23. Dezember – Adventsmail aus Stuttgart-West

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kuhn,

niemand hatte am 18. Februar, als wir Ihnen unsere Ordner mit unseren Anliegen überbracht hatten, gedacht, Sie seien der Weihnachtsmann, bei dem wir nur unsere Wünsche vorbringen müssten und dann würden diese hübsch verpackt spätestens am morgen beginnenden Weihnachtsfest erfüllt werden. Allerdings hatten wir schon aufgrund Ihres Wahlkampfes und der Tatsache, dass es Ihnen in Ihrem neuen Amt nicht um eine Wiederwahl in acht Jahren gehen kann und Sie damit auch nichts zu verlieren haben, darauf gehofft, dass Sie als Oberbürgermeister von Stuttgart im Rahmen Ihres Amtes im Gegensatz zu Ihrem Vorgänger doch etwas mehr zu einer Art weihnachtlicher Lichtgestalt werden würden - auch was das Thema “echte“ Bürgerbeteiligung betrifft.

Dass Sie aber den Bürgerhaushalt als das Instrument für echte Bürgerbeteiligung schlechthin betrachten und es damit als Vorzeigemodell in den Vordergrund rücken, unterscheidet Sie leider nicht von Ihrem Vorgänger. Wir wissen, wie viel Arbeit in den Vorschlägen der Bürger für den Bürgerhaushalt steckt, da wir sie schließlich auch leisten, und wir sehen zum wiederholten Male, dass dies absolut vergebliche Liebesmüh ist. Der Bürgerhaushalt hat sich auch dieses Mal wieder als reine Farce erwiesen.

Es mag sein, dass Ihr persönliches Bild vom Stuttgarter Westen durch die zum großen Teil wirklich sehr schöne, grüne Halb- und Höhenlage Sie ein wenig zu sehr von den auch hier vorliegenden Problemen ablenkt. Denn der Westen ist, wenn man den Blick in die andere Richtung schweifen lässt, das am dichtesten besiedelte Stadtgebiet in Stuttgart und daraus ergeben sich nicht nur verkehrspolitische Probleme oder die Frage, welches Plätzle man jetzt noch wie verschönern könnte. Im Gegenteil!

Ein Bruchteil der Bewohner-Probleme wurde Ihnen im Februar bei der Übergabe der Ordner und im Rahmen des Bürgerhaushaltes zur Kenntnis gebracht. Wir sind uns durchaus darüber im Klaren, dass viele unserer Anliegen auch an bürokratischen Hürden scheitern, dass es gerade diese sind, die unsere Verbesserungsvorschläge im Keim ersticken.

Wir würden es aber sehr begrüßen, wenn wir als Bürger von der Stadt mehr wirkliche Unterstützung in Form von Transparenz (in keinem Gremium unöffentliche Sitzungen mehr - weder in Ausschuss-, Bezirks- noch in Gemeinderatssitzungen, sondern vielmehr auch Übertragung dieser Sitzungen im Internet, kostenlose Veröffentlichung des Amtsblattes im Internet etc.), in Form von echter Bürgerbeteiligung (Direktwahl der Bezirksbeiräte, wirkliche, ernst genommene Sprechzeiten für Bürger in Bezirksbeiratssitzungen, echter Bürgerhaushalt etc.) und in Form finanzieller Mittel sowie der Bereitstellung von Räumen (selbstverwaltetes Bürgerhaus im Westen) für unsere ehrenamtliche Arbeit erhalten würden. Nur dadurch könnten die Weichen für eine wirkliche Veränderung gestellt werden. Denn genau dies ist es, was wir wollen. Wir streben langfristige Verbesserungen für mehr Lebensqualität an. Und dabei möchten wir uns auch aktiv einbringen.

Als Beispiel sei hier die vorbildliche Arbeit der Bürgerinitiative “Der Mast muss weg“ genannt (http://www.der-mast-muss-weg.de/), die sich seit Jahren dafür stark macht, uns auf die gesundheitlichen Gefahren durch die Mobilfunkstrahlung aufmerksam zu machen. Die uns aber auch Alternativen aufzeigt, wie man diese Risiken verringern könnte, ohne vom Fortschritt abgehängt zu werden oder irgendwelche Bequemlichkeitseinbußen hinnehmen zu müssen. Leider erhalten diese engagierten Menschen aber kaum Unterstützung aus den entscheidenden Gremien, offensichtlich weil die Lobby der Unternehmen, die von Kundendaten und Geräteverkauf profitieren, den Blick für die Probleme vernebelt, die durch den laxen Umgang mit angeblich moderner Technologie uns, unseren Kindern und Kindeskindern entstehen werden. Ganz nach dem Motto: Wirtschaft vor Wissenschaft.

Herr Oberbürgermeister Kuhn, wir brauchen mehr als tröstende Worte oder beschwichtigende Reden. Wir brauchen Taten und Veränderungen! Wir brauchen Ihren Einsatz, Ihre Hilfe.

Wir hoffen auf ein gutes neues Jahr und einen guten neuen Gemeinderat, mit dessen Hilfe sich für Sie dann auch entsprechend mehr Möglichkeiten ergeben, uns in unserer Arbeit zu unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für friedliche Weihnachten,

G. Gräber und A. Wollny
stellvertretend für viele engagierte Bürger aus Stuttgart West

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