Georg Brunnhuber und die Nackten

Rede von Dieter Reicherter, Vorsitzender Richter am Landgericht a.D., auf der 448. Montagsdemo am 14.1.2019

Liebe Freundinnen und Freunde,

fast hätte ich gesagt „liebe nackte Freundinnen und Freunde“. Warum, das werde ich gleich erklären. Einige von Euch, aber auch viele Menschen, die nichts mit uns zu tun haben, haben bei den Tagen der Offenen Baustelle bei Stuttgart 21 Anstoß genommen an den Aufklebern und Postkarten, die als Werbung für die unterirdische Veranstaltung verteilt wurden. Denn da stand zu lesen: „Untenrum ist immer geil"; „Und wenn du jetzt neugierig geworden bist was untenrum so abgeht .... Sexy Bilder und heiße Videos von großen und kleinen Geräten gibt´s ganzjährig.“

Bei den Tagen der Offenen Baustelle waren viele Familien mit Kindern sowie Jugendliche. Nicht alle fanden das lustig. Ich auch nicht, als ich davon erfuhr und Fotos sah. Verantwortlich für die Sprüche ist der Verein Bahnprojekt Stuttgart-Ulm e.V., der mit öffentlichen Mitteln finanziert wird. Dessen Vorsitzender ist Georg Brunnhuber, Ehrenbürger von Oberkochen und prominentes CDU-Mitglied, der Günther Oettingers Trauerrede für Filbinger als „Meisterprüfung“ lobte. Kurzum, eine moralische Instanz.

Bei dieser moralischen Instanz habe ich mich dann beschwert und eine Entschuldigung gefordert. Prompt kam die Antwort: „Anders als Sie stufe ich diesen Spruch aber weder als sexistisch noch beleidigend ein. Er bedient sich lediglich einer lockeren Jugendsprache, wie sie in den Sozialen Medien verwendet wird. An den Tagen der offenen Baustelle wurde die Postkarte von den gut 35.000 Besuchern gerne mitgenommen und nachgefragt. Abgesehen von einigen wenigen hat sich über den Spruch niemand aufgeregt.“ Die „sachliche Informations- und Ausstellungskonzeption“ komme bei den Menschen an und sei erfolgreich.

Das konnte ich allerdings so nicht stehen lassen. Ich schlug ihm vor, bei den nächsten Tagen der Offenen Baustelle Stripperinnen auftreten zu lassen und kostenlose Kondome zu verteilen und die Aktion für die Mitgliederwerbung seiner christlichen Partei zu übernehmen.

Das fand er allerdings „polemisch“ und antwortete, den Striptease hätten sie gerne meinen Freunden bei der Grundsteinlegung am Hauptbahnhof überlassen, die im Vollstrip völlig nackt vor den Kameras der Journalisten rumgetanzt hätten. Ich hätte das sicher als künstlerisch wertvoll empfunden! Jetzt wisst Ihr´s!

Wie die Vereinsmitglieder die Aktion finden und wer das bezahlt hat, habe ich unter anderem bei Ministerpräsident Kretschmann, OB Kuhn, Regionalverbandsvorsitzendem Bopp und Bahnchef Lutz nachgefragt, aber leider noch keine Antwort erhalten. Kultusministerin Eisenmann, der Landesfrauenrat und die Landesfrauenbeauftragte halten sich trotz meiner Nachfrage bedeckt. Auch den SWR habe ich angeschrieben. Der antwortete, man habe entschieden, „den Fokus auf die Bauarbeiten und auch die Kritik daran zu setzen“.

Zum Glück bin ich Stammzuschauer der SWR-Sendung „Hannes und der Bürgermeister“. Der Bürgermeister nennt seinen Lieblingsfeind „Schoafseckel“. Ich zitiere aber lieber aus der Me-Too-Debatte: „Teilen Sie deutlich mit, dass Sie nicht auf diese Art und Weise behandelt werden wollen.“ Übrigens sorgt in Island gerade die Kneipenrunde hochrangiger Politiker, deren Gespräche obszön und diskriminierend waren, für Wirbel.

In diesem Sinne müsste ich fast mit „Unten bleiben“ schließen, sage aber lieber: Oben bleiben!

Rede von Dieter Reicherter als pdf-Datei

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Eine Antwort zu Georg Brunnhuber und die Nackten

  1. Alexander Abel sagt:

    Diesen S21-Spinnern ist ja wirklich keine
    Propagandamasche dumm + frech genug, um der Bevölkerung die Zerstörung der Stuttgarter Eisenbahn-Infrastruktur schmackhaft zu machen.
    Herr Reicherter, Sie sind doch ein hochkarätiger Jurist.
    Sind solche Sprüche vor Kindern + Jugendlichen nicht schon sexueller Missbrauch? Sie könnten ja eventuell
    „sexuelle Erregung“ hervorrufen.
    Und in diesem Gemütszustand pflegt das
    Denken auszusetzen.
    Gerade deshalb versucht ja diese CDU-Koryphäe, diesen Zustand hervorzurufen.
    Dass dieser Brunnhuber die Oettinger-Apologie über den Nazikiller Filbinger als „Meisterstück“ bezeichnet hat, lässt tief blicken. Und da kommt ein Roman Herzog daher + behauptet, Art.139GG (Fortgeltung der Alliierten Entnazifizierungsgesetze) sei gegenstandslos, die Entnazifizierung sei ja abgeschlossen.
    Schade, dass mein Vater das nicht mehr erlebt. Er in einer politischen Debatte am Esstisch mal gesagt, „die CDU ist
    das Sammelbecken aller alten Nazis“.-
    Wie dem auch sei werden gerade unsere jüngsten MitbürgerInnen noch ein böses Erwachen erleben, wenn Sie aus S weder raus- noch reinkommen, weil der U-Haltepunkt wegen irgendeines Zwischenfalls gesperrt ist und
    die Strassen längst + hoffnungslos zugestaut
    sind.(-50%Züge = Autoverkehr²).
    Ich frage mich schon, ob ich Gott bitten soll, dass er mich am Tage der Eröffnung von S21 abberuft. Auf ein Dasein im Gefängnis habe ich ebensowenig Lust wie auf den Tod
    im brennenden U-Bahnhof.
    Hoffentlich sind die Kids + ihre Eltern von
    dieser dumm-frechen Propaganda-Veranstaltung
    nicht so beeindruckt, dass sie das Denken einstellen. Ausgerechnet Heiner Geissler, der ja bei den Vermittlungsgesprächen eine sehr unrühmliche Rolle gespielt hat, hat ein Buch geschrieben „sapere aude!“ (lateinisch für
    „wage zu denken!“). Ich wandle das etwas ab in: Deutscher Michel, beginne endlich zu denken – auch wenn Deiner Lieblingspartei das nicht so gefällt! Wenn Du nachgedacht hast, vielleicht suchst Du Dir mal ’ne andere!
    Eine „Qual der Wahl“ gibt es dabei ja nicht! aabel-s@gmx.de

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