Knasttraining – was soll das?

Diese Frage hat uns per Mail erreicht:

"Liebe Kopfbahnhöfler,
ich verzweifle noch am Wochenaktionsflyer!! Nachdem nun endlich wieder die Nachteile hintendrauf sind ... erwischt mich fast der Schlag, als ich das Knasttraining gelesen hab`. [...] Was soll das? Ist diesmal also wieder nichts mit Austeilen!
Oder wollt ihr den bürgerlichen Widerstand ausgrenzen?"

Da diese Frage vielleicht noch den einen oder die andere beschäftigt; hier mal eine Antwort darauf:

Liebe ...,
es gibt Menschen, die ihre Bußgelder und Strafen für gewaltfreie politische Aktionen – wie z.B. die Nordflügelbesetzung, die Baggerbesetzung am Nordflügel, Baumbesetzungen im Schlossgarten, Ankettaktionen etc. – aus Prinzip nicht abbezahlen oder abarbeiten möchten, sondern – als aus ihrer Sicht konsequente Fortführung ihres politischen Engagements – "absitzen" wollen. Dabei reden wir von Gefängnisaufenthalten, die im Normalfall unterhalb von 90 Tagen liegen – und damit noch keine Vorstrafe bedeuten. Bei den bisherigen Prozessen in Stuttgart gegen gewaltfreie, politische AKtivisten waren Strafen zwischen 10 und 30 Tagessätzen üblich. Wer sich entscheidet, eine solche Strafe abzusitzen, hat also entsprechend einen Gefängnisaufenthalt von 10 bis 30 Tagen vor sich. Da ein solcher Aufenthalt natürlich jede Menge neue - und durchaus unangenehme – Erfahrungen mit sich bringt, ist es sinnvoll, sich darauf umfassend vorzubereiten. Daher das Training.

Wenn man sich an politischen gewaltfreien Aktionen wie den oben genannten beteiligt, gehört dazu, dass man zu diesen Aktionen steht und die entsprechenden staatlichen und rechtlichen Sanktionen in Kauf nimmt, ggf. eben nicht in Form eines Bußgeldes, sondern in Form eines Gefängnisaufenthaltes. Das ist Teil der Aktionen! Ich habe in Gesprächen und durch die ausdrückliche Solidarität für Aktivist(inn)en bei Demonstrationen, den Aktionen selbst und den folgenden Prozessen immer den Eindruck, dass diese gewaltfreien politischen Aktionen vom sogenannten "bürgerlichen"* Widerstand ausdrücklich begrüßt und mitgetragen werden. Warum durch die Ankündigung eines Knasttrainings der bürgerliche Widerstand "ausgegrenzt" werden sollte, leuchtet mir daher nicht ein.

* "bürgerlich" hier mal benutzt als Synonym für Menschen im Widerstand, die sich nicht selbst an Blockaden und anderen Aktionen Zivilen Ungehorsams beteiligen.

Nachtrag: Abgesehen davon bleiben auch Menschen, die wegen anderem als wegen gewaltfreier politischer Aktionen im Knast sitzen, Bürgerinnen und Bürger!

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13 Antworten zu Knasttraining – was soll das?

  1. Ohne die breite, bürgerliche Mehrheit geht bei unserem Widerstand gegen S21 gar nichts.
    Und diese vielen billig und gerecht denkenden Bürger denken beim Gedanken an Knast an „Wer einmal aus dem Blechnapf fraß!“,- und halten ein Knasttraining als etwas, was sie bei Terroristen vermutet hätten,- aber nicht dort, wo sie auch bei den Demos, per Button oder im Herzen zugehörig fühlen, nicht im gewaltfreien Widerstand gegen S21.

