Erfolgreiche internationale Baustellenblockade am 29.7.2013 – Unnütze und zerstörerische Großprojekte stoppen

Bericht der Blockadegruppe zur internationalen Baustellenblockade am 29.7.2013

Am letzten Tag des 5-tägigen „ Dritten Europäischen Forums gegen unnütze und aufgezwungene Großprojekte“ gab es am Montag, den 29.7.2 ab 6.30 Uhr eine internationale Blockade einer S21-Baustelle vor dem Nordausgang des Hauptbahnhofs. 120 Aktivisten aus Stuttgart, Italien, Frankreich und Spanien haben unter dem Motto „Baustopp selber machen“, die Baustelleneinfahrt und kurzzeitig die Heilbronner Straße blockiert. Die Baustelle am Technikgebäude wurde dadurch bis 12.00 Uhr fast vollständig zum Erliegen gebracht.

Neun Aktivisten haben die Baustelle durch ein offenes Tor betreten und einen Baukran umzingelt. Zwei Aktivisten der Blockadegruppe und ein Aktivist aus Frankreich haben den Kran besetzt. Vor dem Baukran wurde das große Transparent mit der Aufschrift „Baustopp selber machen. Wir wi(e)dersetzen uns“ entrollt. Erst durch ein  Sondereinsatzkommando oder wie es in der Pressemitteilung der Polizei heißt, durch eine „Höheninterventionsgruppe“ konnte die Polizei um 12.00 Uhr die Besetzungsaktion beenden. Unser Freund aus Frankreich wurde zwei Stunden lang in der Hahnemannstr. Festgehalten, um seine Identität festzustellen. Er hatte keinen Ausweis dabei. Bei allen Baustellen- und Kranbesetzern wurden von der Polizei die Personalien festgestellt und bis zum Abend Platzverweise für den Kurt-Kiesinger-Platz erteilt.

Überall geht es um Profit
Bei den Diskussionsveranstaltungen und Workshops während des Forums hatten Vertreter von Widerstandsbewegungen gegen den Fehmarnbelt, gegen Hochgeschwindigkeitsstrecken in Italien, Frankreich, Spanien und Großbritannien, gegen den Goldabbau in Rumänien, gegen einen Großflughafen im französischen Notre-Dame des Landes, gegen ein atomares Endlager in Lothringen, gegen den Bau eines Einkaufszentrums in Istanbul, und gegen den Bau von Mega-Einkaufszentren und bis zu 18-spurigen Stadtautobahnen in Belgien berichtet. Dabei wurde deutlich, dass all diese Projekte keinen gesellschaftlichen Nutzen haben. Überall geht es nur um Profit für eine kleine Minderheit. Überall wird gelogen, betrogen, korrumpiert. Überall werden Natur, historisch wertvolle Architektur, Kulturdenkmäler und Lebensräume für Menschen unwiederbringlich zerstört.

Überall wenden die Herrschenden die gleichen Methoden an um Widerstand zu brechen. Staatliche Repression einerseits und Pseudo-Bürgerbeteiligung andererseits. In Italien wurden just am 29.7. von der Polizei Wohnungen von Aktivisten gegen die Hochgeschwindigkeitsstrecke im Susatal durchsucht, Computer und Handys beschlagnahmt und Anzeigen mit dem Vorwurf „Attentat mit terroristischer Zielsetzung“ erhoben. Mehr vom Europäischen Forum gibt es unter http://www.drittes-europaeisches-forum.de/

Bei der Blockadeaktion vor dem Nordflügel gab es kurze Reden von Wolfgang Debus von der Allianz gegen die feste Fehmarnbelt-Querung, von Frank Linke vom Widerstand gegen das atomare Endlager in Bure, von Rita vom Widerstand gegen den Großflughafen in Notre Dames des Landes, von Martin von der Bewegung gegen die Hochgeschwindigkeitsstrecke von Frankreich nach Spanien und von Alphonso Navarro aus dem Widerstand gegen die Untertunnelung von Florenz. Hinzu kamen musikalische Beiträge von Aktivisten aus Norddeutschland und Frankreich.

