Hausfriedensbruch im Südflügel – Einstellungsverfügung des Amtsgerichts Stuttgart

Der AK Jura gibt bekannt:

Für alle Personen, die noch ein Verfahren wegen Hausfriedensbruchs im Südflügel am 16.10.2011 erwarten, hier eine wichtige Information:

Auszug aus einer Einstellungsverfügung des Amtsgerichts Stuttgart

……

wegen Hausfriedensbruchs

wird das Verfahren gemäß § 206a Strafprozessordnung eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten trägt die Staatskasse.

Gründe:

Mit Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 12.5.2011 wurde der Angeklagten ein Vergehen des Hausfriedensbruchs zur Last gelegt. Sie soll am 16.10.2010 gegen 17.15 Uhr im Anschluss an eine Protestversammlung gegen das Bahnprojekt „Stuttgart 21" mit weiteren Personen in die auf Gleisebene gelegene Expressguthalle, dem so genannten Flügel des Stuttgarter Hauptbahnhofes, eingedrungen und sich dort widerrechtlich aufgehalten haben. ln der Anklage heißt es weiter: Seitens der Eigentümerin und der Hausrechtsinhaberin, der DB Station und Service AG, war in das Betreten des Gebäudes nicht eingewilligt geworden. Die DB Station und Service AG Bahnhofsmanagement Stuttgart hat Strafantrag gestellt.

Tatsächlich hatte jedoch die DB Station und Service AG mit Mietvertrag vom 1.8.2006 die Lagerfläche in der ehemaligen Expressguthalle des Stuttgarter Hauptbahnhofs seit 1.10.2006 an die DB Projekt Bau GmbH vermietet. Von Seiten der DB Projekt Bau GmbH wurde nunmehr unter dem Datum vom 14.7.2011 Strafantrag gestellt. Der Strafantrag ist nicht innerhalb der Dreimonatsfrist des S 77b StGB gestellt worden. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages, an dem der Berechtigte von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt, S 77b StGB.

Die Geschäftsführung der DB Projekt Bau GmbH als Antragsberechtigte hat, wie deren Mitglied Christoph Schneider bereits mit Schreiben vom 29.8.2011 mitgeteilt hat, unmittelbar nach der Straftat hiervon Kenntnis erlangt.

Die dreimonatige Antragsfrist hat den Zweck, aus Gründen der Rechtssicherheit und der öffentlichen Ordnung den Zustand der Unentschiedenheit darüber abzukürzen, ob eine Straftat verfolgt werden soll oder nicht(Schönke-Schröder $ 77b Rn. 1). Daher ist es nach herrschender Meinung auch nicht erforderlich, dass der Antragsberechtigte den oder die Täter namentlich kennt (Schönke-Schröder S 77b Rn. 9). Es reicht vielmehr aus, dass der Täter individuell im Antrag erkennbar gemacht werden kann. Nachdem die Täter von der Polizei festgenommen und ihre Personalien aufgeschrieben worden waren, waren sie auch für die Antragsberechtigten als diejenigen individuell benennbar, die gegen ihr Hausrecht verstoßen haben. Die Antragsberechtigten konnten daher aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zuwarten, bis ihnen von der Polizei die Namen der Täter präsentiert werden. Der Umstand, dass die DB Projekt Bau GmbH nicht zu einem früheren Zeitpunkt Strafantrag gestellt hat, ist nach Überzeugung des Gerichts auch nicht darauf zurückzuführen, dass der Gesellschaft bisher die Namen der Täter nicht bekannt waren. Nachdem der polizeiliche Sachbearbeiter über einen Zeitraum von 14 Tagen dreimal mit einem Mitarbeiter der DB Projekt Bau GmbH wegen der Stellung eines Strafantrags erfolglos telefoniert hatte, meldete sich schließlich ein Mitarbeiter der Rechtsabteilung, der, nachdem ihm ausführlich der Sachverhalt geschildert worden war, um Übersendung des Strafantragformulars bat. Aus dem Ablauf der durchgeführten nachträglichen Ermittlungen kann nur der Schluss gezogen werden, dass der DB Projektbau GmbH ganz offensichtlich selbst nicht bewusst war, dass sie aufgrund des Mietverhältnisses antragsberechtigt war. Diese Unkenntnis kann aber nicht dazu führen, dass die Antragsfrist verlängert wird.

