Neues aus der unschönen Welt der S21-Juristen und Neues zum S-Bahn-Ringschluss

Rede von Steffen Siegel, Schutzgemeinschaft Filder, auf der 381. Montagsdemo am 14.8.2017

Neues aus der unschönen Welt der S21-Juristen und Neues zum
S-Bahn-Ringschluss

Liebe Freunde,

eine Spur der Verwüstung zieht sich von Ulm über die Alb und Wendlingen bis zum Tunnelmund am Fasanenhof entlang der Autobahn. Stuttgart 21 lässt grüßen. In den Stuttgarter Kessel mag man gar nicht hinabschauen. Über die Autobahn quält sich eine Kolonne voll stinkender, oft stehender LKW und SUV´s, und die meisten Autos sind nur mit einer Person besetzt. Das Klima spielt verrückt und ebenso die Deutsche Bahn. Umstieg auf den ÖPNV ist angefragt, auch auf die Bahn, aber eben nicht auf das zerstörerische S21. Allein entlang der Autobahn sollen bei S21 von Wendlingen bis zum Fasanenhof für den 8-spurigen Ausbau der Autobahn und für die Schnellbahntrasse ca. 60 ha bester Filderlössboden (ca. 100 Fußballfelder) für alle Ewigkeit zerstört werden.

Die Bahn plant hier auf den Fildern ein obszön teures Projekt, mit dem auch noch die S-Bahnen ausgebremst werden und nicht nur die. Dabei wäre der Umstieg auf die S-Bahn ein winzig kleiner, aber dennoch dringend nötiger Aspekt, um den Klimawandel zu mildern – und damit auch unseren Kindern eine lebenswerte Zukunft ermöglicht wird.

Bei S21 sollen ICE´s und RE´s (ich nenne sie jetzt kurz Gäubahnen) zwischen Rohr und Flughafen auf den bestehenden Gleisen im Mischverkehr fahren. Dieser Mischverkehr soll auch jetzt beim gerade ausliegenden Planfeststellungsabschnitt 1.3b genauso erhalten bleiben. Und dabei sagte doch schon 2015 der Gutachter Dr. Steinborn von der TU Dresden: „Gegenüber dem Ausgangszustand ergibt sich (durch S21) eine deutliche Verschlechterung der Betriebsqualität für die S-Bahnen sowie teilweise hohe Verspätungen für die ICE und RE.“

Was man meist nicht bedenkt: es geht hier nicht nur den S-Bahnen an den Kragen, sondern auch den Gäubahnen. Neuer Arbeitgeber für Herrn Dr. Steinborn ist übrigens inzwischen die DB!

Das Problem hier: die S-Bahnen fahren abwechselnd in 10- und 20-Minuten-Abständen. Beim nötigen Sicherheitsabstand und weil die S-Bahnen zwischen Rohr und Flughafen dreimal halten müssen, bringt man die durchfahrenden Gäubahnen nur im 20-Minuten-Fenster unter, also nur zwei Gäubahnen pro Stunde und Richtung. In der Hauptverkehrszeit fahren aber schon drei Züge. Geht also nicht, und bei Verspätungen von S-Bahnen und/oder Gäubahnen wird der jetzige S-Bahnbetrieb und der Gäubahnbetrieb durch S21 zusätzlich deutlich verschlechtert. Das nennt man Rückbau einer leidlich funktionierenden Infrastruktur.

Die von uns von Beginn an geforderte Lösung kann nur sein: Wir belassen die Gäubahnzüge auf der bestehenden Trasse über Vaihingen nach Stuttgart. Wer die Gäubahnen zum Flughafen umlenkt, nimmt eine Verschlechterung für diese in Kauf.

