Erdogans Großprojekte

Rede von Aynur Karlikli, Stuttgart 21 ist überall, auf der 401. Montagsdemo am 22.1.2018

Neuer Flughafen für Istanbul – Projekt dreimal größer als Airport Frankfurt – Umweltschutz spielt keine Rolle

Nördlich von Istanbul wird momentan der größte Flughafen der Welt aus dem türkischen Boden gestampft. Wenn er wie geplant Ende 2018 fertig ist, sollen dort bis zu 150 Millionen Passagiere pro Jahr abgefertigt werden. Zum Vergleich: Am Frankfurter Flughafen wurden 2015 rund 61 Millionen Fluggäste gezählt. Istanbul soll zu einem internationalen Drehkreuz von Weltrang werden. Verkehrsminister Lütfi Elvan erklärte großspurig: "Wir haben die Welt überholt, in der Luft kennen wir keine Konkurrenten." Der Flughafen ist ein heftig umstrittenes Großprojekt der islamisch-konservativen Regierung Erdogans. In einem Bericht der Umweltverträglichkeitsprüfung (ÇED) heißt es, dass sich derzeit 2,5 Millionen Bäume auf dem Baugelände des dritten Istanbuler Flughafens befinden. Riesige Waldgebiete werden abgeholzt. Bei Protesten sagte Erdogan zu den Demonstranten: "Geht und lebt im Wald!"

Bosporusbrücke

Brückenschlag zwischen Europa und Asien: Erdogan hat eine dritte Bosporus Brücke bauen lassen. Größer, länger, höher – wenn es um Bauprojekte geht, kann es für den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan gar nicht gigantisch genug sein. Die Brücke ist ein Bindeglied im 414 Kilometer langen Autobahnring rund um Istanbul, der unter anderem den neuen Flughafen anbinden und die Stadt entlasten soll. Umweltschützer hatten das Projekt scharf kritisiert: Große Waldgebiete mussten dafür gerodet werden, die Gefährdung wichtiger Trinkwasser-Reservoirs wurde in Kauf genommen. Innerhalb von knapp vier Jahren entstand die dritte Brücke über den Bosporus. Mit 322 Metern Höhe und 1408 Metern Spannweite ist sie eine der längsten Hänge- und Schrägseilbrücken der Welt. Eine achtspurige Fahrbahn und zwei Gleistrassen verbinden den europäischen und den asiatischen Teil von Istanbul. Das gigantische Bauwerk soll den Staat rund drei Milliarden US-Dollar gekostet haben. So entsteht eine ganze Reihe Großprojekten, mit denen sich der Mann vom Bosporus unsterblich machen will. Im Laufe seiner Amtszeit hat Erdogan bereits viele große, aber auch umstrittene Projekte auf den Weg gebracht. Die ganze Welt soll sehen, wozu die Türkei in der Lage ist – dafür wischt er Bedenken von Statikern oder Umweltschützern auch einfach mal beiseite. „Verrückte Projekte“ nennt er seine Mega-Bauten. Yavuz Sultan Selim soll die Brücke heißen. Mit diesem Namen verärgert und provoziert er die Alewiten, weil dieser im Jahre 1517 die Alewiten massenhaft massakrierte.

Kanal Istanbul

Erdogan ist in öffentlichen Veranstaltungen schon in Tränen ausgebrochen, zeigt sich zerknirscht und gesteht dann: wir haben Istanbul ruiniert. An seinen Plänen zur weiteren Zerstörung ändert dies nichts. Erdogan selbst spricht von einem „verrückten Projekt“, wenn es um den „Kanal Istanbul“ geht. Die 145 Meter breite und 25 Meter tiefe künstliche Schiffsroute soll das Schwarze Meer mit dem Marmarameer verbinden und so den Bosporus als parallele Wasserstraße entlasten.

  • Die Kosten für den 40 bis 50 Kilometer langen Kanal werden auf acht bis zehn Milliarden US-Dollar geschätzt. Derzeit laufen noch Machbarkeitsstudien, aber Erdogan hat schon früh seine Absicht verkündet, den Kanal Istanbul bauen zu lassen. Sogar eine Deadline für die Fertigstellung hat er bereits in den Raum gestellt: Demnach sollen spätestens im Jahr 2023, also zum hundertsten Geburtstag der modernen Türkei, die ersten Schiffe durch den Kanal fahren können.
  • Kanal Istanbul: ein Kanal, der die Stadt im Norden und Nordwesten in zwei Teile zerlegen wird. Zu beiden Seiten des Kanals sind neue Siedlungsflächen geplant. Es wird ein enormer Druck durch die zunehmende Bevölkerungsdichte entstehen. Aber bereits jetzt sind die Planungen für größere Siedlungen spruchreif. Der Kanal Istanbul wird der Stadt den Todesstoß geben: die letzten freien Flächen links und rechts werden überbaut. Istanbul wird mit Beton erwürgt, nur um mehr Macht und Finanzerlöse zu erzielen. Die Feuchtgebiete wurden mit Sand und ähnlichem abgedeckt und das Istanbul-Kanal-Projekt zerstört die grüne Landschaft der Stadt immer mehr. Verheerende Folgen für Mensch, Tier, Natur und für das kulturelle Zusammenleben. So wird man die Silhouette und die Schönheit dieser einst wunderschönen Stadt mit den sieben Hügeln nur noch als Erinnerung auf Fotos und Postkarten erblicken.