Parallelen im Widerstand
Auch im Widerstand gibt es erstaunliche Parallelen und ähnliche Debatten wie bei der Bewegung gegen Stuttgart 21. Beeindruckend war der Bericht gegen das atomare Endlager in Bure (Lothringen). 2017 soll der Bau begonnen werden. Seit 2005 gibt es Widerstand. 2005 hatte sich die Bewegung noch an einem Anhörungsverfahren beteiligt. Nachdem klar war, dass dieses Verfahren ein pseudodemokratisches Betrugsmanöver ist, wurden weitere Anhörungsverfahren aktiv boykottiert bzw. gesprengt. In einem Fall haben Aktivisten eine Anhörung so gestört, dass sie nach 15 Minuten abgebrochen wurde. Beim letzten Verfahren sind 300 Gegner in den Saal gegangen und haben eine Stunde lang applaudiert und damit die Versammlung vorzeitig und ergebnislos beendet. Auch Blockade- und Besetzungsaktionen sind wesentlicher Bestandteil des Widerstands in Bure. Inzwischen gibt es ein von Widerständlern errichtetes Haus mit dem Namen „Bure Zone Libre“ als Treffpunkt des Widerstand einschließlich Übernachtungsmöglichkeiten. Mehr Informationen dazu gibt es unter http://burezoneblog.over-blog.com. Jährlich gibt es Protestaktionen und ein Festival (2013: 30.8. – 1.9.)

Auch im Val di Susa, in Istanbul und bei anderen, zum Teil weit fortgeschrittenen, Projekten spielen direkte Widerstandsaktionen eine wesentliche Rolle.

Solidarität ist unsere Stärke
Mit der Blockadeaktion vor der S-21-Baustelle sollte nicht nur ein starkes Zeichen des Widerstands gegen die um sich greifende S21-bedingte Stadtzerstörung gesetzt werden. Es sollte gleichzeitig europaweite Solidarität bei Aktionsformen des zivilen Ungehorsams und direkter Widerstandsaktionen bei vergleichbaren politischen Rahmenbedingungen zum Ausdruck gebracht werden.
Moderator Reinhard Rupf, von der Blockadegruppe der Parkschützer, erinnerte daran, dass die internationale Blockadeaktion fast auf den Tag genau auf das dreijährige Jubiläum der ersten Blockadeaktion gegen Stuttgart 21 fällt. Am 30.7.2010 wurde um 20.45 Uhr der Bauzaun zur Vorbereitung des Abrisses des Nordflügels aufgestellt. Über Parkschützeralarm wurden 1.500 bis 2.000 Aktivisten mobilisiert. 150 davon blockierten die Baustelle, darunter Werner Wölfle von den Grünen (heute Bürgermeister und Projektbetreiber). Die Blockade wurde von einem starken Polizeiaufgebot geräumt. Nach Aufstellen des Bauzauns wurde die Baustelleneinfahrt dauerblockiert. Bis zu 500 Leute beteiligten sich daran.

Mehr direkte Widerstandsaktionen nötig
Ein leitender Beschäftigter auf der Baustelle des Technikgebäudes meinte am Montag, wir wären mit unseren Aktionen Schuld, wenn es mit S21 nicht voranginge. Schön wäre es!!!
Noch haben unsere Aktionen nicht die Wirkung, die Stadtzerstörung tatsächlich zu stoppen. Aber wenn 120 Leute für mehrere Stunden eine Baustelle fast vollständig lahm legen, ist das Sand im Getriebe. Wenn wir das öfter und mit mehr Leuten machen würden, könnten das Kieselsteine im Getriebe sein.
Wir würden damit den Projektbetreibern Entschlossenheit und Unberechenbarkeit signalisieren, die wir mit Demos alleine nicht schaffen.
Seit der letzten größeren Aktion des Zivilen Ungehorsams sind Monate vergangen. Am 14.2. gab es die symbolische Parkbesetzung „Wir holen uns den Park zurück“. In Anbetracht der uns aus allen Ecken entgegenkommenden Baustellen und Zerstörungsaktionen der Bahn, können wir uns solche Abstände nicht mehr leisten. Das nächste Mal brauchen wir auch eine Pressemeldung. Das bietet zumindest die Chance, dass die Medien nicht einfach die Pressemeldung der Polizei übernehmen.

Dank an alle RednerInnen, an die Lokomotive, Capella Rebella und die Versorger, die ihren Anteil an der durch und durch gelungenen Blockadeaktion haben.

Einen sehr guten und sehr kurzen, kommentierten Filmbericht von der Blockade, Baustellen- und Kranbesetzung findet Ihr hier

Einen langen Filmbericht von der Blockadeaktion findet Ihr hier

Fotos vom europäischen Forum und der Blockadeaktion:
von Wolfgang Rüter
und Jens Volle
Die Aktion in der Wahrnehmung der Polizei und der Bild.

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