Bericht aus dem Gerichtssaal

Am Donnerstag, 15. März 2012, musste Jürgen Merks vom BUND Regionalverband Stuttgart vor dem Stuttgarter Amtsgericht erscheinen wegen des Vorwurfs, Waren und Artikel gegen S21 ohne Sondergenehmigung verkauft zu haben. Prozessbeobacher Wolfgang Rüter hat den folgenden Bericht verfasst, dessen Veröffentlichung auf BAA auch Jürgen Merks zugestimmt hat.

Verfahren wegen einer angeblichen Ordnungswidrigkeit eingestellt
Die Gerichtsverhandlung am Donnerstag, 15. März 2012, gegen Jürgen Merks vom BUND Regionalverband Stuttgart vor dem Amtsgericht Stuttgart wurde nach einstündiger Verhandlung eingestellt. Die Strafrichterin Hall musste am Ende des Verfahrens und nach Anhörung eines Zeugen feststellen, dass nicht ausreichend ermittelt worden war und die Ordnungswidrigkeit nicht eindeutig nachweisbar sei. Sie erkannte auch, dass eine Wiederaufnahme der Ermittlungen im Nachhinein kaum noch möglich sei. Daher schlug sie eine Einstellung des Verfahrens nach § 47, Abs. 2 vor.
Dem Angeklagten war von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden, am BUND-Infostand während der Montagsdemo am 10. Januar 2011 auf dem Arnulf-Klett-Platz Waren und Artikel verkauft zu haben, die sich gegen Stuttgart 21 richteten. Außerdem sei der Angeklagte nicht im Besitz einer Sondernutzungserlaubnis gewesen. Dafür war ein Bußgeldbescheid über 300 Euro ergangen, gegen den der Angeklagte Einspruch eingelegt hatte. Nach eigener Darlegung hat der Angeklagte aber niemals Waren bzw. Merchandising-Produkte verkauft, sondern lediglich auf ein freiwilliges Spenden in beliebiger Höhe hingewiesen. Im Übrigen habe man es bei Demonstranten stets mit sehr vernünftigen Menschen zu tun, die dies verstünden und auch gerne etwas spendeten. Er selbst sei jedoch zur Aufsicht vor Ort an dem BUND-Stand gewesen. Ferner habe er stets alle Unterlagen der Behörden sorgfältig gelesen, so auch den Versammlungsbescheid, um nichts Verkehrtes zu machen. Er machte die Richterin u.a. auch darauf aufmerksam, dass auf einem der angeblichen Beweisfotos aus der Akte nicht der beanstandete Stand des K21-Aktionsbündnisses, sondern der der Parkschützer abgebildet sei und dass auf einem weiteren Beweisfoto keine Waren mit Preisauszeichnungen auf dem K21-Stand zu sehen seien. Insofern sei ihm der gemachte Vorwurf völlig unklar. Dass man hier aber Polizisten bewusst als Testkäufer losschicke, habe er als sehr arglistig und „gezielt in die Falle locken“ empfunden. Seit die Schreiben des Ordnungs- und Finanzamtes Hinweise enthalten, dass Waren nicht verkauft werden dürfen, habe er sich strikt an diese Auflagen gehalten und entsprechende Anweisungen weitergegeben. Er habe aber auch erleben müssen, dass die Polizei recht ruppig Spendendosen von den Tischen abgeräumt habe, weil diese angeblich nicht sein dürften. Andererseits hätten die Ämter bis heute keine weiteren Beanstandungen gehabt und auch die Spendendosen seien stets beanstandungslos geblieben. Soweit der Angeklagte.
Danach wurde der Zeuge, Polizeihauptkommissar B., von der Richterin zum Vorgang befragt. Sie wollte wissen, ob er denn die jeweiligen Versammlungsbescheide kenne, nach denen er zu prüfen habe. Dies bejahrte er und zeigte der Richterin den betreffenden Versammlungsbescheid, den diese nicht in der Akte vorgefunden hatte und dessen Inhalt sie somit auch nicht kannte. Er führte weiter aus, dass die Bescheide im Laufe der Zeit immer konkreter in der Beschreibung geworden seien, was nicht zulässig ist. Ferner sagte er, dass er beim Fotografieren des Standes keine Preisschilder gesehen habe und die  gelisteten Preise lediglich durch Erfragungen zustande gekommen seien. Allerdings habe er bei dem großen Andrang an diesem und anderen Ständen nicht bei jeden Käufer bzw. Verkäufer nach dem gezahlten bzw. verlangten Preis fragen können. Konkrete Personen, die ihm Preise genannt hätten, könne er nicht benennen. Zudem habe sein Polizeikollege E. die Preise gehört und aufgeschrieben. Und wer sich dabei als Polizist zu erkennen gab, galt sofort als S21-Befürworter. Deshalb habe man dann auf weitere Kontrollen verzichtet.
Wegen einiger Ungereimtheiten in seinen Darlegungen fragte die Richterin nochmals nach und wollte konkret wissen, ob er denn nun selbst bei diesen sogenannten Verkaufsgesprächen am BUND-Stand dabei gewesen sei oder ob es eventuell nur sein Kollege war.  Die Antwort: Nein, er selber nicht. Er selber habe lediglich einmal ein Verkaufsgespräch über eine CD bei jemandem mit Bauchladen geführt und dort zu hören bekommen, dass unter 5 Euro nichts geht. Bauchläden aber gibt es im Zusammenhang mit dem BUND-Stand auf den Montagsdemos laut Angeklagtem nicht.
Auch RA Roland Kugler, der Verteidiger, fragte nochmals nach, ob er, der Zeuge, im konkreten Fall selbst ein Verkaufsgespräch am BUND-Stand miterlebt habe, was dieser nur allgemein verneinte. Den Angeklagten habe er vor Ort wegen Verkaufspreisen auch nicht belehrt. Dazu hätten ihm die Gestehungskosten der Waren bekannt sein müssen, die er aber nicht kannte und was auch nicht seine Aufgabe gewesen sei. Der Angeklagte wies in diesem Zusammenhang noch darauf hin, dass man der kontrollierenden Polizei sogar angeboten habe, hinter den Standtisch zu kommen, um den Ablauf „Ware gegen Spende“ von dort in Augenschein zu nehmen. Dieses Angebot habe die Polizei aber nicht angenommen. Damit war die Zeugenbefragung zu Ende.
Die Richterin schlug daraufhin vor, das Verfahren einzustellen, zumal hier offensichtlich nicht ausreichend ermittelt worden sei. Auch sei eine Ordnungswidrigkeit nicht eindeutig nachzuweisen und nachdem der Fall bereits rund 15 Monate zurückliege, sei im Nachhinein auch eine Wiederaufnahme der Ermittlungen kaum mehr möglich.
              Prozessbeobachter:  Wolfgang Rüter

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