Trotz großer Bemühungen und raffinierter Tricks ist es den S21-Planern unter diesen Voraussetzungen nicht möglich gewesen, das Planfeststellungsverfahren zu 1.3 bis zum Ende durchzudrücken und einen Planfeststellungsbeschluss herbeizuführen. Also zog man einen Trick aus der Tasche: man teilte den Abschnitt in zwei Teile a und b. Teil 1.3a wurde ohne weitere öffentliche Anhörung durchgezogen. Dagegen klagen wir, mit eurer großherzigen Hilfe. Danke! Abschnitt 1.3b, das ist der mit dem Mischverkehr, soll erst 2 Jahre später fertig werden und dessen Pläne liegen gerade öffentlich aus.

Bei meinem Gespräch neulich mit Peter Sturm von der Projekt GmbH der DB sagte er, eine Betriebssimulation der Bahn zeige, dass dieser Mischverkehr kein Problem sei, ja man könne sogar den S-Bahntakt noch verdichten. Hoppla! Auch bei den Informationsveranstaltungen der Bahn zum Planfeststellungsverfahren zu 1.3b auf den Fildern Ende Mai hieß es wörtlich: „Eine Kapazitätssteigerung ist möglich“, nochmal Hoppla! Das ist schon ungeheuerlich, denn im Planfeststellungsbeschluss (und den kennen die Herren doch hoffentlich) zum Abschnitt 1.3 a vom Juli 2016 steht wörtlich: „Eine Taktverdichtung ist … weder in der Hauptverkehrszeit für die S-Bahn kapazitiv möglich (was wir schon immer sagten) noch gebe es einen entsprechenden Bedarf.“ Kein Bedarf? Na da fragt mal die Filderbevölkerung!

In dem Beschluss heißt es aber auch, dass „…die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der S-Bahn im Filderbereich … nicht in Frage gestellt werden“ und im nächsten Satz heißt es, dass „eine Betriebssimulation gerade zur Hauptverkehrszeit eine Wahrscheinlichkeit für einen Verspätungsaufbau bei der S-Bahn ergab.“

Also was jetzt? Pünktlich ja, verspätet ja, Taktverdichtung nein, Taktverdichtung ja, und überhaupt gibt es ja gar keinen Bedarf usw. Das sind schon absurde Widersprüche. Und die Bahn bezieht sich dabei auf eine Betriebssimulation, die niemand kennt.

Unser Rechtsanwalt Dr. Lieber hat daraufhin das Verw.Ger. (VGH) gebeten, von der Bahn diese Betriebssimulation für die Mischverkehrsstrecke einzufordern, was das Gericht auch tat. Zwei Wochen später reagierten die Rechtsanwälte der Bahn kabarettreif, hier jetzt wörtlich: „Die Beigeladene (d.h. die Bahn) hat zwar eine neue Betriebssimulation in Auftrag gegeben, welche die im eingereichten Planfeststellungsantrag zum PFA 1.3b zugrunde gelegte Anlagenkonfiguration abbildet. Diese Betriebssimulation ist derzeit allerdings noch nicht fertiggestellt. Sie kann daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht übermittelt werden.“

Die Bahn argumentiert seit längerem öffentlich mit einer Betriebssimulation, die angeblich nicht fertig ist und deshalb geheim gehalten wird. Wie soll man da die von der Bahn vorgelegten Pläne bewerten? Das darf weder vom Regierungspräsidium und erst recht nicht vom Eisenbahnbundesamt (EBA) akzeptiert werden. Das Planfeststellungsverfahren 1.3b ist ohne Offenlegung dieses – angeblich die Zukunftssicherheit der Maßnahme begründenden – Gutachtens nicht zulässig und muss daher sofort gestoppt werden!

