Mit Tunnelblick in die Zukunft – aber bitte nicht in unsere!

Rede von Jürgen Klaffke, Kaktus-Initiative der IHK Stuttgart; auf der 491. Montagsdemo am 25.11.2019

Aktuelles aus Wirtschaft, Bahn, IHK und Co.

Liebe Unverzagte, die Ihr mutig und entschlossen für den Erhalt des Stuttgarter Kopfbahnhofes eintretet!

Auch heute gilt wiederum das geschriebene Wort und das mit dem Du und Sie. So – und jetzt kann es losgehen. Aber womit? Wissen wir denn nicht schon alles? Ist nicht alles irgendwie bekannt und vorhersehbar? Und schon gesagt sowieso? Kann nicht, wer will, alles im Internet nachlesen?

Wollt Ihr wirklich eine Antwort? Egal wie Ihr antwortet, Ihr bekommt eine Antwort. Und diese Antwort ist ein klares NEIN! Denn ebenso wie das eben Gesagte richtig ist, übersieht es aber etwas Wichtiges: den Zeitablauf, die Wirkung von neuen Zusammenhängen, die sich aus Altbekanntem plötzlich neu bilden können. Und mit jedem Neuen, was sich die Profiteure unserer Gesellschaft einfallen lassen, erhalten wir neue Chancen für unsere Ziele.

Nehmen wir die Deutsche Bahn: Der Einfallsreichtum derer, die profitieren wollen von dem unsinnigsten Projekt der Eisenbahngeschichte, die profitieren wollen von einem System, das mitten im Kapitalismus feudalistische Züge trägt, ist unglaublich. Und über deren Vernetzung können wir nicht genug reden. Denn wenn wir darüber reden, wenn wir deren Machenschaften und deren Gedankenwelt öffentlich machen, schaffen wir Transparenz – und uns neue Chancen.

Denn Transparenz scheuen sie wie der Teufel das Weihwasser, was schon mehrmals bewiesen werden konnte.

Und so wenden wir uns dem heutigen Thema zu: dem Tunnelblick und der Gestaltung der Zukunft. Die einen wollen mit Tunnelblick in die Zukunft und genau in diese Zukunft wollen wir nicht. Wir wollen in eine andere Zukunft, denn wir haben vom Zusammenleben, von Solidarität, von der Zukunft unserer Kinder, vom Klima und von unserer Umwelt, von Chancengleichheit Vorstellungen, die nicht unbedingt kompatibel sind mit den Vorstellungen der Vertreter und Vertreterinnen eines brachialen globalen Kapitalismus mit feudalistischen Zügen.

Das Lexikon der Psychologie definiert den Begriff „Tunnelblick“ wie folgt: „Einschränkung des Sehfeldes, so dass das Gefühl entsteht, in einen Tunnel zu schauen; bereits die Folge von geringer Menge an Alkohol (ab ca. 0,2 Promille)“. Nach dieser Definition müssen ja einige bei der Deutschen Bahn ständig besoffen sein!

Im Ernst: S21 ist die Reduzierung eines gigantomanischen Projektes auf reine Profitmaximierung zu Lasten von Ressourcen, Klima, Fern-, Regional- und Nahverkehr – kurzum: zu Lasten jeder von Vernunft getragenen Planung! Und jede Neuigkeit aus den Vorstandsetagen der Deutschen Bahn bestätigt das. Ob es sich um Beraterverträge, internationale Aktivitäten, um Verspätungen, unzureichenden Güterverkehr oder sonst was handelt.

Und wenn Ihr jetzt sagt, das sei ja nichts Neues, habt Ihr einerseits Recht, aber bedenkt, ein Denken und Handeln mit Tunnelblick produziert nun mal in der Regel auch bei Neuem eigentlich nur das Alte!

Obwohl die Kaktus-Initiative letzte Woche wieder etwas Neues kennenlernen musste und zwar aus der Abteilung „Recht haben und Recht bekommen“: Anfang 2017 hatte ein Mitglied der Kaktus-Initiative mit der IHK in einer Sachfrage einen Vergleich geschlossen. Da es ihm um die Sachfrage ging und nicht um einen Sieg gegen die IHK, schloss er den Vergleich. Es ging darum, zu was die IHK sich äußern darf und was nicht.

Wer jetzt an die Geschichte mit dem Transparent der IHK zu S21 denkt, liegt richtig, das war ein ähnlicher Fall.

