Rede von Gotthart Schulz, Göppinger Aktionsbündnis für K21, auf der 341. Montagsdemo am 10.10.2016: „Probleme, die durch Stuttgart 21 im Filstal entstehen“

Liebe Mitstreiter!

8 Zulaufstrecken hat der Stuttgarter Bahnhof, eine verläuft im Neckar- und Filstal. Folgende Zugarten fahren dort: ICE, IC, IRE, RE, RB (Abkürzungen siehe * unten) und Güterzüge, alle mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, die Strecke ist also voll ausgelastet.

Der Göppinger Kreistag, glühender Verehrer von S21, wollte nun auch noch die S-Bahn dort fahren lassen. Man blickte neidisch auf die Nachbarkreise, die eine S-Bahn haben. Es wurden zwei Gutachten mit hohen Kosten erstellt, die beide wegen mangelndem Nutzen verworfen wurden.

Nun wäre eine S-Bahn von Göppingen durchaus möglich gewesen und ist es immer noch durch die Reaktivierung der ehemaligen Strecke nach Bad Boll. Die Verlängerung würde über Weilheim nach Kirchheim/Teck führen. Mit ‚Umstieg 21‘ wäre dann eine ideale Verbindung nach Stuttgart und zum Flughafen möglich. Die Brücken über die Fils und die alte B10 sind erhalten, auch ist die alte Trasse nicht verbaut. Die Ortschaften an dieser Trasse sind seit der Stilllegung größer geworden, eine Rentabilität wäre zu erwarten.

Der augenblickliche Bahn-Nahverkehr ist nicht ideal, aber akzeptabel, wenn es nicht die vielen Verspätungen gäbe, die die schnellen Züge verursachen, die bekanntlich immer Vorfahrt haben. Und natürlich die technischen Probleme: Weichen, Signale, klemmende Türen. Man kommt aus dem Göppinger Raum im Stundentakt mit RE von fast allen Bahnhöfen in einer halben Stunde nach Stuttgart, im Halbstundentakt mit Regionalbahnen bis Plochingen.

Auf der Filstalstrecke fährt heute der IRE mit einer Diesellok von Lindau nach Stuttgart. Dieser soll nun stündlich (bisher zweistündlich) von 7 bis 23 Uhr fahren. Damit dies fahrtechnisch möglich wird, werden ein paar Halte gestrichen, u.a. in Süßen und in Amstetten. Damit kommen die Leute aus dem Lautertal um Donzdorf mit Zustieg in Süßen nicht mehr wie bisher nach Stuttgart. Für diesen zusätzlichen schnellen Zug muss die Trasse frei sein und bringt Nachteile für die kleinen Haltestationen. Auf einer Verkehrskonferenz in Süßen am 20.9.2016 mit Minister Hermann einigte man sich auf einen Halt des IRE frühmorgens in Süßen. Ein Vorschlag, den Fahrplan bis 2019 nicht zu verändern, weil dann erst der Metropol-Express zum Einsatz kommt, wurde abgelehnt.

Ein Großteil der Leute will auch zukünftig nach Bad Cannstatt, was nur durch Umsteigen in Plochingen oder Esslingen in die S-Bahn möglich sein wird, weil die Hauptstrecke vor Untertürkheim unter den Neckar geleitet wird. Die Unterfahrung des Neckars hat auch Folgen für die Tübinger Züge. Sie fahren heute auf den S-Bahn Gleisen, müssen aber dann auf die Hauptstrecke, die aber heute schon überlastet ist.

Der Metropol-Express sollte ursprünglich wegen zu geringer Fahrgastzahlen nur von Stuttgart bis Süßen fahren. Auf Druck der Landtagsabgeordneten Nicole Razavi (CDU) u.a. wurde die Fahrt bis Geislingen durchgesetzt, mit der Folge, dass sich der Kreis ab 2019 mit rund 1,08 Mio. Euro pro Jahr an der Finanzierung beteiligen muss. Außerdem muss der Kreis rund 3 Mio. Euro für den Bau eines zusätzlichen Gleises und Bahnsteigs in Geislingen bezahlen. Eine weitere Folge des stündlichen IRE ist, dass Züge in Richtung Ulm 20 Minuten in Geislingen warten müssen, weil die Trasse nicht frei ist.

