Gerd Schinkel auf der 430. Montagsdemo

Rede von Gerd Schinkel, Autor und Sänger, auf der 430. Montagsdemo am 27.8.2018

Hallo,

ich singe nicht nur hier, sondern auch woanders ... aber ich werde nicht länger reden, als ein normal langes Lied von mir dauert.

Der 30. September 2010 ging als Schwarzer Donnerstag in die Konfliktgeschichte um Stuttgart 21 ein. Was damals im Schlossgarten passierte, findet in diesen Tagen seine Entsprechung in der Konfrontation um den Hambacher Wald im Rheinischen Braunkohlerevier.

Gestern hat im sächsischen Chemnitz ein rechtsradikaler Mob – im Klartext: Nazis – Gewalt androhend Menschen durch die Straßen gejagt, weil sie anders aussahen. Nicht auszuschließen, dass es heute und in diesem Moment wieder passiert. Gestern blieb die Polizei merkwürdig lange quasi unsichtbar –, anders als bei offenbar schützenswerten rechtsextremen Pegida-Demonstrationen dieser Tage.

Vor mehr als einem Jahr war es möglich, Polizeikräfte aus ganz Deutschland zum Schutz des G-20-Gipfels nach Hamburg zu verlegen. Die Hamburger Bürger zu schützen, war erklärtermaßen nicht ihre Aufgabe. Warum werden jetzt nicht Polizeieinheiten aus allen Bundesländern nach Chemnitz abkommandiert, um dort die von Gewalt bedrohten Menschen zu schützen?

In Nordrhein-Westfalen rütteln unverantwortliche Scharfmacher in der Politik, wie der zum Schutz der Verfassung verpflichtete Innenminister Reul von der CDU und Integrationsminister Stump von der FDP, am Fundament des Rechtsstaates. Der eine ignoriert Gerichte und deren Urteile, der andere empfiehlt der Justiz, sich weniger ans Gesetz zu halten und mehr am Rechtsempfinden der Bevölkerungsmehrheit zu orientieren. Das entspricht genau den Vorstellungen des rechtsradikalen Nazi-Mobs in Chemnitz, der sich das Recht zur Selbstjustiz anmaßt.

Derselbe unverantwortliche Rechtsstaatsgefährder im Düsseldorfer Innenressort, der mit seinem Regierungschef Laschet seit Monaten die Kriminalisierung der Baumbewohner und Waldbeschützer im Hambacher Forst betreibt, missbraucht die Polizei für einen gewaltsamen Einsatz gegen Menschen, die die Folgen der Klimakatastrophe nicht untätig abwarten wollen.

Stattdessen lassen die politisch Verantwortlichen von der Polizei die Profitinteressen des Energieriesen RWE an der klimaschädlichen Braunkohle schützen. Dabei ist der Ausstieg aus dem Energieträger Braunkohle international längst nicht mehr aufhaltbar, und auch Deutschland hat sich schon grundsätzlich dazu verpflichtet.

Doch so wie der Schutz der Menschen vor dem Klimakiller Braunkohle ausbleibt, fehlt in Chemnitz der Schutz der Menschen vor dem braunen Mob. Die politisch Verantwortlichen mit kurzem Draht zu RWE holen offenbar mit der Polizei lieber Waldbewohner aus ihren Baumhäusern, als dass sie von der Polizei rechtsradikale Gewalttäter in Chemnitz oder anderswo dingfest machen lassen.

Besorgte Zwischenfrage: Sind sie sich etwa nicht mehr sicher, wie weit die Polizeibeamten solche Anweisungen befolgen? Wer weiß, wer sich im Hambacher Forst hinter den schwarz vermummten Steinewerfern verbirgt, mit denen die Polizei ihre robusten Einsätze rechtfertigt. Nicht nur die Konfrontationen beim G-20-Gipfel werfen da Fragen auf. In allen gewaltsamen Konflikten, nicht nur im Krieg, ist es die Wahrheit, die als erste auf der Strecke bleibt, und fake news gehören nicht erst seit Trump zu Strategie und Taktik ...

All das passiert heute und in diesen Tagen. Wann auch wieder in Stuttgart?

Wir leben in einer Zeit, in der das unbedrohte Überleben von der Solidarität all derer abhängt, die sich dem kriminalisierenden Repressionswahnsinn entgegenstemmen,

  • egal ob hier gegen Spekulantengier und Verschwendung von Steuergeldern und gegen die Gefährdung von Bahnreisenden bei Stuttgart 21,
  • oder gegen Rodungsverbrechen aus klimaschädlicher Profitgier im Hambacher Wald,
  • oder gegen erstarkenden, fremdenfeindlichen Nationalismus mit seiner menschenverachtenden faschistischen Fratze.

Sonst bleibt womöglich nur Exil – aber wo?

Um 19 Uhr heute Abend rotten sich vor der Düsseldorfer Staatskanzlei Unterstützer des Chemnitzer Nazi-Mobs zusammen, schon eher stellen sich ihnen Düsseldorfer vor dem Landtag quer. Passt auf, wo und wann sich da was in Stuttgart tut, und weist die Nazis in die Schranken.

Und wenn sich der Hambacher Forst lichtet, weil RWE das Ergebnis der Kohlekommission nicht abwartet, sondern vollendete Tatsachen schafft, dann wünschen sich die Waldbewohner unterstützende Proteste auch weit weg vom Hambacher Wald ...

Oben bleiben!

Rede von Gerd Schinkel als pdf-Datei

 

 

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