Rede von Dr.-Ing. Hans-Jörg Jäkel, Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 und Vorsitzender des Gäubahnkomitees Stuttgart, auf der 783. Montagsdemo am 24.11.2025
Das Projekt Stuttgart 21 wurde beim Start zum Symbol für die Zukunftsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland hochstilisiert, aber nach ständigen Kostensteigerungen und Terminverschiebungen eignet es sich jetzt eigentlich nur noch für das Kabarett und bissige Kommentare. Die Deutsche Bahn hat bei ihren Projektpartnern, also Land, Region und Stadt Stuttgart und auch beim Bund ihre Glaubwürdigkeit komplett verloren, so dass es in diesem Jahr sicher noch einen zweiten außerplanmäßigen Sonderlenkungskreis geben wird. Trotzdem werden im Projekt jeden Tag weiterhin mehr als 2 Millionen Euro „verbuddelt“. Die Absage der Teileröffnung des Tiefbahnhofs im Dezember 2026 durch die neue Chefin der Deutschen Bahn, Frau Palla, ist richtig und war zu erwarten. Aber neben neuen Kosten und Terminen muss es doch personelle, strukturelle und eigentlich auch moralische Konsequenzen geben. Das möchte ich heute darstellen.
Beim letzten regulären Lenkungskreis am 24.10.2025 wurde die Deutsche Bahn durch Herrn Drescher, den Vorsitzenden der Geschäftsführung der PSU (Projekt Stuttgart Ulm) vertreten. Sein Bericht hat bei den Partnern die Zuversicht auf die Eröffnung im Dezember 2026 so gesteigert, dass sie in der anschließenden Pressekonferenz des Lobes voll waren und die Harmonie der Sitzung mit großen Worten hervorhoben. Wenn sich nach weniger als vier Wochen dann herausstellt, dass der Bericht falsch bzw. geschönt war, dann kann das doch nur zur Entlassung bzw. zum Rücktritt dieses Geschäftsführers führen. Mit ihm sollte dann auch der Geschäftsführer Technik, Herr Pradel, eine neue, von ihm beherrschbare Aufgabe erhalten, denn beide haben neben den Terminverschiebungen auch die Mehrkosten von 7 Milliarden Euro, die die Bilanz der DB belasten, entscheidend zu verantworten.
In der PSU gibt es aber noch weitere Herren, die an der Entgleisung des Projekts zu einer Lachnummer entscheidend mitgewirkt haben. Da ist der Leiter der Inbetriebnahme, Herr Dr. Bitzer zu nennen. Die Glaubwürdigkeit seiner Informationen ist nahezu Null. Auch der für die Ausreizung der digitalen Leit- und Sicherungstechnik bis sprichwörtlich zur letzten Sekunde maßgebliche Herr Reinhart und der gut bekannte Leiter der Kommunikation, Herr Hamann, sollten dringend personelle Konsequenzen ziehen.
Aber nicht nur bei der DB, sondern auch bei den Projektpartnern muss die Entwicklung von Stuttgart 21 zur Lachnummer dringend Konsequenzen haben. Das Verkehrsministerium ist seiner Verantwortung für die „kritische und konstruktive Begleitung“ nicht gerecht geworden, obwohl dort die Sachinformationen vorliegen. In einer Podiumsdiskussion konnte Minister Hermann gefragt werden, wieso er sich bei der kurzfristigen Baustellenplanung von der DB erpressen lasse. Die Antwort war überraschend und enttäuschend. Die Zeiten der Erpressung seien vorbei, jetzt arbeite man im Lenkungskreis vertrauensvoll bei der Lösung der Probleme zusammen.
Das Aktionsbündnis hatte vor etwa einem Jahr die Gelegenheit, mit OB Nopper ein Gespräch über die Probleme von Stuttgart 21 zu führen. Auf widersprüchliche Informationen der DB und die verlorene Glaubwürdigkeit angesprochen, fragte er seinen zuständigen Mitarbeiter etwa so: „Haben wir Anlass, die Glaubwürdigkeit der DB anzuzweifeln?“ Die fast schon für das Kabarett geeignete Antwort lautete: „Nein Herr Nopper, dafür sehe ich keinen Grund“.