Vor allem die Anlieger im Filstal würden sich freuen, wenn der Güterverkehr verschwinden würde. Da vor Ulm aber ein Containerbahnhof eingerichtet wurde und NBS dafür nicht tauglich ist, bleibt dieser Wunsch unerfüllt.

Jemand wohnt an der Grenze zu Bayern, hat aber seinen Arbeitsplatz in Stuttgart. Er fährt täglich mit dem Auto von seinem Wohnort 12 km zum Bahnhof nach Amstetten, welcher oberhalb von Geislingen liegt. Dort sind reichlich kostenlose Parkplätze vorhanden. Ab 2017 müsste er nach Geislingen fahren, zusätzliche 5 km. Dort sind wenig Parkplätze und diese gibt es nur gegen eine Parkgebühr. Hier wird deutlich, wie eine an sich gute Sache durch mangelnde Planung in der Vorbereitung für manche Leute zur Katastrophe wird.

Geislingen ist der Wahlkreis von Frau Razavi. Es gab vor kurzem einen Leserbrief, der in dem Satz gipfelte: Verkehrsminister Herrmann wolle sich an ihr rächen, weil sie ihn immer bekämpft habe und deshalb habe er einen schlechten Fahrplan für Geislingen ab 2017 genehmigt. Die Streichung der Halte in Amstetten und Süßen und die Wartezeit von 20 Minuten in Geislingen hat die Gemeinderäte von Süßen, Eislingen, Ebersbach und dem Kreistag auf die Palme gebracht. Sie wollen die Verschlechterungen der Fahrpläne nicht hinnehmen. Es heißt: „Verkehr nach Ulm geht kaputt, verlängert sich um 58%, weil ab Geislingen nur noch RB fahren, die an allen Stationen halten!“ Ein Umsteigen
in Geislingen in einen IRE ist möglich, bringt bei einem Stundentakt aber keine Vorteile.

Ein Berufsschüler aus Reutlingen musste in die Berufsschule nach Göppingen, weil sein Fach nur dort angeboten wird. Wegen Problemen beim Umsteigen in Plochingen konnte er nicht rechtzeitig zu Schulbeginn in Göppingen sein. Er hat gegen das Kultusministerium geklagt und vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart Recht bekommen. Die Pflichtschule muss mit öffentlichen Verkehrsmitteln pünktlich erreicht werden können. Da dies nicht möglich war, musste er übernachten und bekam vom Verwaltungsgericht deshalb 3.000 € zugesprochen. Das könnte bald weitere Schüler betreffen.

Die Neubaustrecke ist steiler als die Geislinger Steige, klettert ca. 150 m höher und hat durch die langen Tunnel einen erheblichen Energiebedarf, auf Dauer! Die Gemeinde Merklingen hat rund 2.000 Einwohner und bekommt an der Hochgeschwindigkeitsstrecke einen Bahnhof. Doch Merklingen hatte bis 1985 einen Bahnhof mit einer Schmalspurbahn nach Amstetten. Ein Gutachten befürwortete den Nutzen bei 20 Millionen Baukosten. Bei der Baugenehmigung waren es schon 40 Millionen!

Wenn Stuttgart 21 je fertig wird, wird es zwei Strecken von Ulm nach Stuttgart geben, eine durchs Filstal, eine über NBS. In Merklingen ist dann ein Bahnhof, folglich müssen dort auch Züge halten. Die Frage lautet: wie oft? und welche? Ein ICE wird es sicher nicht sein! Hält der IRE aus Lindau dort stündlich? Mit einer Elektrolok dürfte er in die S21-Tiefhaltestation! Fährt der Zug im Stundentakt im Filstal und auf der NBS? Es gibt genug Leute, die ihre Arbeitsstelle im dicht besiedelten Filstal, in Esslingen oder Bad Cannstatt haben und deshalb nicht über die NBS fahren werden. Dieser Bahnhof in Merklingen geht folglich zu Lasten und zum Nachteil von Geislingen und dem Filstal, dieses hat 150.000 Einwohner! Es ist kaum anzunehmen, dass auf beiden Strecken ein dichter Takt von den Kosten her sinnvoll ist.

Für einen funktionierenden Nahverkehr brauchen wir einen zukunftsfähigen Bahnhof! Darum wollen
wir oben bleiben!

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