Rede von Claudia Jechow bei der 194. Montagsdemo am 21.10.

Rede von Claudia Jechow, Gruppe Nordlichter, bei der 194. Montagsdemo am 21.10.2013 (Langfassung)

Hallo liebe S21-Gegnerinnen und -Gegner!

Wie gesagt, gehöre ich zur Stadtteilgruppe Nordlichter. Wir sind Bewohner aus dem Nordbahnhofviertel, die sich schon seit langem an den Demos und Aktionen gegen S 21, die Abholzung des Schlossgartens und den Abriss von Nord- und Südflügel beteiligen.

Vor ziemlich genau einem Jahr wurde uns jedoch aufgrund des zunehmenden Lkw-Verkehrs in unserem Viertel und dem damit verbundenen Lärm deutlich, dass wir aber auch ganz persönlich mit den Auswirkungen des S 21 Baus zu tun haben. Da geht es uns genauso, wie den Untertürkheimern, die ebenfalls unter dem Baulärm von S 21 zu leiden haben.

Letzte Woche hatten wir uns zur Montagsdemo in der Nähe vom Nordbahnhof getroffen. Der Grund dafür war, dass der Rosensteinpark, der gerade für uns Nordbahnhofler ein sehr wichtiges Naherholungsgebiet ist, derzeit akut von Baumfällungen und Zerstörungen für den Bau von S21 bedroht beziehungsweise auch schon betroffen ist. Die Baumaßnahmen schränken aber auch auf andere Weise direkt und massiv die Lebensqualität der Menschen ein, die in diesem Stadtquartier leben – und das für sehr viele Jahre.

So wird z. B. an der Ehmannstraße beim Rosensteinpark das Kreuzungsbauwerk entstehen sowie am Nordbahnhof und beim Pragtunnel jeweils ein sogenannte Zwischenangriff. Hinzu kommt, dass ein großer Teil der Baulogistik für das gesamte Projekt bei uns abgewickelt wird: So wird am Nordbahnhof derzeit die so genannte C2-Fläche eingerichtet. Von hier aus soll künftig ein Großteil des Aushubs aus den verschiedenen S21-Tunneln und -Baustellen von den LKWs auf Güterzüge umgeladen und per Schiene abtransportiert werden. Die Baulogistikstraße vom Hauptbahnhof zu dieser C2-Fläche führt künftig direkt am Nordbahnhofviertel vorbei. Auf ihr sollen laut einem Bericht der Stuttgarter Zeitung jahrelang bis zu 2.400 LKWs täglich fahren. Und dies unter Umständen auch nachts und am Wochenende.

Hinzu kommt, dass der ganze Zulieferverkehr der Baustellen – also die Belieferung etwa mit Beton oder Stahl - ausschließlich über öffentliche Straßen gehen soll. Das haben wir erst bei einer Infoveranstaltung der Bahn im April 2013 erfahren.

Was dies nun konkret für uns bedeutet, erleben wir seit Frühjahr dieses Jahres. Wir plagen uns mit Lkw-s rum, die zeitweise im 10-Minuten-Takt durch unser Viertel zur C2-Fläche fahren. Fahren dürfen sie zwischen 7 und 20 Uhr werktags (einschließlich Samstag) was schon hart genug ist. Tatsächlich hält sich die Bahn aber nicht daran. Es gibt Lkw-s, die bereits morgens um 5:36 Uhr fahren und solche, die nachts um 1:38 Uhr fahren. Konkret fuhren z. B. in der Nacht vom 23. Juli auf den 24. Juli (da war es heiß und man hatte die Fenster offen) im Abstand von 20 – 30 Minuten die ganze Nacht über 7,5-Tonner auf der Nordbahnhof – der Eckart und der Otto Umfrid Str. zum C2-Gelände. Die Otto Umfrid Str. hat Kopfsteinpflaster, da klappert es dann besonders laut. Wir haben uns wiederholt wegen dieser Störungen an die Bürgerbeauftragte für S 21, Frau Kaiser gewandt, natürlich auch in diesem konkreten Fall. Sie bestätigte, dass sich mehrere Bewohner über nächtliche Lkw-Fuhren in kurzen Abständen beschwert hätten. Sie habe sowohl die SSB (wg. des Baus der U 12) als auch die Bahn um eine Stellungnahme gebeten und beide hätten gesagt – wen wundert es - „wir waren es nicht!“

