Mahnworte an der Mahnwache

Rede von Peter Grohmann beim Silvesterempfang am 31.12.2018 vor der Mahnwache

Liebe Streiterinnen und Streiter für eine bessere Welt, für eine bessere Stadt,

ich grüße Euch zum Jahresausklang. Euch alle, die nicht müde wurden, Euch vor allem an der Mahnwache tagaus, tagein. Ich grüße alle, die sich einmischen, die den Arsch hochkriegen; alle, die keine eingeschlafenen Füße haben, alle, die den lieben Gott keinen guten Mann sein lassen; alle, die gegen natürliche und künstliche Dummheit kämpfen.

Richtig: Es geht allen gut, selbst den Dummen – außer denen, denen es natürlich nicht so gutgeht. Und klar doch, wir leben in einer besseren Welt als viele andere.

Wir leben in einer scheinbar friedlichen Welt. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir den anderen ihre Welt kaputt gemacht haben. Vielleicht liegt das aber nur an den schlechten Nachrichten. Aber wir dürfen uns weder von den schlechten noch von den guten Nachrichten täuschen lassen. Wir sind es ja über die Jahre gewöhnt, genauer hinzuschauen auf die Medien, wie immer sie mit Vornamen heißen.

Wir leben in einer scheinbar prosperierenden Stadt. Wir haben so viel Feinstaub, dass sich die meisten anderen Städte davon eine Scheibe abschneiden können. Wir haben einen solchen Stau, dass sich die Frankfurter und die Münchner grün und rot ärgern.

Wir haben die teuersten Wohnungen im Lande und die größte Wohnungsnot. Wir wissen natürlich: Häuser fallen eher selten vom Himmel. Aber manchen fallen sie in den Schoß, beispielsweise den Kriminellen von Orthopädia oder Vanofifa oder falsche Erika. Nein, halt, halt, sie fallen nicht einfach so. Man muss schon was dafür tun im Rathaus, in den Parteien, damit die Wohnungen den Besetzer verwechseln. Natürlich, man könnte auch was für arme Mieter tun. Aber bei den Armen ist bekanntlich wenig zu holen.

Wenn sich die Gegensätze zwischen denen unten und denen oben verschärfen, dann ist das auch nicht Gottes Wille. Um Himmels Willen und ganz im Gegenteil. Denn im neuen Testament, das auch im neuen Jahr gilt, steht, dass der liebe Gott will, dass man selbst etwas tut. Er wäre eventuell sogar bereit, die Händler aus dem Milaneo zu vertreiben.

Die Verschärfung der sozialen Gegensätze hier im Lande mag noch harmlos klingen, vor allem für alle, die davon nicht betroffen sind. Aber Armut und Hunger, die Zerstörung der Umwelt, Rüstung und Rüstungshandel, Militarisierung, die Zunahme von Rassismus und die Fluchtbewegungen haben ja auch etwas mit uns zu tun, mit unseren Milliardenprojekten, mit S 21, den gefräßigen Baggern und den unfähigen Reeper-Bahn-Experten, mit der wachsenden Macht der Konzerne, die ja quasi irgendwie auch an der Regierung sind. Und wenn doch nicht, die dann wissen, wie regieren geht. Und wenn die Regierung nicht artig ist, dann sagen sie der Regierung, wie es richtig gemacht wird. Wenn die Regierung nicht kapiert, wie es gemacht werden muss, dann schimpfen die Deutsche Bank und Daimler und Porsche und der Nikolaus steckt sie alle in den schwarzen Sack von Friedrich Merz.

Aber, liebe Freunde von Köpfchen und Kopfbahnhof, auch die in der Regierung und in den Konzernen haben es nicht leicht. Da verreckt hier mal ein Flugzeug, mit dem Frau Merkel nach Argentinien will, dort entgleist eine Bahn, da bricht hier mal ein Brand aus und dort legen Gelbwesten Paris lahm, obwohl man so etwas nur im Krieg darf. Ich zitiere jetzt zur eigenen und aller Freude Originalpassagen – nein, nicht von Boris Palmer, auch nicht von Andreas Nahles, nicht von Merkel oder Trump oder Kuhn oder Putin, sondern vom Heiligen Vater, von meinem Freund Franziskus, der sie mir extra für heute zur Verfügung gestellt hat, als Mahnworte an der Mahnwache. Und: Sie sind gewissermaßen eine Hiobsbotschaft für die Machthabenden im neuen Jahr: Denn „damit das kapitalistische System fortbestehen kann“, so der Heilige Vater zu mir, „müssen Kriege geführt werden, wie es die großen Imperien immer getan haben“. Also doch noch mehr Krieg?

Meine Omi Glimbzsch, eine Atheistin in Zittau, die nie auf ihren Weihnachtsbaum und die polnische Soße verzichtetet hätte, macht uns alle bei dieser Gelegenheit auf weitere tröstliche Worte ihres Gegenspielers in Rom aufmerksam. Der Papst sagt: „Wir sind aufgerufen, uns der Gewalt und Ungerechtigkeiten in vielen Teilen der Welt bewusst zu werden. Wir dürfen nicht gleichgültig und tatenlos zuschauen. Jeder von uns muss sich einbringen, damit wir eine wirklich gerechte und solidarische Gesellschaft schaffen können.

Niemals haben wir unser gemeinsames Haus so schlecht behandelt und verletzt wie in den letzten beiden Jahrhunderten. Wenn jemand die Erdenbewohner von außen beobachten würde, würde er sich über ein solches Verhalten wundern, das bisweilen selbstmörderisch erscheint.

Der Rhythmus des Konsums, die Verschwendung, die Veränderung der Umwelt hat die Kapazität des Planeten so überschritten, dass der gegenwärtige Lebensstil nur in Katastrophen enden kann. Das Wirtschaftssystem dieser Welt ist nicht gut.

Wenn die Politik wirklich den Menschen dienen soll, darf sie nie Sklave der Wirtschaft und der Finanzwelt sein. Das Geld muss uns dienen, es darf nicht regieren.“ Das könnte auch von Tom Adler sein.

Das kommt alles gerade recht zum Jahreswechsel. Es ist eine Ermunterung für die Menschen an der Mahnwache. Eine Ermunterung für uns alle, nicht nachzugeben, und eine Ermunterung für alle, die oben bleiben, für die mit der kritischen Intelligenz! Schluss mit der künstlichen Dummheit!

Wessen Stadt?

Sag ich doch!

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