    Die Menschen unter uns, die bisher die Terminblättchen verteilten, und an Ladentüren von Bäckereien, etc. kleben durften,- die verteilen diese Blätter ja zumeist nicht an erklärte, „in der Wolle gefärbte“, aktive Widerständler, – nein, sie verteilten sie bisher an ganz normale Menschen auf der Straße,- Menschen, deren Stimmen, ja, deren Spenden wir dringend brauchen. Solange auf der Rückseite des Terminblättchens gute Argumente gegen S21 waren, konnten sie den Menschen so ohne Zusatzaufwand ein paar Infos mitgeben. Oder in manchen Fällen sogar selbst die Rückseite des Blättchens als Spickzettel in der Diskussion mit Unwissenden benutzen.

    Drum ist es auch meiner jahrzehntelangen Erfahrung nach so, daß Inhalte wie „Knasttraining“, etc. draußen bei den normalen Menschen schlechte Presse für uns machen.

  2. Claudia sagt:

    Hätte er nur auf positive Presse gehofft, wäre heute manches anders: http://de.wikipedia.org/wiki/Nelson_Mandela

    Nicht bange machen lassen!

    Der 1934 erschienene „Blechnapf“ hatte eher wenig mit Widerstand gegen sinnlose Großprojekte zu tun: http://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Fallada

  3. Schwabe sagt:

    Ziviler Ungehorsam – Gewaltfreier Widerstand.

    ….Der Ungehorsame nimmt dabei bewusst in Kauf, auf Basis der geltenden Gesetze für seine Handlungen bestraft zu werden…..
    Diese Menschen zu beraten und ihnen zur Seite zu stehen ist wohl selbstverständlich.
    Wenn du eine gute Presse willst dann werde Stuttgart 21 Beführworter. 😉

    • Hana sagt:

      Ja, Schwabe, das ist natürlich selbstverständlich. Für Dich, für mich und auch für viele andere, die aktiv im Widerstand sind.
      Aber trotzdem hat Heinz Recht mit dem, was er sagt. Es macht auf die „Normalbürger“ keinen guten Eindruck. Kannste doof finden, is aber trotzdem so.

      • Abnormalbürger sagt:

        Umso wichtiger ist es, die „Normalbürger“ zu informieren und aufzuklären. Der „Normalbürger“ hält nämlich auch jeden Muslim für einen potentiellen Terroristen und glaubt dass nur Kinderschänder gegen Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren sind. Kurz: der „Normalbürger“ ist leider ziemlich schlecht informiert und lebt in einer paranoiden Angstblase, die es zum Platzen zu bringen gilt.

      • Ingrid Merglen sagt:

        „Knasttraining“ :der Begriff hört sich erstmal für Otto Normalbürger merkwürdig an.Natürlich.Warum?Wer will schon in den Knast?und sich auch noch darauf vorbereiten?
        Daß so ein Wille zum Zivilen Ungehorsam(als bewußter Entschluß) da wirkt und eben Folge der bewußt in Kauf genommenen Strafe ist-ja,das ist in unserem Ländle gewöhnungsbedürftig…
        Am Zivilen Ungehorsam scheiden sich die Geister.Spätestens,wenn die Verurteilungen der 700-1000 Straftäter/innen vom20.6. anstehen,wird der Zivile Ungehorsam mit seinen Konsequenzen auch auf dem Prüfstand stehen.
        Man wird sehen,wie „die bürgerliche Mitte“ reagiert,die außerhalb des Geländes zugeschaut hat…Ob die 700-1000 dann gemeinsam „im Knast aussitzen“?

        • Abnormalbürger sagt:

          Nee is klar. Die werden jetzt 1000 Leute einknasten. Sicher.

        • EP sagt:

          an Zivilen Ungehorsem, Gewalt und Nötigung scheiden sich nicht nur die Geister sondern auch die Gerichte. Was bis März noch Gewalt und Nötigung war (bei Sitzblockade) war ist es nicht mehr „automatsich“ nur weil man ungehorsam der Polizei gegenüber war die das Weggehen angeordnet hat. Siehe hier : http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20110307_1bvr038805.html

          Auch die „700 – 1000“ Demonstranten können nicht kollektiv verurteilt werden nur weil sie sich die Grundwassermanippullation aus der Nähe angeschaut haben oder sind wir schon so weit dass wir wieder Kollekrivschuld eingeführt haben ?

