Rede von Beate Vacano auf der 268. Montagsdemo

Den Redetext gibt es ab Donnerstag, 23.4. auch an der Mahnwache. Bei der Montagsdemo war die gedruckte Version leider noch nicht verfügbar.

Rede von Beate Vacano, Klinikum Stuttgart, auf der 268. Montagsdemo am 20.4.2015

Gute Kita und gute Pflege statt Tunnelwahn!

Liebe Freundinnen und Freunde von wirklich lohnenden Zukunftsprojekten,

vielen Dank an die Organisatoren der Montagsdemonstrationen, dass ich heute zu Euch sprechen kann. Es sind vertauschte Rollen, denn normalerweise höre ich die Reden der Montagsdemos bei Euch unten. Heute bin ich mal diejenige, die zu Euch spricht.

Ich heiße Beate Vacano und bin Sozialarbeiterin im Klinikum Stuttgart. Zusammen mit mehreren tausend Erzieherinnen, Sozialarbeitern, Heilerziehungspflegern und Beschäftigten in Behindertenwerkstätten stehe ich heute zum zweiten Mal in einem ganztägigen Warnstreik. Vor wenigen Stunden hat hier an gleicher Stelle die Abschlusskundgebung mit 12.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Baden-Württemberg und Gästen aus Bayern stattgefunden.

Es geht nicht einfach um eine Tarifrunde zu einer Lohnerhöhung, sondern um eine grundsätzliche Aufwertung unserer Tätigkeiten durch eine Neuregelung der Eingruppierung. 2005 mussten wir sogar Verschlechterungen hinnehmen, die wir erst 2009 nach einem langen Arbeitskampf wieder wettmachen konnten. Dieses Jahr geht es nun endgültig um unsere Aufwertung.

Die Berufe im Sozial- und Erziehungsdienst, fast reine Frauenarbeitsplätze, sollen endlich an die Wertigkeit herangeführt werden, die für typische Männerberufe mit vergleichbarem Qualifizierungsniveau und entsprechender Verantwortung schon lange gelten. Wir sind es leid, am Frauentag oder am Equal-Pay-Day, der die strukturelle Schlechterbezahlung von Frauen dokumentiert, von den Politikern zu hören: „Selbst schuld, warum ergreift ihr nicht Berufe, die besser bezahlt sind?“ Das ist uns gegenüber angesichts unserer Ausbildung bzw. unseres Studiums ziemlich dreist. Es hilft auch nicht weiter bei der Bewältigung des Problems, auch zukünftig dauerhaft genügend qualifizierte Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst zur Verfügung zu haben. Hier geht es im Gegensatz zu Stuttgart 21 tatsächlich um sinnvolle Geldanlagen für die Zukunft.

Während bei Stuttgart 21 jeder Euro, der aufgewandt wird, zerstört, zahlt sich jeder Euro, der zum Beispiel in die frühkindliche Betreuung gesteckt wird, doppelt und dreifach aus. Deshalb nehmen wir jetzt die Sache selbst in die Hand!

Insgesamt mit den kirchlichen Einrichtungen sind bundesweit insgesamt 500.000 Beschäftigte von dieser Auseinandersetzung um die Aufwertung unserer Berufe betroffen. In den Verhandlungen sagen uns die Vertreter der kommunalen Arbeitgeber, wie wichtig und notwendig unsere Arbeit gerade auch in der frühkindlichen Erziehung ist. Aber eine entsprechende Bezahlung verweigern sie uns. Hier sollen warme Worte reichen.
Die Vertreter im Arbeitgeberlager bei diesen Verhandlungen sind Landräte, Bürgermeister und Oberbürgermeister. Vertreter von Parteien, die sich bei teuren Großprojekten sonst nicht so schwer tun und sie durchziehen, koste es was es wolle. Und den Oberbürgermeistern und Landräten ist kein Argument zu schade, um es gegen uns zu verwenden.

So beklagen sie, für uns sei kein Geld da, weil die Kommunen für die Flüchtlinge so viel aufbringen müssten. Es ist schäbig, dies gegeneinander auszuspielen.

