Dienstagsfrühstück an blauen Rohren

Über dem WagenburgtunnelFolgt man der Stuttgarter Zeitung vom Dienstag, 9. April 2013, so ist laut des Artikels „Polizei und Gegner im Dauereinsatz“ das Blockadefrühstück jeden Dienstagmorgen eine feste Größe. Und tatsächlich ist neben den Montagsdemos und der Mahnwache das Dienstagsfrühstück eine der kontinuierlichsten Aktionen der K21-Bewegung. Das „Frühstück am Bauzaun“ findet nun seit fast drei Jahren statt. Viel Lob dafür gab es am Montagabend im Württembergischen Kunstverein, wohin die Blockadegruppe der Parkschützer eingeladen hatte, um die aktuelle Lage und weitere Handlungsmöglichkeiten des Widerstands gegen S21 zu diskutieren. 400 bewegte S21-Gegner waren der Einladung gefolgt. Eisenhart von Loeper, Werner Sauerborn, Hans Heydemann, Ursel Beck und Matthias von Hermann stellten in ihren Eingangsreferaten fest, dass der Kampf gegen S21 noch lange nicht verloren ist, dass das Projekt von verschiedenen Richtungen zu Fall gebracht werden kann und dass auch Aktionen wie z.B. das Dienstagsfrühstück dazu beigetragen haben, auf Unrecht aufmerksam zu machen, Sand ins Getriebe zu streuen und den Baustellenfortgang zeitlich zu  verzögern. Am offenen Mikrofon sprachen sich TeilnehmerInnen genau für diese Form des Protestes aus. „Man nennt uns Mutbürger – zeigen wir es!“, betonte eine Teilnehmerin.
Diesen Mut, sich als „Oben-Bleiber“ zu outen, bewiesen gleich am nächsten Morgen 40 Fußgänger auf Urban- und Werastraße. Sie stellten sich an die blauen Rohre des Grundwassermanagements (GWM) und warteten auf Baufahrzeuge, da auch an diesem Tag wieder an den Rohren geschweißt und neue verlegt werden sollten. Laut Aussage von Bauleuten konnte bis 10 Uhr wegen der "Fußgänger" nichts gemacht werden, so dass bereits anfahrende Baufahrzeuge (u.a. ein kleiner LKW mit blauen Rohren) und eine Hebebühne nicht zum Einsatz kamen. Erst als sich gegen 10 Uhr die Protestler zu einer Besprechung - zusammen mit der Gruppe der SeniorInnen gegen S21 - im Parkschützerbüro einfanden, erschienen Baufahrzeuge.
Wenn allein 40 Fußgänger, die auf dem Gehweg die Rohre beobachten, Baufahrzeuge für drei Stunden aufhalten, so ist das ein Beweis, wie diese Form der Empörung wirken kann. Noch ist es nicht verboten, sich auf dem Gehweg aufzuhalten, denn „… Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut.",  sagte Polizeisprechder Keilbach in dem o.g. Interview.  Und auch Artikel 11 des Grundgesetzes  garantiert die Freizügigkeit des Bundesbürgers. 
Unterstützt wurden die 40 S21-Gegner durch Bewohner des Kernerviertels; u.a. kam es zu einem interessanten Gespräch mit einem Hausbesitzer, in dessen Gebäude bereits eine Beweissicherung zwecks eventuellen Rissen und Vorschäden vorgenommen worden war. Auch Teilnehmer der Diskussion am Montagabend hatten sich spontan angesprochen gefühlt, am nächsten Tag die blauen Rohre zu bewachen. Das Frühstück wurde danach im Parkschützerbüro eingenommen.

