Der Kampfgeist ist mitgereist – Foto-Ausstellung im Pavillon

Der Kampfgeist ist mitgereist
Foto-Ausstellung im Pavillon, gesehen und kommentiert von Petra
Brixel

Wow, so schön kann Urlaub sein! Aber natürlich nur mit den
K21-Insignien wie grüne Tasche und Fahne, Baumfaust-T-Shirt,
oben-bleiben-Aufkleber und den schon legendären gelb-roten
Aufklebern. Konnte sich ein richtiger S21-Gegner in diesem Sommer
überhaupt überwinden, Stuttgart zu verlassen und Urlaub zu machen?
Ferien vom Widerstand, eine Auszeit nehmen? Die Freunde an der
Mahnwache, im Park, am Bauzaun verlassen? Wer dann doch in die Ferne
flog, dessen Sinnen und Trachten zielte am Urlaubsort nicht zur
nächsten Strandbar. Es gab nur eine Frage: „Wo gibt´s hier ein
Internet-Café?“. Man wollte Cams21 anschauen (… was habe ich
verpasst?), die Homepages des Widerstands (… wie war die
Montagsdemo?), den Blog (… was sagt Hüpfhörnchen?). Auch fernab von
Stuttgart wurde die emotionale Nähe zu den Widerständlern gesucht.
Wenn man schon – der Familie oder der Freundin zuliebe – ausspannen
musste, so doch bitteschön immer mit einem Blick ins Internet auf
die Parkschützer-Seite.

Und so mancher hatte auch den Flyer dabei, der einen Foto- und
Bilderwettbewerb mit dem Thema „Die besten Bilder des Widerstands“
ankündigte. So durfte man sich ganz legal auch im Urlaub mit K21
beschäftigen und die Freundin /der Freund konnte nicht einmal
einwenden „Du, jetzt ist Urlaub, vergiss doch mal für zwei Wochen
Stuttgart 21.“
Genau! „Egal wohin die Reise geht, unseren Kampfgeist nehmen wir
mit!“, so lautete die Überschrift zum Aufruf, am Foto-, Collagen-
und Bilderwettbewerb teilzunehmen. An die 250 Einsendungen in den
drei Sparten Urlaubsfotos, Collagen und Bilder des Widerstands gab
es. Aktionsbündnis, Parkschützer und der Kulturarbeitskreis der
Parkschützer hatten den Fotowettbewerb initiiert und die 100 Preise
gesponsert. Eine fünfköpfige Jury machte es sich nicht leicht mit
den Entscheidungen und wie zu hören war, gab es heftige Diskussionen
und Mehrheitsentscheidungen, bis je Kategorie 33 Bilder prämiert
werden konnten.

Im Pavillon im Park können jetzt die 100 Siegerfotos bewundert und
diskutiert werden. Am Freitag, 23. Oktober, war die Eröffnung der
Ausstellung und Thomas Renkenberger, der das Layout übernommen
hatte, erwähnte in seiner Ansprache die Gefühle der „Widerständler
auf Urlaub“. „Keiner ging gerne in die Ferien, das Herz blieb im
Park, zurück kamen viele mit wunderschönen K21-Bildern“.
Herrlich, wohin die K21-Insignien mitgenommen wurden: Ans Nordkap
und nach Sydney, nach Schottland und Japan, ins Anapurnagebiet, nach
Paris und an die Cote d´Azur, nach Namibia, Tunesien und Indien,
nach Ecuador an den Äquator, nach Dänemark und Slowenien, aber auch
auf deutsche Nordseeinseln, um nur einige Urlaubsziele zu nennen.
Überall wehte die grüne Fahne, klebte der gelb-rote Sticker, trug
man das Parkschützer-T-Shirt. Da wurde oben-bleiben mit Muscheln in
den Sand gelegt (das dazu geschriebene S21 löschten die Wellen aus),
ein Gipfel mit der K21-Fahne getoppt, ein Ortsschild mit Aufkleber
dekoriert (ob´s jemand in Slowenien versteht, wenn dort der Ort Bled
mit einem gelb-roten Stuttgart-Aufkleber einen ganz neuen Sinn
ergibt? Aber wir verstehen´s!)

Thomas Renkenberger sprach auch die kontroverse Diskussion an, ob es
sinnvoll sei, einem Einheimischen in Indien oder Namibia einen K21
Sticker oder ein Plakat in die Hand zu drücken und dann ein – für
uns – lustiges Foto zu machen. Lachen auf Kosten der Unwissenden?
Instrumentalisierung? Zugegeben, ein bisschen bleibt einem schon das
Lachen im Halse stecken.

Festzustellen ist, dass das absolute Siegerfoto – eine mit Mühe und
offenbar letzter Kraft eine Düne hinauf kletternde Dame, der nur die
K21-Insignien zum Gipfel helfen, den sie hoffentlich auch erreicht –
zu den wenigen Bildern gehört, die eine kleine Geschichte erzählen.
Auf den meisten anderen Urlaubsfotos werden die Widerstandszeichen
gehalten oder irgendwo angeklebt und erst der Kontext macht das Bild
witzig bzw. sehenswert.

Angesichts der Urlaubsfotos werden die Bilder der Kategorien
„Fotomontage/Grafik“ und „Widerstand von 1994 bis heute“ weniger
beachtet. Zu Unrecht. Vielleicht sind wir aber auch nur von den
vielen kreativen Collagen am Bauzaun des ehemaligen Nordflügels
verwöhnt, so dass wir die im Pavillon gezeigten Fotos weniger
bewundern. Doch es lohnt auf jeden Fall ein intensives Hinschauen
und Staunen über die Ideen und den Aufwand, mit dem so manche
Fotomontage geschaffen wurde. Da steckt nicht nur ein inszenierter
Schnappschuss dahinter, da ist Professionalität und viel Zeitaufwand
wertzuschätzen.

In der Kategorie „Bilder aus 17 Jahren Widerstand“ hätte fast jeder
von uns mitmachen können. Sind es nicht einige Hunderttausend
Bilder, die inzwischen auf unseren PCs lagern? Angesichts der vielen
Kameras bei jeder Demo, jedem S21- Ereignis könnte man sicher eine
spezielle Ausstellung machen. Nicht als Wettbewerb, sondern als
Anlass zum Staunen. Gerne würde ich Bilder aus den 1990er Jahren
sehen, einer Zeit, die an vielen von uns vorbei gegangen ist, wo der
Widerstand schon präsent war, aber noch nicht mit dieser geballten
Kraft (die Gründe kennen wir). Schon allein die im Pavillon
gezeigten Widerstandsbilder geben einen Eindruck von Stimmungen zu
allen Jahreszeiten, von Aktionen und längst vergangenen Ansichten.
Natürlich gehen die Meinungen auseinander – vor Ort und im
Internet-Blog, wo die Bilder auch zu sehen sind - , ob vor allem die
jeweiligen Siegerbilder ihren Platz zu Recht haben. Aber abgesehen
davon sollten die Bilder das Ziel haben, die schönen, unbeschwerten
Seiten des Widerstands zu genießen. Eines Tages, wenn alles vorbei
ist, wenn K21 realisiert ist, werden wir sagen „Aber schön war es
doch“, und meinen damit den Widerstand. Die Fotos beweisen es.

Anmerkung: Die 100 Gewinnerbilder sind samt Namen der Verfasser im
Internet zu sehen auf der K21-Seite: http://www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=759.

Die Ausstellung in Unser Pavillon ist täglich ab 16:00 für die nächsten zwei Wochen geöffnet.

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