Kuhn, das Klima und Stuttgart 21

Rede von Matthias von Herrmann, Parkschützer, auf der 477. Montagsdemo am 19.8.2019

Kuhn, das Klima und Stuttgart 21

Liebe S21-Gegner, liebe Umstieg 21-Freunde,

Oberbürgermeister Fritz Kuhn will etwas zur Rettung des Klimas beitragen. Nachdem er seit April dreimal die Abstimmung über den Klimanotstand im Gemeinderat verhindert hat und nachdem die Schüler und Studenten Freitag für Freitag wirksame Klimaschutzmaßnahmen vor dem Rathaus einfordern, hat Kuhn nun ein „Aktionsprogramm Klimaschutz“ vorgestellt. Die Stuttgarter Zeitung hat ihn als Klima-Kuhn gelobt. Reagiert hier ein Lokalpolitiker, der seit Jahren in Sachen Verkehrs- und Energiewende nichts tut, auf anhaltende Proteste und tut das, was wir Stuttgarter von ihm erwarten? Sieht er den Zusammenhang zwischen Stuttgart 21 und CO2-Emissionen, die Carola Eckstein in ihrer Rede nachher noch ausführlich beschreibt?

In der Einführung ins „Aktionsprogramm“ lesen wir, dass Kuhn das Pariser Klimaschutzabkommen grundsätzlich verstanden hat: Man müsse jetzt sofort mehr tun und nicht bis 2050 warten. Als nächstes nennt Kuhn die Fridays-Bewegung, die „zu Recht mehr Einsatz“ einfordert. Zu Recht? Also gibt der OB zu, dass bislang zu wenig passiert ist. Die Stadt verpflichtet sich zu konsequenteren Maßnahmen. Und dann wird auf ein Energiekonzept aus dem Jahr 2015 verwiesen, das Klimaneutralität für Stuttgart bis 2050 als Vision ansetzt. Wer sich ansatzweise mit Klimaschutz beschäftigt, weiß, dass wir bis 2035 eine CO2-neutrale Energiegewinnung brauchen, um das 1,5 °C-Ziel zu erreichen. Doch die Grünen auf Bundesebene haben das auch nicht verstanden und fordern 95% CO2-Reduktion bis 2050 statt 100% Reduktion bis 2035, wie die Scientists for Future es einfordern. „Konsequentere Maßnahmen“ stelle ich mir anders vor.

Zurück zu Klima-Chaos-Kuhn: Die Stadt wolle sich „ehrlich machen“, heißt es da. Wie üblich lobt sich die Stadt selbst, was sie schon alles Tolles erreicht habe und versteigt sich zur Feststellung, die bisherigen Anstrengungen seien erfolgreich und zeigten Wirkung; im Kleingedruckten auf der städtischen Webseite heißt es allerdings, dass diese Erfolge im Wesentlichen dem mit 90% hohen Atomstrom-Anteil in Stuttgart zu ‚verdanken‘ seien - wollte sich die Stadt nicht „ehrlich“ machen? Da ist noch viel Luft nach oben auf Ihrer Ehrlichkeitsskala, Herr Kuhn!

Schauen wir uns nun mal an, was das „Aktionsprogramm Klimaschutz“ so zu bieten hat und ob Stuttgart 21 als großes CO2-Einsparpotenzial vorkommt:

Im Bereich Energie will Kuhn den Plusenergie-Standard bei Neubauten und Klimaneutralität bei Bestandsgebäuden. Und er will Solarenergienutzung bei städtischen Gebäuden zur Pflicht machen, alle Schuldächer sollen bis 2025 mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet werden. Das klingt nach Forderungen, die vor 20 Jahren wegweisend gewesen wäre. Im Bereich Photovoltaikanlagen hinkt die Stadt aber bereits jetzt massiv hinter ihren eigenen zaghaften Plänen her – weil Statiker und Monteure fehlten. Fragt sich nur, warum sie fehlen. Naja, man kann immer einen armen Schuldigen finden, um vom eigenen Politikversagen abzulenken.

Und Heizpilze sollen verboten werden, das sei unnötig verbrauchte Energie. Unter diesem Stichwort fehlt dann aber das Verbot von Laubbläsern, denn das wäre auch beim Lärmschutz ein Gewinn für die Allgemeinheit. Der stündliche CO2-Ausstoß eines Heizpilzes entspricht übrigens einer Autofahrt von 15 km. Und Städte wie Augsburg, Ingolstadt oder München verbieten Heizpilze schon seit Jahren. Das ist Klimaschutz-Kleinkram, den man als angeblich grüner OB schon längst geräuschlos hätte erledigen können.

Kommen wir zum Thema Verkehr. Doch wer hier das Stichwort „Stuttgart 21“ sucht, findet nichts. Auch konkrete Dinge wie eine weitere Stammstrecke für die Stadtbahn und für die S-Bahn fehlen. Die fehlen natürlich deswegen, weil S21 diese Vorhaben unmöglich macht. Wenn man den Tunnelbahnhof schon mit 6-fach überhöhtem, gefährlichen Gefälle bauen muss, um sich über der bestehenden S-Bahn-Stammstrecke und unter der bestehenden Stadtbahn durchzuquetschen, dann ist dort kein Platz für Erweiterungen.

Kuhn will zwar den ÖPNV deutlich ausbauen, aber wo und wie weiß eigentlich niemand. Nur weitere Zuschüsse soll die SSB bekommen. Und weitere Busspuren für weitere Buslinien. Wenn man sich aber den politischen Zickzack-Kurs zum Thema X1-Busspur vs. Pkw-Spuren auf der Strecke nach Bad Cannstatt ansieht, wird klar, dass es sich bei dieser Forderung nach mehr Bussen auf mehr Busspuren nur um Rhetorik handelt.

Das angebliche Aktionsprogramm schließt mit einer Aufzählung an Maßnahmen, um die Hitzewellen erträglicher zu machen. Es sollen pro Doppelhaushalt, also innerhalb von 2 Jahren, 1.000 neue Bäume gepflanzt werden – das sind 500 Bäume pro Jahr. Doch was sind 500 junge Bäume pro Jahr wert in Sachen Klimaschutz? Ein Altbaum bindet so viel CO2 wie 2.000 Jungbäume. Also will OB Kuhn alle 4 Jahre Jahr einen gefällten Altbaum ersetzen. Gefällte Altbäume hat Stuttgart viele zu bieten, wir erinnern uns an den Schlossgarten mit seinen prächtigen Altbäumen. Ganz zu schweigen von all den anderen gefällten Bäumen am Nordausgang des Hauptbahnhofs, an der Heilbronner Straße, am Lindenmuseum, im Botnanger Wald und an vielen anderen Stellen in der Stadt, an denen das Stuttgarter Forstamt munter Bäume absägt, ohne dass der Oberbürgermeister einschreitet. Und wir denken an die Juchtenkäfer-Platanen an der Schillerstraße, die noch von einem Bretterzaun umgeben dastehen und für S21 am Ende doch gefällt werden sollen. Alleine um diese Bäume zu ersetzen, müsste OB Kuhn gemäß seinem Plan 50 Jahre lang Bäume pflanzen.

50 Jahre nach der Mondlandung können wir feststellen: Ein winzig kleiner Schritt für die Rettung unseres Klimas, aber ein großer Schritt für OB Kuhn. Zumindest, was sein Image als grüner Rhetoriker angeht.

Oben bleiben!

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