Beim Verband Region Stuttgart hat der Direktor für Wirtschaft und Infrastruktur (seit 23 Jahren), Herr Dr. Wurmthaler, bereits die Konsequenzen gezogen und geht zum Jahresende, also ein Jahr vorfristig, in den Ruhestand. Auch er hat bei Stuttgart 21 immer wieder jede Kritik zurückgewiesen und die in seiner Verantwortung liegende S-Bahn zum Sanierungsfall werden lassen.
Die Berichterstattung über Stuttgart 21 in den Medien, also insbesondere beim SWR und bei den Stuttgarter Zeitungen, ist zwar kritischer geworden, aber immer noch von der Unterstützung des Projekts geprägt. So haben sich deren Reporter in der Pressekonferenz nach der bereits erwähnten Lenkungskreissitzung im Oktober trotz negativer Erfahrungen eben nicht mit kritischen Nachfragen zum Projekt hervorgetan, sondern mit Nebelkerzen wie der Dachbegrünung des Bahnhofs und der Bildung einer neuen Landesregierung beschäftigt.
Die Absage der Eröffnung im Dezember 2026 durch Frau Palla ist auch kein schwarzer Tag für die Bahnfahrer in Stuttgart, sondern eine ehrliche Anerkennung der Realität des Projekts. Der SWR hatte in den vergangenen Monaten dem Geschäftsführer der PSU auch mehrfach die Möglichkeit zu einer zumindest „kritikarmen“ Präsentation geboten – seine Haltung zu ungedeckten Mehrkosten von 7 Milliarden wurde nicht hinterfragt. Ebenso verharmlosen Formulierungen wie „Aufwände zur Digitalisierung deutlich unterschätzt“ die Fehlplanung der DB. Es ist halt so, wie Walter Sittler formulierte: „Der SWR ist eben der SWR“.
Neben den ausführlich dargestellten personellen Konsequenzen sollte auch für die PSU mit ihrer Sonderstellung in der Struktur des DB Konzerns die Konsequenz gezogen werden, dass Stuttgart 21 in das dafür zuständige Netz, also die DB InfraGO, eingegliedert wird. Damit verliert ebenso die bisher von der PSU verantwortete Planung für den Pfaffensteigtunnel ihre Sonderrolle gegenüber den restlichen Aufgaben bei Erhaltung und Ausbau der Bahn.
Ein funktionierender Kopfbahnhof mit den bestehenden Anbindungen nach Feuerbach, Bad Cannstatt und Vaihingen und einem direkt angeschlossenen Abstellbahnhof macht aus der katastrophalen Planung eines Nahverkehrsdreiecks wieder das, was wir seit mehr als 100 Jahren haben – einen Stuttgarter Stern mit dem Kopfbahnhof als Zentrum. Die ständigen Baustellenplanungen für das bisher mit einer Sonderrolle ausgestattete Projekt Stuttgart 21 würden dann durch die Einbindung in die DB InfraGO sicher auch deutlich begrenzt.
Der schlimme Zustand von Stuttgart 21 sollte auch die Politiker in Bund, Land, Stadt und Region zum gründlichen Nachdenken bringen – möglichst auch zu „moralischen“ Konsequenzen für sich selbst. Wie oft haben sie in den letzten Jahren die Versprechen der DB unbesehen nachgeplappert und sogar noch vorauseilend verstärkt, obwohl es meist mit dem gesunden Menschenverstand möglich war, zu einer kritischen Sicht zu kommen. Da denke ich nur an das Gesundbeten von nur 8 Gleisen, die angeblich besser als 16 seien. Verschobene Termine und erhöhte Kosten wurden mitgetragen, ja die DB immer wieder ermuntert und sogar aufgefordert, das Projekt trotz fehlender Wirtschaftlichkeit fortzuführen.
Die Notwendigkeit von Konsequenzen aus der Entartung von Stuttgart 21 zur Lachnummer, das zeigt deutlich ein Zitat von Minister Hermann aus den ersten Monaten von 2025: „Wer so weitermacht, der braucht keinen neuen Bahnhof, weil dann keiner mehr Zug fährt“.
Damit wir weiter Zug fahren können, brauchen wir den Kopfbahnhof, die Panoramastrecke der Gäubahn und eine funktionierende S-Bahn, und deshalb:
Oben bleiben!






