Welche Wege führen zum Umstieg von S21?

Rede von Dr. Eisenhart v. Loeper, Rechtsanwalt und Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21, auf der 397. Montagsdemo am 11.12.2017

Liebe Freundinnen und Freunde,

die bundesweite Resonanz zu Stuttgart 21 ist wieder da, wie beim Bahn-Offenbarungseid vor fünf Jahren. Glückwunsch für Euch und uns, unser allseitiger intensiver Einsatz trägt Früchte! Zugleich zeigt sich aber, dass der Deutschen Bahn AG das Projekt gewaltig aus dem Ruder läuft, etwa bei den Planänderungen zum fehlenden Brandschutz, bei Kostensteigerungen auf vorläufig rund acht Milliarden Euro, beim anerkannt dreijährigen Zeitverzug und vor allem beim Zeit- und Planungschaos auf den Fildern.

Besonders empörend, dass die Bahn – damit zugleich die Bundesregierung als Bahn-Eigentümerin – immer noch das PwC-Gutachten geheim hält. Das beschädigt das öffentliche Interesse, das ist der Demokratie unwürdig. Dies hat das Aktionsbündnis Kanzleramtschef Peter Altmaier erklärt und die Offenlegung der Fakten nach Umweltinformationsrecht eingefordert.

Fragen wir, welche Wege jetzt zum Umstieg von S21 führen: Nähern wir uns dem Ziel oder gilt das Totschlagargument „zu spät“, die Bauarbeiten seien unumkehrbar fortgeschritten?

Schauen wir zuerst auf den schärfsten Zugriff der möglichen Strafverfolgung – wo gerade ein VW- Top-Manager in den USA sieben Jahre Gefängnis verbüßen muss, während sein Konzern sich mit Milliardenzahlungen freikaufen konnte. So bitter bricht für diesen Konzernmanager ein ganzes Leben zusammen. Unsere Strafanzeige wegen Untreue gegen frühere und amtierende Bahnchefs samt den Aufsichtsratsvorsitzenden hat dagegen die Staatsanwaltschaft Berlin zunächst eingestellt, sie behandelt die politisch influenzierte Prominenz mit Samthandschuhen, ohne Anklage zu erheben. Natürlich haben wir dagegen Beschwerde eingelegt, denn die Staatsanwältin nennt zwar interessanterweise kein „zu spät“, aber doch nur Vorwände: Es müssten „klare und deutliche Fälle pflichtwidrigen Handelns“ vorliegen, die das erlaubte unternehmerische Ermessen in unverantwortlicher Weise überschreiten.

Was also sind Punkt für Punkt „klare und deutliche“ Pflichtverletzungen, was sind die Kontra-Argumente gegen unsere Position?