Das Leiden kennt noch eine Steigerung: Seit die U 15 zur U 12 umgebaut wird, also seit Juli d. J. ist jeweils eine Seite der Nordbahnhofstr. gesperrt und der Verkehr wird direkt durchs Wohngebiet geleitet. Auch jetzt noch. Das bedeutet, dass noch mehr Straßen direkt im Wohngebiet vom Lkw-Verkehr betroffen sind. Wer letzten Montag bei der MoDe am Rosensteinpark war und mit dem Demozug durchs Viertel gelaufen ist, weiß, wie eng die Straßen sind. Nicht umsonst gibt es hier viele Einbahnstraßen. Lkw und Pkw kommen stellenweise nicht aneinander vorbei. Das führt dazu, dass mancher Lkw-Fahrer wenn er z. B. in der Eckartstr. um die Kurve fährt schon mal hupt, damit der von rechts kommende Autofahrer, der eigentlich Vorfahrt hätte ja stehen bleibt. D. h. der Lkw-Lärm wird manchmal auch noch mit „musikalischem“ Gehupe untermalt. Und das stellen Sie sich jetzt mal alle 10 – 15 Minuten und gerne auch rund um die Uhr vor. Übrigens steht genau an dieser Umleitungsstrecke ein Lkw-Durchfahrtsverbotsschild, wie gesagt – es ist eng und es sind schon einige Lkw’s in Kurven hängen geblieben. Es stellt sich bei manchem Bewohner des Nordbahnhofviertels mittlerweile ein gewisser schwarzer Humor ein, vor allem bei jenen, die inzwischen bereits am Ton unterscheiden können, ob es sich um einen beladenen oder leeren Lkw handelt. Die klingen nämlich unterschiedlich. Wir werden uns jedoch nicht bei `wetten dass´ bewerben.

Nun sollte man denken, schlimmer geht es nicht – doch tut es. Wir mussten unsere liebe Bürgerbeauftragte, Frau Kaiser, darüber informieren, dass sogar an einem heiligen Sonntag, nämlich am 15. September Lkw-s den ganzen Tag über durch unser Wohngebiet gefahren sind. Ihre Antwort: Das Amt für öffentliche Ordnung habe nach sorgfältiger Prüfung einen Antrag auf Befreiung vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot genehmigt. Die Genehmigung habe sich auf Lkw-Transporte von 0:00 Uhr bis 22:00 Uhr mit dem Zielort C2-Fläche und Hauptbahnhof bezogen und die Transporte hätten über die Nordbahnhofstr. abgewickelt werden müssen. Aber hier irrte Frau Kaiser, denn die Nordbahnhofstr. ist Einbahnstraße wegen des U 12-Baus. Das heißt, sämtliche Laster fuhren wieder durch die engen Straßen unseres Wohngebiets.

Es gibt einen zweiten Absatz in Frau Kaisers Antwort, den ich besonders pikant finde in Hinblick auf die Zukunft. Ich zitiere „Die genehmigten Transporte stehen im Zusammenhang mit den Gleisumbauarbeiten im Hauptbahnhof Stgt. Wegen der damit bedingten Terminbindung an Sperrpausen im Bahnbetrieb waren keine Ausweichtermine möglich.“ Zitat Ende. Sollte S 21 gebaut werden bedeutet dies also, dass - wenn aufgrund von Sperrpausen im Bahnbetrieb keine Ausweichtermine möglich sind - wir im Nordbahnhofviertel ständig mit solchen Ausnahmegenehmigungen rechnen müssen. D. h. Gesetze und Verordnungen zum Schutz der Bevölkerung werden ausgehebelt.

Wir haben mal hochgerechnet, wie viele Lastwagen in den letzten Monaten täglich durch unser Wohngebiet gefahren sind und sind auf durchschnittlich etwa 500 pro Tag gekommen. Wir haben dadurch inzwischen eine, wenn auch nur kleine, Ahnung davon bekommen, was auf uns Bewohner noch zukommen wird, wenn wir viele Jahre lang am Werktag und zum Teil auch nachts und sonntags dem Lärm und Gestank sowie dem Grob- und Feinstaub von tausenden von Lkw-s ausgeliefert sein werden.

