Rede von Conrad Amber auf der 442. Montagsdemo

Rede von Conrad Amber, Fotograf und Autor, auf der 442. Montagsdemo am 19.11.2018

Gebt den Bäumen ihre Würde zurück

Die gute Nachricht zuerst: Ich glaube an die Machbarkeiten, an den Erfindungsreichtum der Menschen. Ich werde immer wieder überrascht, welche genialen Lösungen erfunden und erdacht werden. Wir hatten – noch keine 30 Jahre her – das Waldsterben ausgelöst durch den sauren Regen, der wiederum durch uns verursacht wurde und die dramatische Verschmutzung unserer Fließ- und Stillgewässer, in welchen das Baden verboten, ja manchmal lebensgefährlich war. Beide Herausforderungen haben wir recht gut in den Griff bekommen.

Das ging nur durch rigorose, politische Vorgaben, durch eine enorme Kraftanstrengung unserer Wirtschaft und Wissenschaft. Und im nachhinein betrachtet hat uns das nicht geschadet, im Gegenteil: Neue, zukunftsträchtige Branchen sind entstanden und tausende neue Arbeitsplätze. Deutschland ist Exportweltmeister in Umwelttechnologien!

Jetzt aber die Fakten von heute: Wir haben die Globalisierung in der Umweltbelastung eingeführt und wir stehen vor weit größeren Aufgaben als damals: Noch nie war die CO2-Belastung so hoch wie heute. Ein steter Anstieg seit es Messungen gibt! Die Stickoxid-Belastungen ebenso – wobei - dank den Laborversuchen der deutschen Auto-Industrie wissen wir alle: Keine Sorge, alles gut, die Affen haben es auch überlebt. Noch nie gab es so viele Feinstaub-Alarme wie heute und noch nie starben so viele Menschen weltweit an den folgen unserer aggressiven Umwelt.

Wer glaubt, wir hätten kein Umweltproblem, ist vielleicht selbst eines!

Damit verbunden ist der explosionsartige Anstieg unserer Zivilisationskrankheiten. Kaum einer von uns, der nicht eine Allergie oder Unverträglichkeit stolz präsentieren kann, jeder zweite von uns wird einmal im Leben mit einer Krebsdiagnose konfrontiert werden. Wir haben inzwischen über 20 Krebsarten entwickelt.

Das hat mit unserem Lebensstil zu tun, mit unserem Ressourcenverbrauch, mit der wertlosen Nahrung, die wir in uns stopfen. Vor allem aber: Wir zelebrieren NATURENTFREMDUNG UND NATURVERDRÄNGUNG.

Überall, wo etwas wächst und lebt, wird verdrängt, reguliert, geschnitten, gestaltet, geformt, gezüchtigt, gerodet, vernichtet, entfernt!
Wir brauchen Übersicht, Ordnung, Sauberkeit und – vielleicht - Digitalisierung.

Aber was draußen in der Natur passiert, wie Pflanzen und Tiere als eigenständige – ja selbstbestimmte Lebewesen „funktionieren“, das haben wir verlernt oder gar nie richtig verstanden. Wir haben die Formensprache der Natur verlernt und sie durch unsere Ordnungssprache ersetzt. Was ist also zu tun?

Wir müssen uns wieder mit der Natur versöhnen, sie zulassen, zu uns herein nehmen. Wir müssen erkennen, dass Pflanzen, Bäume mit ihrer Wirkung für unser Wohlergehen und Gesundheit beitragen, ja, dass ein Leben ohne sie gar nicht möglich ist.

Wenn ein ausgewachsener Baum gefällt wird, dann wissen meist weder die Handelnden, noch weniger die Verantwortlichen, welche dramatische Tragweite das hat. Es dauert 50-80 Jahre, bis dieser Verlust wieder ausgeglichen ist. Keiner denkt so weit. Wer rechnet denn wirklich mit der Zeit, mit diesen Menschenleben langen Zeitspannen?

Wenn ein Baum seinen Schatten auf unseren Designer-Rasen wirft und droht, ihn zu vermoosen, wird er gefällt. Weil uns ein banaler Rasenteppich wichtiger ist, als das Leben eines großen alten Baumwesen. Wie haben sich die Werte doch verändert?

Ich werde nicht müde den Menschen zu erklären, dass ein Baum keinen Dreck produziert. Er erzeugt bestenfalls Biomasse, Humus, gute Luft und Holz. Blätter sind kein Dreck, wohl eher das, was wir täglich im Badezimmer hinterlassen.

Weil wir alle Zahlen besser verstehen als die komplexen Vorgänge der Natur, möchte ich am Beispiel einer 100-jährigen Buche erklären, was sie für uns tut, welche Wirkung sie hat:

Sie hat 600.000 Blätter und damit eine 1.500 m² große Blattoberfläche. Sie macht täglich 6-8 Monate lang Photosynthese, sie atmet und erzeugt 4,5 Tonnen Sauerstoff täglich – soviel, wie 15 erwachsene Menschen zum Atmen jährlich brauchen. Gleichzeitig entnimmt sie 6 Tonnen CO2 aus der Luft und fast unglaublich: filtert zusätzlich 1 Tonne Feinstaub und Dreck. Sie pumpt täglich bis zu 400 Liter Wasser in ihre Krone, kühlt damit die Umgebung um 3-5 °C herunter.

Ein Kraftwerk mit unfassbarer Energie. Und das macht sie für uns 200 Jahre lang, kostenlos, ohne Pflege. Für uns!

Müsste man diesen Baum in seinem Wert und Wirkung ersetzen, müsste man 2.000 Jungbäume mit 1,5 m³ Kronenvolumen pflanzen. Kosten dafür: 150.000 Euro. So nebenbei: Der Holzwert liegt bei maximal 500 Euro!

Und dies alles gehört überlegt, reiflich überlegt, BEVOR wir einen Baum fällen. Das Ende der Befehlskette ist bekanntlich die Kettensäge!
Deshalb rufe ich Euch zu: Geht hinaus und pflanzt Bäume. Zu jeder Gelegenheit: Zur Geburt Eurer Kinder und zu einem Todestag, zum Hochzeitstag und zum Tag der Scheidung, zur Lohnaufbesserung und zur Kündigung, zu einem wertvollen Ereignis oder nur aus Langeweile. Zu jedem Haus gehört ein Baum, in jeden Garten gehören Bäume und an jeden Straßenrand gehören Alleen.

Lasst uns wieder Freunde der Bäume werden. Gebt den Bäumen ihre Würde zurück!

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Eine Antwort zu Rede von Conrad Amber auf der 442. Montagsdemo

  1. Steffen Hans sagt:

    Ein Baum produziert ca. 12 -15 kg Sauerstoff täglich keine 15 Tonnen. er nimmt auch keine 6 Tonnen CO2 auf.
    Bitte Herr Amber vorher die Fakten prüfen bevor man sich um den Faktor 1000 vertut.
    5 Minuten Google vor einer Rede sollte schon drin sein.

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