  1. Die Bahn will den Umstieg aushebeln mit der absurden Behauptung von 7 Milliarden Euro Ausstiegskosten: verbaut sind 3-4 Mrd. Euro. Die Verträge sind kündbar, dann sind laut Gesetz allenfalls 5 % der restlichen Vergabesumme ersatzpflichtig. Die Bahn tut so, als müsste sie bei einem Projektabbruch die Tunnel wieder voll zuschütten, sie muss aber nur eine funktionstüchtige Infrastruktur übergeben, so treffend Martin Poguntke in der taz. Der Umstieg spart bei sinnvoller Umnutzung sicher etliche Milliarden Euro.
  2. Die Bahn will sich entlasten, sie könne den Schaden – laut ihren Anwälten – durch ihre Klage auf die Projektpartner abwälzen. Das beträfe nur 65 %, ein Milliardenschaden bliebe, Ausgleichsansprüche, die auf 2009 zurückreichen, wären zudem drei Jahre später schon verjährt. Nicht umzusteigen von S21 bleibt damit allein schon finanziell eine krasse pflichtwidrige milliardenschwere Schädigung des Bahnkonzerns.
  3. Eine hochgradige Verschleuderung von Milliarden Euro folgt außerdem aus drei mit der Strafanzeige beanstandeten, nachweisbar schweren Funktionsmängeln des Projekts, die je für sich genommen Untreue sind: Sie sind allesamt so klar und eindeutig, dass die Staatsanwaltschaft hier keinesfalls die Strafverfolgung unterlassen und damit den Verdacht der Strafvereitelung im Amt auf sich ziehen durfte. Kurz gefasst geht es zuerst um die Art. 87 e Grundgesetz und Eisenbahnrecht verletzende Bahnhofsverkleinerung durch S21 um 30 % – da hat zum Beispiel selbst eine halb so große Stadt wie Karlsruhe 14 Durchfahrgleise, Stuttgart aber soll mit 8 solcher Gleise auskommen. Zweiter Grund: die 15 Promille Schief-Haltepunkt: lebensgefährlich für Menschen mit Kinderwägen oder mit Behinderung in Rollstühlen auf den Bahnsteigen, ferner für Reisende durch Zug-Wegrollvorgänge mit vielen Verletzten. Das Bundesverkehrsministerium hatte genau dies für den Kölner Bahnhof mit nur 3-6 Promille bereits bestätigt. Wer aber die vorbeugende Gefahrenabwehr für Leib und Leben der Menschen trotz höchsten Verfassungsrangs missachtet, zieht strafbar Schuld auf sich. Drittens ist nicht bekannt, warum der Tunnelbau im quellfähigen Anhydrit auf einer 20 km- Strecke verantwortbar legal sein sollte, wo doch das vom Aufsichtsrat selbst beauftragte KPMG/Basler-Gutachten „unüblich hohe, nicht beherrschbare Risiken für die Betriebstauglichkeit“ des Projekts mit wiederkehrendem Sanierungsbedarf und langwierigen, wiederholten Streckenstilllegungen erwarten lässt.
  1. Damit stellt sich die Frage des weiteren Vorgehens gegenüber den Bahn-Vorständen und ‑Auf­sichtsräten in zweifacher Hinsicht:
  2. Die strafrechtliche Beschwerde gegen den Einstellungsbescheid soll bis Jahresende fundiert begründet werden, siehe bereits unser Schreiben an alle Aufsichtsräte und Vorstände vom 30. November. Da die verantwortliche Staatsanwältin die verlangte Akteneinsicht noch nicht gewährte, habe ich das heute bei ihrem Leitenden Oberstaatsanwalt beantragt, nötigenfalls wird gerichtlicher Antrag gestellt, denn die Einlassungen der Anwälte der Bahnchefs müssen auf den Tisch, eventuell folgt noch eine Strafanzeige gegen die verantwortliche Staatsanwältin wegen Strafvereitelung im Amt. Der letzte Sachstand ist auf der website ‚strafvereitelung.de‘ abrufbar zur öffentlichen Abfrage. Wir bleiben da eisern dran. Ein nochmaliges Versagen der Justiz nehmen wir nicht hin, die Wende ist unerlässlich!
  3. Wie mit der Strafanzeige gegenüber weiteren Aufsichtsräten umgegangen wird – außerhalb des bisher nur angezeigten Prof. Felcht – machen wir davon abhängig, wie diese Aufsichtsräte Ende Januar bei der Sondersitzung über Stuttgart 21 entscheiden. Warum? Wir wollen den Aufsichtsrat zum Umsteuern von S21 ermutigen.
  4. Auf öffentlicher und politischer Ebene gilt es schließlich, die Zeit vor Ende Januar 2018 so gut als möglich zu nutzen, um ideenreich Zeichen zu setzen für ein Moratorium beim Bau des Projekts und für den Umstieg. Gerade in dieser Phase der Bewegung braucht es Kontakte und Brücken ins andere Lager, wir brauchen menschliches und politisches Format mit Blick für die Zukunft. Jeder nachhaltig wirkende Neubeginn, jedes Berichtigen von Fehlern dient menschlicher Kultur und verdient unsere Anerkennung. Allseitiger Mut zum Umsteuern zeigt Stärke, die bittere Brüche der Vergangenheit heilen hilft.

Der Umstieg von S21 soll durch die Art der Konfliktlösung beispielhaft integrieren und das Ganze der Gesellschaft als zukunftsfähig inspirieren.

Also eisern und klug dran bleiben: Oben Bleiben!

Rede von Eisenhart v. Loeper als pdf-Datei

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