Man stelle sich vor, ein Architekt gibt ein Baugesuch für ein kleines Häuschen ab ohne die Untersuchung, wie z.B. das Abwasser abgeleitet werden soll, mit der Begründung, diese sei noch nicht fertig, Die Behörde würde es dem Antragssteller um die Ohren hauen. Und hier, das EBA geht sogar noch weiter. Das EBA schreibt vor wenigen Tagen an den VGH: „Die genannte, neu erstellte Betriebssimulation lag und liegt der Beklagten (dem EBA) nicht vor. Über die Tatsache, dass die Beigeladene (die Bahn) eine neue Betriebssimulation in Auftrag gegeben hat, erfuhr die Beklagte über dieses Verfahren. Von vornherein zweifelhaft ist, ob die Klägerin (also wir) berechtigt ist, als anerkannte Vereinigung eine Betriebssimulation zu fordern. Hierbei werden keine Normen in Bezug genommen, die dem Umweltschutz dienen.“

Das heißt doch wohl, das EBA behauptet, wir dürften nichts fordern, weil die Störungen des S-Bahnbetriebs nichts mit Umweltschutz zu tun hätten.

Nochmal, weil man es nicht glauben kann: Das Amt, das letztendlich den Planfeststellungsbeschluss aussprechen soll, sagt, es wisse nicht, dass die Bahn ein entscheidendes Gutachten zum laufenden Verfahren erstellt und außerdem ginge es die Öffentlichkeit nichts an. Das ist frech und abgrundtief und bodenlos! Wir als Kläger, eigentlich alle Bürger, haben doch wohl ein Anrecht darauf, es zu erfahren. Es ist wie im Tollhaus.

Zusammengefasst:

  1. Die jetzige S-Bahnqualität und Gäubahnqualität ist nur ohne Mischverkehr zu erhalten, d.h. wenn die Gäubahn weiterhin so wie bisher auf der Panoramastrecke nach Stuttgart fährt. (Frank Distel hat gezeigt, wie es geht.) Auch nur so wäre das jetzt praktizierte Notfallkonzept für die S-Bahn aufrecht zu erhalten.
  2. Nur so ist eine von allen geforderte Taktverdichtung möglich.
  3. Diese wäre insbesondere dann noch dringlicher, wenn man die S-Bahnlücke zwischen Bernhausen (oder zukünftig Neuhausen) und Wendlingen zu einem Ringschluss schließen will.

Diesen S-Bahn-Ringschluss fordert die Schutzgemeinschaft Filder schon lange. So im Filderdialog, wo er im Mehrheitsergebnis formuliert wurde, das allerdings von Bahn und Ministerium im Handstreich weggewischt wurde, aber wir forderten dies auch ausdrücklich im Planfeststellungsverfahren zu 1.3.

Unser unermüdlicher Klaus Gebhard hat verschiedene Varianten in hervorragender Weise ausgearbeitet und in der Broschüre „Umstieg 21“ vorgestellt. Diese Ideen wurden auch dem Verkehrsministerium erläutert. Dieses meinte sinngemäß: Gute Idee aber in absehbarer Zeit nicht umsetzbar, schon gleich nicht, weil S21 viel Geld bindet. Na, dann müssen wir eben gerade auch deshalb aus S21 aussteigen! Ein Aus- oder Umstieg würde der Ringschlussidee nur dienen.

S21 zerschneidet die Filderebene ohne Halt, außer am Flughafen, S21 kostet beste Filderböden, S21 macht Lärm und kostet unanständig viel Geld, S21 würde allenfalls den klimaschädlichen Flugverkehr puschen. Ein Ringschluss würde in einer Größenordnung von 500 Mio. € kosten, ein gleichzeitiger Ausstieg (Umstieg) aber ca. 5 Milliarden (5000 Mio.) einsparen. Man müsste es sogar dann tun, wenn der Vergleich Null auf Null ausginge.

Da das teure Fehlprojekt Stuttgart 21 eine solche Investition (500 Mio.) auf Jahrzehnte blockieren würde, müsste diese sinnvolle, zukunftsweisende Planung auf unbestimmte Zeit vertagt werden. Ein dringend gebotener Beitrag zur sinnvollen Verkehrserschließung der Filder und damit zur Abmilderung des drohenden Klimawandels käme somit um Jahrzehnte zu spät.

