Rede von Thomas Renkenberger bei der 195. Montagsdemo

Rede von Thomas Renkenberger, Parkschützer, bei der 195. Montagsdemo am 28.10.2013

Zerstörung im Rosensteinpark

Liebe Freundinnen und Freunde – heute besonders: des Rosensteinparks, dieses Kleinods unserer Stadt, der vergangene Woche erneut und in großem Ausmaß geschändet wurde. Der 22.10. 2013 reiht sich ein in die Parkvernichtungsaktionen unter den jeweiligen Regierungen jeder Couleur diese Landes seit dem 30.9./1.10. 2010, dem Schwarzen Donnerstag, und dem 14./15. Februar 2012 im Schlossgarten - und vielen weiteren Naturzerstörungsaktionen in Feuerbach, auf den Fildern und der Alb im Namen des Unheilsprojekts S21.

Weder die an Finanzminister Schmid und MP Kretschmann gerichteten Briefe und Petitionen, den Gestattungsvertrag nicht zu unterschreiben, noch die vielen Appelle und Aufklärungs-Aktionen, Presseerklärungen und juristischen Schritte, die Beschwörung der Naturschönheit, z.B. in den Fotos von Tomoko Arai (1), und des Denkmalschutzes, die tapferen Aktionen der Parkschützer, die sich den Baumaschinen und der Polizei in den Weg gestellt haben, konnten die Fällaktionen verhindern.

In ohnmächtigem Zorn zogen am Abend Demonstrationen durch die Stadt, um das Unrecht der Zerstörung anzuprangern - dieses Unrecht, das geschieht gleich auf mehreren Ebenen:

„Beim Rosensteinpark handelt es sich nicht nur um ein sogenanntes „einfaches“ Kulturdenkmal, sondern um ein solches von besonderer Bedeutung, welches einen gesteigerten Schutz genießt.“
...so heißt es in den Planfeststellungs-Unterlagen 1.5 des EBA (Eisenbahnbundesamt) von 2006.
Er ist außerdem ein besonderes Naturschutzgebiet nach den europäischen FFH-Richtlinien, bekannt unter der Bezeichnung NATURA 2000. Damit soll die Tier- und Pflanzenwelt sowohl an sich, als auch für den Menschen als lebenswichtiger Naturraum geschützt werden, auch für die Zukunft unserer Kinder – in einer Feinstaub-Metropole besonders wichtig!

Der Rosensteinpark ist also ein besonders schützenswertes Gebiet, das bestreiten nicht einmal die Befürworter von S21. Diesen besonderen gesetzliche Schutz hat das EBA aber aufgehoben mit der Begründung, dass „..überwiegende öffentliche Belange die Befreiung (von diesem Schutz) erfordern.“
Welche öffentliche Belange das sind, werden die meisten hier schon wissen – ich zitiere aber noch einmal:

„Als Teil der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm-Augsburg dient dieser Streckenabschnitt (da ist mit S21 u.a. auch der Rosensteinpark gemeint) auch der Schaffung einer leistungsfähigen Bahnverbindung zur Einbindung der Region Stuttgart in das innerdeutsche und internationale Schienennetz. Gegenüber dieser überragenden Verkehrsbedeutung haben die Schutzinteressen, die mit dem Landschaftsschutzgebiet verfolgt werden, zurückzutreten“. Zitat Ende.
Der Gipfel der Heuchelei, denkt man, denn eine leistungsfähige Bahnverbindung hatten und hätten wir schon, wenn die DB AG nicht in den zurückliegenden Jahrzehnten die Bahnanlagen hätte verkommen lassen, und mit Schienen- und Weichenabbau und Entlassung Zigtausender Mitarbeiter die ehemalige Eisenbahn auf Teufel komm raus für den Börsengang und die bereitstehenden Investoren heruntergewirtschaftet hätte.

Dem EBA war aber damals von der DB vorgemacht worden, dass Stuttgart 21 das Doppelte an Verkehrsleistung bringt! Inzwischen wissen wir: eher das Gegenteil ist der Fall! Die Kapazität des Bahnhofs wird nahezu halbiert – damit entfällt auch die sogenannte Planrechtfertigung – aber mit allen Tricks wehren sich die S21-Profiteure und ihre Helfershelfer gegen eine unabhängige Untersuchung der Leistungsfähigkeit, denn damit steht und fällt S21 – und genau das fordern wir.

Was die DB AG von solchem Schutz (der Natur) hält, hat sie vergangene Woche demonstriert. Sie will bauen, bauen, bauen, um Stadt und Land erpressen zu können, wenn das Geld ausgeht. Das heißt dann marktgerechte Demokratie, wenn die Gier des anonymen Kapitals nach Profit, Rendite und geldwertem Vorteil die Städte zerstören darf, wie es der renommierte deutsche Architekt Hans Kollhoff vor wenigen Tagen beschrieben hat (2).

