Rede von Matthias von Herrmann bei der 201. Montagsdemo

Rede von Matthias von Herrmann bei der 201. Montagsdemo am 9.12.2013 (Langfassung)

Ort der Montagsdemo

Wir erinnern uns: Im Juni 2013, pünktlich zur 175. Montagsdemo, wechselte der Ort der Montagsdemo vom Marktplatz zum Bahnhof. Auf dem Marktplatz waren wir über ein Jahr lang –OB-Kandidat Sebastian Turner war gescheitert, nun war es wieder an der Zeit, den Bahnhof, die blauen Rohre und all die Zerstörung hier ins Blickfeld zu nehmen.

Damals meldete das Demoteam die Montagsdemo hier auf dem Arnulf-Klett-Platz an, von Juni bis Ende Dezember 2013. Das Ordnungsamt wusste also seit Juni 2013, dass während des Weihnachtsmarkts die Montagsdemo vor dem Hauptbahnhof angemeldet ist – wie auch schon in den Jahren 2010, 2011 und 2012.

Das Ordnungsamt lud nun sehr überraschend vorletzten Donnerstag die Versammlungsleiterin der Montagsdemos zu einem Kooperationsgespräch ein. Dieses Gespräch wurde mit der Botschaft von Odnungsbürgermeister Schairer eröffnet, er wolle während des Weihnachtsmarktes keine Montagsdemos vor dem Bahnhof. Diese Äußerung passt insofern ins Bild, als die CDU-Fraktion schon im September im Gemeinderat einen Antrag stellte, der im Grunde darauf abzielte, uns Montagsdemonstranten und S21-Kritikern das Leben schwer zu machen – wir nerven die S21-Freunde halt doch ganz gewaltig.

Ein Moratorium der Montagsdemos aus politischen Gründen kam für uns nicht in Frage. Daraufhin informierte Bürgermeister Schairer direkt nach dem Kooperationsgespräch die Medien, dass er die Montagsdemo hier verbieten werde. Den Ablehnungsbescheid für den Arnulf-Klett-Platz bekamen wir erst am Montag Nachmittag zugestellt – die Presse hatte das Wochenende schon tüchtig über das Ende der Montagsdemos spekuliert.

Wichtig zu wissen ist: es ging nur um die drei Demo-Montage während dem Weihnachtsmarkt, also heute, am 16. und am 23. Dezember. Die Montagsdemo am 30.12., die ebenfalls seit Juni angemeldet ist, stand nie zur Disposition.

Nun zu den vorgebrachten Argumenten der Stadt:

Die Montagsdemos lösen angeblich ein riesiges Verkehrschaos in Stuttgart aus. Schauen wir uns dazu jedoch die Verkehrsdaten des Navi-Herstellers TomTom an: Da sieht die Situation in Stuttgart ganz anders aus: Diese Daten stammen von Fahrzeugen, die in Stuttgart im Stau stehen, basieren also auf der Realität und nicht auf politischen Zielen. Diese Daten sagen: Dienstag früh und Donnerstag Abend sind die schlimmsten Stautage. An Montagen ist der Stau in Stuttgart nicht schlimmer als an allen anderen Wochentagen. Stuttgart steht sogar auf Platz 12 der 59 schlimmsten Staustädte in ganz Europa! Stuttgart braucht eine gute Verkehrsplanung statt Demoverbote!

Die Montagsdemos blockieren angeblich 6.500 Bus-Fahrgäste, 17 Haltestellen würden nicht angefahren, 30 Busfahrten fallen angeblich aus. Das hört sich gewaltig an, erschreckend. Doch uns gegenüber hat die SSB vor dem Umzug zum Bahnhof das Thema ganz anders dargestellt: Alle Fahrgäste erreichen ihr Ziel, hieß es damals. Die Busse fahren nur den Hbf nicht an, es gibt überall Straßenbahnverbindungen, die man alternativ nehmen kann, bis man seinen Bus an einer anderen Haltestelle bekommt, die mobilen Fahrgastbetreuer in den gelben Westen helfen gestrandeten Fahrgästen hier am Bahnhof. Auch das klingt überzeugend.

Die Wahrheit liegt vermutlich dazwischen, viele Busfahrgäste haben sich an die montägliche Umsteigerei rund um den Bahnhof gewöhnt, fluchen aber trotzdem innerlich. Wir sollten den Ärger dieser Menschen nicht leichtfertig wegwischen und wir sollten uns von der CDU kein X für ein U vormachen lassen.

Und dann das dritte Argument: Die Umsätze des Einzelhandels in der City geht montags ab 17:30 dramatisch zurück, weil die Menschen fluchtartig die Stadt verlassen - oder zur Demo gehen? Reden wir doch mal von den 2.000 bis 3.000 Demonstranten, von denen viele vor oder nach der Demo noch einkaufen gehen, sich in einem Cafe treffen, VVS-Tickets lösen. Oder reden wir gleich von einer völlig verfehlten Standort-Politik in Stuttgart, wo ein Carree ums andere gebaut wird und die etablierten Geschäfte in der Innenstadt darunter leiden. Hier sollen wir S21-Kritiker als Sündenböcke herhalten für den ausbleibenden Konsum.