Nun bekommen wir starken Rückenwind aus ganz anderer Richtung. Vielleicht haben unser Umstiegskonzept, aber auch direkte Gespräche von Ingenieuren aus unseren Reihen mit den betroffenen Gemeinden auch dazu geführt, dass eine Gruppe von Neckartal- und Filderbürgermeistern sowie des Landkreises Esslingen eine Studie in Auftrag gab an das verkehrswissenschaftliche Institut der Uni Stuttgart (VWI), das der DB nahesteht.

Dieses Institut hat nun unabhängig die Machbarkeit eines Ringschlusses, aber auch unsere Kostenschätzung bestätigt und einige ihrer Trassenvorschläge stimmen erstaunlich gut mit denen von Klaus Gebhard überein.

Die von den Bürgermeistern und vom VWI nicht gezogene, aber eigentlich zwingende Konsequenz wäre aber die Aufgabe der gesamten S21-Planung, mindestens aber der Verzicht der sinnlosen und fast alle Probleme auf dem Filderabschnitt verursachenden Gäubahnführung über den Flughafen.

Der stattdessen viel sinnvollere Umstieg auf einen S-Bahn-Ringschluss, würde die Region weitaus besser erschließen, die Autobahn nachhaltig entlasten und über optimierte Umstiegsmöglichkeiten in Vaihingen (bei Erhalt der heutigen Gäubahnführung!) und in Wendlingen mindestens gleichwertige Anschlüsse für Reisende aus Südwest und aus Richtung Ulm zum Flughafen bieten, wo sie dann direkt am Terminal ankämen und nicht weit entfernt 27 m unter der Messe.

Etwas Nachdenkliches noch zum Schluss: Auch ein S-Bahnring birgt Gefahren! So schwärmte Herr Thomas Kiwitt, Technischer Direktor und Chefplaner des Verbandes Region Stuttgart kürzlich, die Region sähe in der Verlängerung der S-Bahn nach Neuhausen „viel Potenzial für die Erschließung neuer Flächen sowohl in den Bereichen Wohnen als auch Gewerbe“. Und die Gemeinden wittern Geldquellen beim Ausweisen von Bauflächen und bei den steigenden Gewerbesteuern.

Es besteht die Gefahr, dass ein Ringschluss weniger der Verlagerung des Verkehrs dient als der hemmungslosen Aufsiedlung entlang der Trasse und dies auf den weltweit zu den besten Böden zählenden Filderböden. Genau dies darf nicht passieren!

Ich bin nicht nur wegen meines Namens entschieden gegen eine Versiegelung.

Wer der Filderbevölkerung, wer dem Klima und damit unseren Kindern helfen will, der muss die S-Bahn und die Gäubahn funktionstüchtig erhalten, den Ringschluss vorantreiben die vorliegenden S21-Pläne der Bahn rundweg in den Müll werfen, die Autobahn nicht erweitern, den Landverbrauch eindämmen usw.

Lasst uns bescheiden bleiben, aber höllisch aufpassen. Das Nächstliegende dieser Tage ist, dass wir Einspruch beim laufenden Verfahren 1.3b erheben, schließlich wollen wir hier auf den Fildern lebenswert oben bleiben!

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Eine Antwort zu Neues aus der unschönen Welt der S21-Juristen und Neues zum S-Bahn-Ringschluss

  1. Steffen Hans sagt:

    Das Thema scheint die Betroffenen auf den Fildern nicht sonderlich zu interessieren. Laut Presse sind wohl bisher nur einige wenige Einsprüche eingereicht worden. Die S-Bahn zu verlängern macht Sinn, gleichzeitig aber den Gemeinden verbieten zu wollen neue Wohngebiete zu erschliessen wird wohl nicht klappen. Dazu locken die steigenden Bodenpreise in S-Bahnnähe viel zu sehr.

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