Da somit die Antragsfrist versäumt wurde, ist das Verfahren gemäß $ 206a SIPO einzustellen. Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus S 467 STPO

Menge
Richter am Amtsgericht Stuttgart

Von einem Rechtsanwalt, der die Südflügel-Prozesse begleitet und diese falsche Antragstellung bei Akteneinsicht festgestellt hat, haben wir die Einschätzung erhalten, dass es genau so richtig ist. Es ist allerdings zu ermöglichen, dass gegen diese und auch andere Einstellungsverfügungen von Seiten der Staatsanwaltschaft noch Beschwerde erhoben werden. Wir, der AK Jura, bitten darum, uns entsprechend zu informieren.

Wir gehen davon aus, dass sich andere Richter der Auffassung ihres Kollegen anschließen. Sollten einzelne Personen trotzdem noch Ladungen zur Hauptverhandlung erhalten, sollten Sie bitte zunächst prüfen, in welchem Gebäudeteil des Südflügels sie aufgegriffen wurden und sich gegebenenfalls genau auf diese Ausführungen berufen.

Für Fragen stehen wir – wie gewohnt – unter Jura at unser-park.de zur Verfügung.

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7 Antworten zu Hausfriedensbruch im Südflügel – Einstellungsverfügung des Amtsgerichts Stuttgart

  1. 0711calling sagt:

    Was mich in der Beziehung interessiert: Ich vermute, dass die Angeklaten ja erkennungsdienstlich behandelt wurden. Wenn jetzt keine Verurteilung stattfindet (z.B. Verfahren eingestellt, Freispruch) müsste es datenschutzrechtlich die Möglichkeit geben, diese erkennungsdienstlich erhobenen Daten wie z.B. Fingerabdrücke wieder löschen zu lassen. Wo und wie funktioniert das? Danke.

  2. tom sagt:

    🙂 🙂

    Die Bahn ist eben nicht nur das Unternehmen mit den am besten geplanten Projekten, sondern auch das am besten organisierte Unternehmen – oder soll man sagen Unternehmensgeflecht?

  3. Hagen sagt:

    Wieso stellt die durch die DB gekaufte Justiz denn plötzlich Verfahren ein? Das ist ja sehr merkwürdig!

    • Privileg sagt:

      Ja sehr merkwürdig!In unserem System,das schonlange nichtsmehr mit einem Rechtssystem zutun hat!Wo doch alle Gewalt nur vom Staat ausgehen darf!Nur nicht vom Bürger,denn wir sind nur der Staat wenn es ums bezahlen geht!Und wie sieht die Staatsgewalt denn aus?Polizisten sind vermummt!Für Demonstranten ist das Verboten!Klar bei den einen heißt das ja auch Schutzkleidung.Die einen haben Schlagstöcke und Pfefferspray sogar Wasserwerfer!Gehen damit auf eine angemeldete Jugenddemonstration los.Selber Schuld seit wann haben Kinder und Jugendliche etwas bei einer Jugenddemonstration zusuchen!Schöne Demokratie!Was unterscheidet denn unsere Demokratie von einer Diktatur?Die einen müssen das Maul halten und wir dürfen es!Und wir haben eine Regierung die nichts aber auch garnichts gegen die betrügerische Bahn unternimmt!Aber anständige Bürger verfolgen läßt!

  4. Parkschützer sagt:

    Ne Einstellung is ja kein Freispruch, deshalb denk ich werden die Daten nicht gelöscht oder täusche ich mich da?

  5. GustavPSchnitzel sagt:

    @0711calling: Da empfehle ich die Seite http://www.datenschmutz.de/
    Einfach mal durchlesen.

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