Wir appellieren erneut an die Verantwortlichen und fordern darum:

  • Herr Kretschmann, verstecken Sie sich nicht länger hinter der sog. Volksabstimmung! Befragen Sie Ihr Gewissen und stehen Sie ein für das, was Sie vor der Wahl versprochen haben, nämlich alles dafür zu tun, S21 zu beenden.
  • Herr Hermann, fassen Sie sich wieder ein Herz, haben Sie Mut, für Ihre Überzeugung einzustehen und verlangen Sie von der DB alle ausstehenden Unterlagen, zu deren Herausgabe sie verpflichtet ist!
  • Herr Schmid, werden Sie Ihrer Verantwortung für die Finanzen des Landes und damit aller Bürger endlich gerecht und verlangen Sie Klarheit über die weitere Finanzierung, ehe weitere Baumaßnahmen erlaubt und weitere Gestattungsverträge unterschrieben werden, die im Rosensteinpark auch noch die wunderschönen alten Bäume am Prallhang zum Neckar kosten (3)!
  • Herr Ramsauer, verstecken Sie sich nicht hinter der privatwirtschaftlich organisierten DB mit ihren sog. „eigenwirtschaftlichen“ Projekten, die ja doch wir Steuerzahler bezahlen müssen! Üben Sie endlich Ihre Aufsicht als Hauptaktionär aus!
  • Frau Merkel, hören Sie nicht nur auf die Experten der DB, auf die Sie sich vor der BT-Wahl hier in Stuttgart berufen haben! Zur Demokratie gehört das „Audiatur et altera pars“ – das Anhören der anderen Seite! Wir wollen keine absolut marktgerechte Demokratie, sondern den demokratiegerechten Markt!
  • Wir fordern nach wie vor ein sofortiges Moratorium, eine Beendigung der weiteren Baumaßnahmen und vor allem der Zerstörungsmaßnahmen mit unabhängiger Überprüfung der Leistungsfähigkeit von S21 und der Neubaustrecke!
  • Ausstieg der Stadt Stuttgart aus der millionenteuren Subventionierung des DB-Konzerns und
  • Eine Stadtentwicklung jetzt schon auf den bereits freien Flächen - für die Menschen, mit den Menschen und nicht für die Investoren irgendwann in der Zukunft.

Lassen wir uns nicht verbittern, bleiben wir standhaft, friedlich und beharrlich –
Kurz: Lasst uns OBEN bleiben!

(1) http://www.youtube.com/watch?v=4RZDRpvAd_w ab 18:20
(2) Deutschlandfunk vom 27.10.2013 (MP3)
(3) Kostenbetrug: http://www.youtube.com/watch?v=_On5wCrHTe0

Redetext als PDF-Datei

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Rede von Thomas Renkenberger bei der 195. Montagsdemo

  1. Theophil Stetter sagt:

    Dem Inhalt des Beitrags stimme ich voll zu.
    Gestern erlebte ich bei einer Fahrt von Bietigheim-Bissingen nach Cannstatt und retour(mit RE, Stadt- und S-Bahn), was den Reisenden mit der Verlegung der Bahnsteige auf dem Stgt. Hbf zugemutet wird: Schwer zumutbare Laufwege v.a. für die zahlreichen Alten und Gehbehinderten. Das kann doch nicht auf Jahre so bleiben! Warum keine Laufbänder o.ä.; Desorientierung der Reisenden, weil auf den vorverlegten Bahnsteigen die elektronische Anzeige fehlt. Keinerlei Übersichtlichkeit im Zeichensystem, z.B. barrierefreier Ein- Ausgang, Übergänge zu Bus und U-Bahn. Keinerlei Hinweis auf Übergang bzw. Fahrtmöglichkeit zum Omnibusbahnhof. Dessen Verlegung ist sowieso einer der größeten Dummheiten. Hauptsache, 7 Schwaben haben einmal den Spieß geführt (Rommel, Späth, Dürr,Teufel, Öttinger, W. Drexler, Nils Schmid – die „Badenser Goll und Mappus hinterherhechelnd… : Wo bleibt der Schutz von uns Normal- Bürgern, den eigentlichen Eigentümern und wirklichen Nutzern der Bahn (ich war bis 2007 26 Jahre lang Berufspendler mit der Bahn von Sachsenheim, später Bietigheim-Bissingen versus Stuttgart). Die „7 Schwaben“ und ihr Anhang waren und sind nichts als den Dienstwagen gewöhnt Ausnahme Teufel: Wie hat er nur die vorsintflutlichen Zustände auf der „Gäubahn“ ertragen? Da muss man entweder vor Erschöpfung schlafen oder besoffen sein! Auch ich erwarte von Kretschmann & Team, dass sie endlich nach ihren wahren Überzeugungen handeln. Der Flop der Volksabstimmung von 2011, wo eine Mehrheit von „Baden-Württembergern“über das Stuttgarter Bahnprojekt abgestimmt hat, die weder davon betroffen noch sachkundig informiert ist, muss und kann mit Klugheit überwunden werden. Eine große Verantwortung liegt auf denen, welche die Koalitionsvereinbarungen in Berlin aushandeln werden, egal von welcher Partei.
    Theophil Stetter, Bietigheim-Bissingen

  2. Ruther Hans-Jürgen sagt:

    Hallo ihr Lieben, wisst ihr eigentlich warum die Bahn so hinter diesem Bau her ist? – Erstens zahlt das die Öffentlichkeit……
    ABER: Die Bahn bekommt beim Bau Geld für die
    miserable Planung: 16% aus der Bausumme – je teurer je besser! Klingelts bei Euch? Gruss HJR

Kommentare sind geschlossen.