Die Bahn sagt: „Wir fahren nur zwischen 7 und 20 Uhr“ - aber wer überprüft das denn ernsthaft? Es kann ja wohl nicht sein, dass wir Bürgerinnen und Bürger uns nachts auf die Straße stellen sollen, um die Polizei zu holen, wenn ein Laster außerhalb der genehmigten Zeiten vorbei fährt. Das Gleiche gilt auch für Laster mit roter und gelber Plakette, von denen wir hier auch schon einige gesehen haben. Auch hier gebe es, wie uns mitgeteilt wurde, Ausnahmegenehmigungen, die die jeweiligen Lkw-s sichtbar hinter der Windschutzscheibe haben müssten. Hätten sie das nicht, müssten wir eben die Polizei verständigen. Was all diese Belästigungen angeht ist in unseren Augen jedoch die Politik gefragt, genauer unser OB Kuhn, denn wer ist der Vorgesetzte des Amts für öffentliche Ordnung, das für Sondergenehmigungen zuständig ist? Unser OB Kuhn.

Egal, wer diese Lkw-s beauftragt, es muss sofort aufhören, dass sie außerhalb der gesetzlich festgelegten Zeiten durch ein Wohngebiet fahren. Dies ist auch das Thema unseres offenen Briefes an Herrn Kuhn und ich bitte Sie, uns mit Ihrer Unterschrift zu unterstützen.

Zudem gibt im Moment auch gar keinen Grund, diesen Lkw-Verkehr der Bevölkerung zuzumuten, denn es gibt ja an anderen entscheidenden Stellen ganz gravierende Verzögerungen für den Bau von S 21. Dies kann man gar nicht oft genug betonen. So gibt es beispielsweise nach wie vor kein genehmigungsfähiges Brandschutzkonzept. Mit dem Bau des Nesenbachdükers ist noch nicht einmal begonnen worden. Die Firma Züblin hat zwar den Zuschlag erhalten - aber sie bauen nicht, warum auch immer. Auch ist die Finanzierung von S21 nach wie vor unklar. Es steht nicht fest, wer die Mehrkosten in Höhe von 2,3 Milliarden Euro übernimmt.

Es gibt noch viele andere Aspekte, aber solange allein diese drei Punkte nicht geklärt sind steht das Projekt grundsätzlich in Frage.

An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei der Stadtteilgruppe West bedanken, die uns immer sehr tatkräftig unterstützen und auch jetzt wieder dabei hilft die Unterschriften von Ihnen für unseren offenen Brief zu sammeln.

Handeln Sie endlich zum Wohle der Stuttgarter Bürger im Nordbahnhof-Viertel, Herr Kuhn!

Ich wünsche Ihnen allen eine ruhige Nacht. Die Bewohner an der Nordbahnhofstr. Haltestelle Milchhof werden sie nicht haben. Dort werden heute Nacht von der SSB von 1:00 bis 4:00 Uhr Gleisbauarbeiten durchgeführt.

OBEN BLEIBEN

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Eine Antwort zu Rede von Claudia Jechow bei der 194. Montagsdemo am 21.10.

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,

    es ist eine Unverschämtheit, dass in dieser Rede vom „geheiligten Sonntag“ die Rede ist! Schließlich hängt über diesem Projekt der Segen Gottes (wie selbst Herr Schmiedel erkannt hat, obwohl er bei den unredlichen Sozen ist!), so dass diese Jubelchristen es gefälligst zu akzeptieren haben, wenn am geheiligten Sonntag ein solch gottgefälliges Projekt wie das hoch-redliche „Stuttgart-21“ entsteht! Abgesehen davon wohnen im Nordbahnhofsviertel doch sowieso nur arbeitsfaule Demonstranten, deren Nachtruhe ja wohl längst nicht so wichtig ist, wie dienjenige der redlichen und fleißigen, stuttgart-21-befürwortenden Steuerzahler.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Diethelm Gscheidle
    (Verkehrswissenschaftler & Dipl.-Musikexperte)

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