Bericht aus dem Hambacher Forst

Rede von Eberhard Linckh, Robin Wood Stuttgart, auf der 433. Montagsdemo am 17.9.2018

Liebe Freundinnen und Freunde einer lebenswerten Stadt in einer lebenswerten Zukunft, liebe Freundinnen und Freunde der Natur und der Bäume,

zusammen mit einigen Stuttgarter*innen war ich von Donnerstag bis gestern im Hambacher Forst und wir haben dort die Aktivist*innen unterstützt.

Mitgebracht habe ich nicht nur einen gehörigen Muskelkater vom Bäume rauf und runter Klettern und zahlreiche Blasen an den Händen vom Bauen neuer Baumhäuser, sondern auch einen ganzen Rucksack voll magischer und berührender Momente. Und Hoffnung auf eine neue Generation wunderbarer junger Menschen, die im Einklang mit der Natur leben wollen und können.

Ich habe die drei Nächte im Wald geschlafen, in einem Baumhaus im Wipfel einer wunderschönen Eiche. Tagsüber saß ich dann oben, wenn eine Polizeiräumung drohte. Dazwischen habe ich mitgeholfen, auf einem anderen Baum ein neues Baumhaus zu bauen. Ich habe auch an anderen Stellen im Wald die Räumungen angesehen. Habe gesehen, wie Schneisen in den Wald gerodet werden für riesige Maschinen, um die Menschen aus den Baumhäusern zu räumen.

Ich habe bei früheren Besuchen erlebt, wie alle Menschen von den Waldbewohnern ermahnt wurden, nur auf den Pfaden zu gehen, um den Boden nicht zu verdichten und den Wald zu schonen und die Tiere nicht zu stören. Selbstverständlich gab es nirgendwo irgendeinen weggeworfen Müll.

Ich habe jetzt gesehen, wie geräumte Stellen aussehen. Da wird einfach alles auf den Boden geworfen und mit Maschinen drüber gefahren und dann alles liegen gelassen. Und jetzt wird berichtet, überall würde Müll liegen.

Unsere Polizei kam daher als martialische Bürgerkriegsarmee mit schwerem Gerät, mit Räumpanzern, mit Hunden, mit Pferden, bewaffnet mit Knüppeln, Schildern und Pfefferspray. Das stundenlange Bellen der Hunde wurde mit einem lachenden Sprechgesang beantwortet: „Lasst die Hunde frei“.

Nirgendwo habe ich gesehen, dass irgendwelche Gewalt von den Aktivist*innen ausgeübt wurde.

Was im Hambacher Wald von der Politik mit Polizeigewalt durchgesetzt werden soll, ist ein himmelschreiendes Unrecht. Wer diese Abholzung durchsetzt und rechtfertigt, hat jedes Recht verwirkt, noch einmal das Wort „Klimaschutz“ auch nur auszusprechen! Den Hambacher Wald abzuholzen für Braunkohleabbau ist ein krimineller Anschlag auf die Lebenschancen der Generationen, die nach uns kommen! Es ist ein Umweltverbrechen, für das auch schon die Rot-Grüne Vorgängerregierung in NRW verantwortlich ist: sie hat RWE dieses perverse Recht zur Abholzung gegeben!

Was für ein Recht soll das denn sein, das dieses ignorante „Weiter so!“ von Stromkonzernen wie RWE legitimiert? Das alle wissenschaftlichen Erkenntnisse über die dramatische Beschleunigung der Erderwärmung ignoriert, die den sofortigen Stopp jeder Kohleverstromung zwingend erfordert? Was für ein Recht soll das denn bitte sein, das dabei noch versucht, die Menschen zu kriminalisieren, die sich diesem Irrsinn in den Weg stellen?

Wir Stuttgart-21-Gegner*innen kennen diese Pervertierung von Recht auch seit vielen Jahren, und für uns wie für die Protestierenden im Hambacher Wald heißt es deshalb: „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“.

Im Hambacher Wald versucht die Polizei, diesen Widerstand mit schwerem Gerät zu brechen. In einer ersten Welle beschlagnahmten sie alle Feuerlöscher, und danach wurde die Räumung der Baumhäuser mit Brandschutzproblemen begründet!

Wenn man dann auch noch von der Polizei mit ohrenbetäubendem Kettensägenlärm beschallt wird, abgespielt aus Polizeiautos, macht das einen zornig und wütend! Ich habe es selber in diesen drei Tagen gehört, erlebt, gefühlt und beobachtet: die Baum-, Wald- und Klimaschützer*innen haben sich trotzdem nicht provozieren lassen, sie sind trotzdem beim gewaltlosen zivilen Ungehorsam geblieben, sie haben Politik und Polizei nicht die erhofften Bilder gewalttätiger Extremisten geliefert! Statt dessen haben sie musiziert, Lieder gesungen. Gesehen habe ich einen wunderschönen Wald. Gesehen habe ich Wildschweine, Rehe, Hasen und viele Vögel. Gehört habe ich die Lieder und diese Sprechgesänge und lautes fröhliches Lachen vieler solidarischer Menschen. Es hat mich berührt und mich an unsere Nächte in unserem wunderschönen Schlossgarten vor der brutalen Räumung erinnert.

An jedem dieser drei Tage gab es vor dem Hambacher Wald Demonstrationen mit hunderten von Menschen. Viele haben dann einfach versucht, zivil ungehorsam zu uns in den Wald zu den Baumhäusern zu kommen – trotz Hundestaffeln, Pferden, Hubschraubern und Räumpanzern. Jeden Tag haben es viele geschafft durchzukommen.

Der gestrige Sonntag wurde ein Tag, an dem sichtbar wurde, dass auch ein massives Polizeiaufgebot nicht unbedingt stärker ist als die Solidarität und Entschlossenheit von Tausenden: Zwischen 4000 und 8000 Menschen sind zu einem Waldspaziergang angereist. Vielleicht 1000 davon haben es geschafft, trotz Polizeikette in den Wald zur Unterstützung des Widerstands vorzudringen. Sie haben es geschafft, im Wald einen Räumpanzer zu umzingeln – die Räumung dieses Baumhauses musste daraufhin abgebrochen werden. Die Menschen haben dabei auch den Aktivist*innen Lebensmittel und Werkzeuge in den Wald geschafft.

Mit diesem optimistischen Gefühl, dass Durchhalten und ziviler Ungehorsam sich lohnen und vielleicht letzten Endes die kriminellen RWE-Pläne doch noch zum Scheitern bringen, sind wir gestern aus dem Hambacher Wald zurückgefahren.

Ich rufe Euch alle dazu auf, geht zu den Solidaritätsdemonstrationen. Bald soll es auch eine bundesweit organisierte Demonstration vor dem Hambacher Wald geben mit Bussen, die auch aus Stuttgart losfahren. Kommt mit und versucht dann, in den Wald zu gehen. Vielleicht könnt ihr sogar eine Nacht dort verbringen.

Wir aus Stuttgart grüßen die Aktivist*innen im Hambacher Forst … mit einem solidarischen OBEN BLEIBEN!

Rede von Eberhard Linckh als pdf-Datei

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