          Übrigens : hat sich schon jemand von der DB zum Knastträuning angemeldet? Schließlich hat die DB im Schlosspark illegal Bäume fällen lassen und das ist eine Straftat. Obwohl- halt ich vergass dass die DB locker die Stafe bezahlt – ist ja unser Steuergeld und aus Überzeugung geht von denen keiner freiwillig in den Knast.

  4. Ingrid Merglen sagt:

    EP : aber man stelle sich das mal vor :die 700-1000 würden eine Verurteilung anstreben um den Zivilen Ungehorsam salonfähig zu machen?Und ihn aussitzen wollen an dem unangenehmen,nicht salonfähigen Ort?(Anklage und Verurteilung wegen Haus/Landesfriedensbruch)???

    • EP sagt:

      Hallo Ingrid : man stelle sich vor dass die 700 – 1000 tatsächlich eine Verurteilung anstreben, dann bezahlen sie den Strafgefehl oder sitzen die 10 – 30 Tage ab. Strafbefehl ist bereits die Verurteilung ohne Urteil. Nur wer keine Verurteilung ohne Urteil will der strebt einen Prozess an in dem er auch gewinnen kann weil ihm persönlich nachgewiesen werden muß dass er/sie tatsächlich z. B. Hausfriedensbruch oder gar Landfriedensbruch begangen hat. Und das haben keine 700-1.000 Menschen am 20.06. getan.

      Währnd einer Demo eine Baustelle unerlaubt zu betreten (das Grudnwassermanipullationsgebäude ist ja mit extra Zaun gesichert, diesen Zaun hat niemand außer denjenigen die am Dach waren „überwunden“ wobei die ja nicht IM Gebäude waren…) und für Landfreiedensbruch muß man Gewalt ausgeübt haben. Das haben nicht 700- 1.000 Menschen gemacht…. Und warum bitteschön haben die privaten Sicherheitsleute oder die Polizei zu keinem Zeitpunkt die 700-1.000 möglicherweise unbefungt auf der Baustelle aufgehaltene Menschen aufgefordert die Bausgtelle zu verlassen?

      Mit Stafbefehlen können alle rechtlich relevante Fragen ellegant umschifft werden, das Ziel (Abchreckung, Kriminalisierung aller, Angst vor Demonstrationen machen….) ist leicht erreicht. Ich möchte der STA keine dieser Gründe unterstellen, aber 700-1000 Strafbefehle haben nunmal diese Außenwirkung. Man sieht dass es nicht mal nötig ist sie zu erteilen, alleine die MÖGLICHKEIT ist abschrecken und macht den Normalbürgern Angst. Sogar das Wort Knast macht Angst – auch wenn man selbst z. B. nur außenrum gestanden ist und sich nicht getraut hat die Baustelle zu betretetn, oder gar nicht mal in der Nähe war.

      Man sagt „Geld regiert die Welt“ aber ich denke dass die Angst die Welt regiert.

  5. Neutrino sagt:

    wer mal Infos wie Berichte zu Knast-Aufenthalte lesen will, kann hier schauen: http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/knast_stuttgart.html unten gibt es auch noch weiterführende Links

  6. Rocdonzo sagt:

    bitte lest euch § 830 des bürgerlichen Gesetzbuches durch!

  7. Peter Illert sagt:

    Die Verurteilungen per Strafbefehl nach § 240 (Nötigung) müssen bei Durchführung einer Hauptverhandlung durch eine Art Stresstest: Prüfung der Verwerflichkeit und der Zweck-Mittel-Relation.
    Da halte ich es mit den PROlern: „Die guten Argumente überwiegen“ – schliesslich ging es darum deutlich zu zeigen, dass wir die Schaffung vollendeter Tatsachen nicht hinnehmen, die eine demokratische Ueberprüfung von S 21 gegenstandslos machen.
    Die nächsten Nötigungsprozesse sollten mit viel öffentlicher Begleitmusik geführt werden, sofern die Angeklagten das wollen.

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