Wir haben am vergangenen Donnerstag Eilantrag beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht, um zu erreichen, dass das Gericht den Ablehnungsbescheid der Stadt aufhebt und die Montagsdemo wie angemeldet hier auf dem Arnulf-Klett-Platz statt finden können. Das Verwaltungsgericht hat unserem Eilantrag entsprochen. Die Stadt legte Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim ein, doch dies ist bis zur Stunde nicht entschieden. Daher gilt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass die heutige Montagsdemo hier statt finden darf.

Wo wir im neuen Jahr demonstrieren, muss eine politische Frage sein. Wir müssen das als gesamte Bewegung politisch diskutieren, nicht mit Trotz. Also: wo liegt unser politischer Ansatz nächstes Jahr? Ist es weiterhin der Bahnhof? Oder ist es der Gemeinderat, der Ende Mai gewählt wird? Sind es die beiden Bürgerbegehren, die im Frühjahr im Gemeinderat eingebracht werden?

Lassen Sie uns diese Entscheidung ohne Trotz und ohne Groll gegen die Stadt entscheiden, lassen Sie uns dies unter politischen Gesichtspunkten entscheiden.

Oben bleiben!

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2 Antworten zu Rede von Matthias von Herrmann bei der 201. Montagsdemo

  1. Peter - es gibt nur den einen! sagt:

    Der Kern unseres Anliegens ist der Erhalt bzw. der Ausbau, die Sanierung des Kopfbahnhofs und die Wiedereröffnung des Mittleren Schloßgartens. Die politische Einflussnahme (auf Landtagswahlen, Kommunalwahlen, Bürgermeisterwahlen usw.) ist, streng genommen, immer nur Mittel zum Zweck und ist bei Leibe nicht einhellig in der Bewegung verankert.
    Wenn auch in den Anfängen die Demos am Nordausgang (ich will das dort ein großer Baumkreis als neuer Platz mit dem Namen „Mahnwache“ angelegt wird) stattfanden, ist doch unser Anliegen heute am Südausgang verortet, zwischen Südflügel und Mittlerem Schloßgarten.
    Da aber der KFZ-Verkehrsfluss durch die Schillerstraße an den Montagabenden sich offensichtlich schon auf unsere jetzigen Demos eingestellt hat und die elenden Taxifahrer nur noch mehr Fluchen würden, wenn wir zum Südausgang wechseln würden, plädiere ich hiermit – von wegen „müssen wir politisch diskutieren“ – für weitere Monate/Jahre AKP, so wie die letzten Monate, wie gestern.

    Was aus meiner Sicht viel mehr politisch diskutiert werden müsste, ist dieser ekelhafte montägliche Aufmarsch paramilitärischer Kräft in dunkelblauen Kampfanzügen im Bahnhof. Wie man an Schairer sieht sind wir es (die Gundrechtevertreter), die vor der S21-Mafia und deren staatlichen Helfershelfer geschützt werden müssten. Diese vollkommen sinnlose Verschwendung von Millionen an Steuergeldern mit denen sich die Mafia nahezu jeden Montag im zum Bunker umgebauten Bahnhof verschanzt, muss ein Ende haben. Außer den SSB-Helfern braucht es bei den Montagsdemos wirklich niemanden.

    Und dann ist da noch das uralte, aber grundrechte-politische Thema: Demos im Bahnhof – so wie die wöchentlichen Demos im Frankfurter Flughafen. Schon mehrfach wurde gerichtlich festgestellt, dass ein Bahnhof ein öffentlicher Ort ist, in dem selstverständlich Demos stattfinden dürfen. Und wenn – selten genug – DBAG-Mitarbeiter streiken, dürfen auch Demos im Bahnhof stattfinden. Mein Angebot an Schairer: jeden ersten Montag im Quartal findet die Demo im Bahnhof statt, ansonsten Ecke Schiller-/Lautenschlager.

    Und wenn wir gerade schon beim kommunalpolitischen Diskurs angelangt sind: ich will dass die gesamte Arnulf-Klett-Passage ebenerdig zur Straße „Am Schloßgarten“ in einen wieder errichteten Südflügel umzieht mit Cafés bei der neu zu errichteten runden Redebühne mit Muschel-Halb- oder Vierteldach und, dass der Platz mit dieser Bühne „Schwarzer Donnerstag“ genannt wird. Danach wird der KFZ-Verkehr (inkl. Taxis) unter die Schillerstraße verlegt und die Schillstraße selbst, zwischen Wagenburgtunnel und Heilbronner Straße, vom KFZ-Verkehr befreit mit ebenerdigem, autofreiem Zugang zu unserem Kopfbahnhof – der AKP wird dann in „Montagsdemos“ umbenannt.

    Aus den drei Plätzen, „Mahnwache“, „Schwarzer Donnerstag“ und „Montagsdemos“, wird klar ersichtlich um was es bei den Montagsdemos geht: um den Kopfbahnhof dazwischen, um das Zurückdrängen staatlich genannter mafiöser Gewaltherrschaft, um ein Ende des Raubrittertums zumindest in Stuttgart, um den (wieder) öffentlichen Raum in Stuttgart, um die Stuttgarter Polis. Das ist der Ort für die Montagsdemos.

    Oben bleiben!

  2. martin mueller sagt:

    Du (Sie ) sprichst mir aus der Seele!!!

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