Wenn am kommenden Dienstag, 16. April, wieder das „Frühstück an der Baustelle“ statt findet, werden es deutlich mehr TeilnehmerInnen sein, denn es wird eine größere Aktion werden, zu der auch die Versorger (Frühstück vor Ort!), Trommler und  die Redner Frank Schweizer (Bewohner Kernerviertel), Peter Erben (Bürgerinitiative Neckartor ) und Hans Heydemann (Ingenieure gegen S21) kommen werden.
Ab 6:30 Uhr sind alle Menschen, denen Empörung auch Programm ist,  eingeladen dabei zu sein. Aktive Empörung ist dabei nicht schwer: Man muss nur auf dem Gehweg stehen und die Rohre bewachen. Auch wenn das bisherige Aufstellen der Rohre im Park und Kernerviertel nur verzögert, nicht verhindert wurde, so kann es nicht sein, dass das Errichten des gesamten GWM  in dieser Stadt in einem geräuschlosen Durchmarsch statt findet. „Empört euch – weiter“, heißt ein neues Büchlein von Stuttgarter Aktivisten, in Anlehnung an den weltberühmten Widerstandskämpfer Stéphane Hessel, der auch den Stuttgarter S21-Gegnern  ein Vorbild ist. Empörung ist in Deutschland verfassungsgemäß geschützt, nicht nur in Wort, sondern auch in Tat. Dazu hat jeder, dem die blauen Rohre zuwider sind, - symbolisieren sie doch auch die Vernetzung von Projektbetreibern aller Art – am kommenden Dienstag Gelegenheit.

Anmerkung 1:
Nicht jeder und jede hat Erfahrung im Protestieren, Demonstrieren vor Ort, Blockieren, „Sich-in-den-Weg-Stellen“. Das ist kein Problem. Der kommende Dienstag ist eine gute Gelegenheit, auch als „Protest-Anfänger“ mitten in einem Wohngebiet auf dem Gehweg seinen Protest zu zeigen. Initiative ergreifen, Zuschauen, ins Gespräch kommen, diskutieren, frühstücken, den Verlauf der blauen Rohre anschauen,  sich informieren ... und das alles unter dem Aktionskonsens der Parkschützer, in dem es heißt: "... Bei unseren Aktionen des Zivilen Ungehorsams sind wir gewaltfrei und achten auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel. Unabhängig von Meinung und Funktion respektieren wir unser Gegenüber. Insbesondere ist die Polizei nicht unser Gegner. Bei polizeilichen Maßnahmen werden wir besonnen und ohne Gewalt handeln.“ Die Konfrontation mit der Polizei wird ausbleiben, da es sich um die Wahrnehmung von Bürgerrechten handelt, was somit vom Grundgesetz geschützt ist.

Anmerkung 2:
Das GWM ist eines der Kernstücke des S21- Projekts, und es wird vor den Augen der Stadtbevölkerung erstellt, auch wenn dies rechtswidrig ist. Noch ist nicht das gesamte Grundwassermanagement planfestgestellt, sondern nur in einem Teil. Dennoch wird gebaut, was auch hier wiederum zu Zerstörung führt: Stadtbild, Gehwege, Grünflächen, Naturraum, Rückzugsgebiete für Lebewesen  … ganz zu schweigen von möglichen Hangrutschungen, Rissen in Gebäuden und Unbewohnbarkeit von Häusern. Auch im Rahmen des Betriebs des GWM – wozu die blauen Rohre im Wohngebiet  eine Voraussetzung sind -, kann es zu Wohnraumvernichtung kommen. Dass es eine Beweissicherungspflicht der Bahn gibt, zeigt, dass mit der Möglichkeit von Hangbewegungen und unvorhersehbaren Folgen gerechnet wird.

Fazit:
Kann das widerspruchlos durchgehen? Sollte man sich dagegen nicht auflehnen?  Ist es nicht unser Recht, uns darüber zu empören und auf die Straße bzw. den Gehweg zu gehen? Am Dienstag, 16. April, sollte das ausdrucksvoll und zahlreich geschehen. Ab 6:30 Uhr. Treffpunkt: Urbanstraße, über dem Wagenburgtunnel.

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