Erster Tunnel zwischen zwei Kontinenten (Marmaray)               

Der Bahntunnel verläuft derzeit als 13,6 Kilometer lange Röhre unter Bosporus, Schwarzem Meer und Marmarameer. Die S-Bahnen können stündlich bis zu 75.000 Menschen transportieren und sollen dabei helfen, einen Verkehrsinfarkt in Istanbul abzuwenden. Sie ist 77 Kilometer lang, davon verlaufen 14 Kilometer unterirdisch. Technisch war bzw. ist der Bau enorm aufwendig – was sich in Baukosten von mehr als 2,5 Milliarden Euro niederschlägt.

Die gigantischen Bauprojekte stoßen auch auf Kritik. Es gibt Ängste, dass der Tunnel nicht gegen die zahlreichen Erdbeben in der Region gewappnet sei, schließlich befindet sich in nur 20 Kilometern Entfernung die berüchtigte Nordanatolische Verwerfungszone. Doch der Verkehrsminister behauptet, der Tunnel sei „der sicherste Ort in Istanbul“ und würde auch Beben der Stärke 9,0 aushalten. Doch weder Bedenken von Umweltaktivisten und Städteplanern, noch von Bürgerbewegungen und Oppositionellen konnten Erdogans Träume stoppen.

Gezi Park

Nur in einem Fall gelang es den Bewohnern bislang, ein Großprojekt zu verhindern. Den Istanbuler Gezi-Park wollte die Regierung mit einem Einkaufszentrum bebauen lassen. Daran entzündeten sich landesweite Proteste. Der inzwischen weltberühmte Park am Taksim-Platz ist bis heute eine Grünfläche. Die Pläne, diese kleine Grünfläche zuzubauen, haben Sie jedoch bis heute nicht aufgegeben.

Über 1000 Zimmer: Präsidentenpalast Ak Saray

Als „Dienstgebäude des Ministerpräsidenten“ war der Prunkbau in der Hauptstadt Ankara konzipiert worden. Als die Residenz dann 2014 fertig wurde, war Erdogan aber schon Präsident – also wurde der Machtkoloss kurzerhand umbenannt. Erdogan weihte ihn an seinem Geburtstag ein und bezog seinen Palast.

Natürlich ist Ak Saray – der „Weiße Palast“ – größer als der Buckingham Palace, der Élysée-Palast in Paris oder das Weiße Haus. Erdogans steingewordene Machtdemonstration verfügt auf rund 40.000 Quadratmetern über rund 1000 Zimmer. Es soll einen unterirdischen Fluchtweg geben, einen abhörsicheren Bunker, und und und. Mindestens 270 Millionen Euro kostete das Dienstgebäude, nach anderen Quellen könnte es auch rund 400 Millionen Euro verschlungen haben. Erdogan setzte sich damit über Gerichtsurteile und Gesetze hinweg. Zuletzt hatte das höchste türkische Verwaltungsgericht den Bau verboten, weil das Gebäude mitten in einem Naturschutzgebiet steht.

Atatürk-Staudamm (Wasserkraftwerk)

240 Wasserkraftwerke, komplett mit Damm und Stauseen, gibt es derzeit in der Türkei; um die 600 sollen derzeit in Planung sein, und 1600 solcher Kraftwerke will die Regierung bis 2040 im Land in Betrieb haben – acht Prozent des immer steigenden Energiebedarfs in der Türkei sollen dann durch Wasserkraft gedeckt werden.

Die Türkei hat wesentlich mehr Wasser zur Verfügung, als sie benötigt; die Anrainerstaaten hingegen leiden unter Wassermangel und sind auf das Flusswasser angewiesen. Durch die Staudämme besitzt die Türkei eine enorme Kontrolle des Flusswassers, da sie die Abflussmenge begrenzen kann. Die Abflussmenge ist vertraglich geregelt, doch die Anrainerstaaten sind nicht zufrieden mit der zugestandenen Wassermenge.

Bisher scheiterten alle neuen Verhandlungen, da die Türkei auf ihr Quellwasserrecht besteht. Zusätzlich ist das Wasser, das in Syrien und dem Irak ankommt, durch Pestizide aus der Landwirtschaft verseucht. Erdogans Zitat aus der Rede bei der Einweihung des Atatürk-Staudammes: „So wie die anderen Staaten das Öl und andere Bodenschätze verwerten, so hat die Türkei das Recht, das Wasser wie einen Bodenschatz zu betrachten und als solchen zum eigenen Vorteil zu verwerten.” Der Stärkere setzt sich durch!

Schwarz- Meer-Gebiet

Die seither unberührten himmlischen Landschaften in Karadeniz sollen für eine geplante Straßenschneise begradigt, und zum größten Teil sollen die Flüsse und Bäche umgeleitet und begradigt werden. Die Bevölkerung wehrt sich und es kommt zu einem Widerstand, der die ganze Türkei erfasst.

Der Goldabbau in Artvin hätte die grünen Wälder und die Felder der Bauern der gesamten Gegend mit Quecksilber verseucht. Das Volk wehrte sich Monate lang, so wie wir es auch in Stuttgart kennen. Bis der Goldabbau gestoppt wurde.

Ost-Türkei

Die Stadt Sur wurde durch die Politik der Machtzerstört. Die Altstadt von Sur mit ihren engen Gassen, den vielen historischen Gebäuden, Kirchen, Moscheen, Gräbern, Badehäusern und Brunnen und dem bunten multikulturellen Treiben war eine touristische Attraktion und fehlte in keinem Reiseführer.

Auch die Festung von Diyarbakir und die Kulturlandschaft „Hevsel-Gärten" standen auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Diese wurden mit schweren Maschinen bereits dem Boden gleichgemacht. Man kann sich ja mit Kultur und Landschaften keinen großen Namen oder Profite machen.

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