Diese Arbeitgebervertreter haben uns vorgerechnet, dass die Umsetzung unserer Forderung für 240.000 direkt betroffene Kolleginnen und Kollegen den Kommunen etwa 500 Millionen Euro an zusätzlichen Kosten bescheren würde. Ein Betrag für Mehrkosten, für den die, die hinter Stuttgart 21 stehen, nicht einmal zu einer Pressekonferenz laden würden. Mit dem Geld, das allein dieses unsinnige Stuttgart 21 Projekt kostet, könnte unsere dringend notwendige Aufwertung 10 – 20 Jahre lang finanziert werden und zwar für alle Kommunen Deutschlands.

Unsere Gesellschaft ist reich. Der Reichtum wächst stetig. Das Geld wird aber immer ungleicher verteilt oder zum Teil für unsinnige Prestigeobjekte verschwendet.

Bei ver.di in der Theodor-Heuss-Straße steht im Schaufenster eine Reichtumsuhr. Danach steigt der Reichtum der Menschen, die zu dem reichsten Prozent in Deutschland gehören, vorsichtig geschätzt alle 90 Stunden um eine Milliarde Euro.

Für die 500 Millionen Euro Kosten unserer Forderung würde es also reichen, im Laufe eines Jahres den zusätzlichen Reichtum der Reichsten – den Zinsgewinn von 45 Stunden, also weniger als zwei Tage – für uns einzusetzen.

Und unser Vorteil ist, dass wir mit einem verbesserten Eingruppierungstarifvertrag nicht nur einzelne Kommunen belasten, sondern die Kommunen insgesamt. Denn dann muss die Politik bei der Finanzierung der Kommunen handeln.

Heute und Morgen sind die Schlussverhandlungen angesetzt. Entweder gibt es einen Abschluss oder zumindest ein Angebot, für das es sich lohnt, noch einmal zu verhandeln. Oder es wird eine Urabstimmung geben, die mit Sicherheit in einem unbefristeten Streik enden wird. Dafür bitten wir Euch alle um Unterstützung.

Unterstützt uns in Gesprächen mit Verwandten, Freunden, Nachbarn und Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen. Wir meinen es ernst! Es haben sich nicht nur unsere Arbeitsbedingungen geändert, sondern auch wir selbst. Wir lassen uns das alles nicht mehr gefallen!

Wenn die vom Streik betroffenen Eltern oder die bei der sozialen Arbeit Ratsuchenden den Streik schnell beendet sehen wollen, müssen sie sich an die verantwortlichen Politiker in den Rathäusern und Landratsämtern wenden. Wir bleiben diesmal stur.

Wenn wir so viel erreichen wollen wie zum Beispiel die Daimlerarbeiter, dann lassen wir uns genauso wenig in unseren Streik hineinreden. Sonst haben wir in den sogenannten Frauenberufen im Sozial- und Erziehungsdienst keine Chance. Wer als Betroffener oder Betroffene mit unserer Nachgiebigkeit rechnet und uns unter Druck setzt statt die verantwortlichen Politiker, schwächt unsere Position und verlängert damit den Streik. Wir und ver.di haben uns auf eine, wenn notwendig, sehr lange Auseinandersetzung eingestellt. Und bei der notwendigen Ausdauer und Hartnäckigkeit nehmen wir uns gerne die gegen Stuttgart 21-Bewegung als Vorbild.
Also: gemeinsam gegen Geldverschwendung bei unsinnigen Projekten wie Stuttgart 21 und gemeinsam für eine lohnende Geldanlage für die Zukunft für uns alle, für die beste Förderung unserer Kinder und für die Beratung für Hilfesuchende durch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter.

Für die beste Förderung behinderter Menschen, für eine echte nachhaltige Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe!

Sozial- und Erziehungsberufe, richtig gut – aufwerten jetzt!

Vielen Dank für Eure Unterstützung – oben bleiben!

Wer auf dem aktuellen Stand der Auseinandersetzung sein will, kann sich im Internet unter www.sos-sue.de informieren.

Redetext als PDF-Datei

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