierung kann auch gespart werden.
Den Klimakiller Flughafen braucht es aus unserer Perspektive gar nicht mehr. Dann kann man die 105 Millionen Euro aus dem Haushalt für den klimaneutralen Flughafen auch gleich wegstreichen.
In der Kultur führen die Kürzungen bei etlichen Institutionen zu einer Existenznot. Und das gerade bei den Projekten, die innovativ sind und aktuelle Diskussionen aufnehmen. Das ist Kulturkampf von rechts, wenn gerade politisch kritische Projekte gekürzt werden. Das wollen wir verhindern. Vor allem, weil es sich im Gegensatz zu manch anderem um geringe Beträge handelt. Auch das Reallabor für das Haus der Kulturen muss erhalten bleiben.
Im Gegensatz zu den Jahren davor erkennen wir an, dass weniger finanzielle Mittel im Haushalt zur Verfügung stehen, und haben mit unseren Anträgen beispielhaft versucht, auf die soziale und klimapolitische Schieflage aufmerksam zu machen. Wohingegen die CDU doch – ohne Witz – Gelder für den traditionsreichen Faschingsumzug und die Stadtgarde zu Pferde beantragt. Soweit – so absurd.
Um ihre Anträge zu finanzieren, gehen CDU und Grüne dann noch davon aus, dass irgendeine Bundesförderung im Bereich des Klinikums für weniger Ausgaben sorgt, und wir als Stadt dann weniger fürs Klinikum ausgleichen müssen. Sie können die Bundesförderung aber weder benennen, noch deren Höhe beziffern. Das ist schon finanzpolitisches Harakiri.
Im Gegensatz dazu haben wir mit der Erhöhung der Gewerbesteuer ausreichend Spielraum, um noch weiteren kommenden Kürzungen entgegen treten zu können.
Trotzdem brauchen die Kommunen in Zukunft eine andere, auskömmliche Finanzierung. Wir brauchen einen Ausbau der sozialen Infrastruktur, wir müssen der Klimakatastrophe entgegentreten und wir brauchen ausreichendes Personal mit fairen Löhnen!
Dafür fordern wir gemeinsam mit dem Bündnis „Kommunen am Limit“ eine Vermögenssteuer und einen höheren Anteil an den Gemeinschaftssteuern.
Deswegen lasst uns alle gemeinsam am 8.11. um 12:00 Uhr in der Lautenschlagerstrasse zur Kundgebung „Kommunen am Limit“ gehen!
Es geht um unsere Lebensbedingungen, unsere Demokratie und unsere Zukunft. Es ist genug Geld für alle da – es ist nur ungerecht verteilt!
Lasst uns daher gemeinsam, laut und solidarisch deutlich machen, dass es um Lebensqualität für Alle, statt um Luxus für Wenige geht!