Anfang Dezember 2017 äußerte der Vorgänger von Herrn Schmalzl als Hauptgeschäftsführer, Herr Richter, gerade mal wenige Tage im Ruhestand, in einem Interview mit Regio TV am Weinberghäusle der IHK und im Beisein des stellvertretenden Hauptgeschäftsführers u.a folgendes zur Kaktus-Initiative: „Ja, man muss sagen, was natürlich schwierig ist, wenn man persönlich angegangen wird, wenn keine Fairness herrscht, vor allem wenn der Umgangston teilweise doch sehr grenzwertig ist, als persönliche Beleidigung, Beschimpfung, Bedrohung (...)“;

(...) und dann hat man eigentlich das Erlebnis gehabt, dass total destruktiv in den Gremien operiert wird, und Erfolge sind bisher seitens der Kakteen überhaupt nicht zu sehen“;

(...) weil bei einer Reihe von Leuten ein Hass dahinter ist“.

„Dafür ist die Gruppe viel zu klein, und sie hat ja auch keine große Basis, das muss man sehen, es ist eine, ein Kernpersonenkreis von fünf, sechs Personen, die drum herum machen mit, aber bröckeln teilweise schon wiederum ab, weil ihnen der Stil dieser Kerntruppe überhaupt nicht gefällt (...) und das hat doch den einen oder anderen mal zum Nachdenken gebracht, ob der Ansatz, dieser destruktive Ansatz wirklich zielführend ist“.

Das betrachtet ein Mitglied der Kaktus-Initiative als Verstoß gegen den Vergleich und klagt vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart.

Doch um den Vergleich durchsetzen zu können, müssen eine Reihe von formalen Fußangeln beachtet werden: Titel beantragen, auf Vorrat Androhung ankündigen – mit anderen Worten, um unnötige Prozesskosten in einem aus formalen Gründen nicht mehr zu gewinnenden Prozess zu sparen, zog der Kläger seine Klagen zurück. Denn auch in solchen Prozessen geht es schnell einmal um einige tausend Euro.

So ist das: über die Sache wurde überhaupt nicht verhandelt. Und mit den Kosten hatte die IHK wohl auch keine Probleme: Mit ihrer Vertretung beauftragte sie eine Kanzlei, die in einem Hamburger Verfahren schon mal bei einem Fall mit Streitwert 5.000 € ein Honorar von rund 100.000 € kassiert hatte. Ja, die IHK gibt ja nur das Geld ihrer Zwangsmitglieder aus, da kann man sich schon mal großzügig zeigen!

Und was macht jetzt die Kaktus-Initiative? Damit sind wir beim letzten Teil meiner heutigen Rede. Den Teil mit der Zukunft.

Zuvor möchte ich aber noch auf den Fernsehsender Regio TV hinweisen. Dieses ist ein regionaler Fernsehsender, der stundenweise aus der Region Stuttgart, Schwaben, Bodensee berichtet. Regio TV ist ein Unternehmen des Schwäbischen Verlags, zu der auch die Schwäbische Zeitung gehört. Der Sender ist stark wirtschaftsbezogen und sendet auch schon mal Interviews, in denen erklärt wird, warum S21 so lange dauert und wie gut es trotzdem doch voran geht.

Zurück zur Zukunft: Was die IHK betrifft, da wissen wir mal wieder: zumindest den Funktionären der IHK Region Stuttgart können wir nicht trauen. Geschlossene Vergleiche kümmern sie nicht, sie vertrauen auf formale Fußangeln, die man mit teuren Anwälten legen kann. Und das kennen wir ja aus der Welt der Wirtschaft zur Genüge: gerne beruft sich die Wirtschaft auf Gesetze, die sie selbstverständlich einhält. Und sollten die mal nicht in ihrem Interesse sein, dann siehe Dieselskandal.

Was sich diese Damen und Herren unter Zukunft vorstellen, hat in der Oktoberausgabe des Magazins für Familienunternehmen „DIE NEWS“ Sarna Röser formuliert. Ihr kennt Sarna Röser nicht? Sie sagt von sich selbst: „Ich bin leidenschaftliche Unternehmerin, Netzwerkerin und Nachfolgerin eines in dritter Generation geführten Familienunternehmens. Ich bin mit dem Unternehmertum und allem was dazu gehört, groß geworden.“ Sarna Röser ist designierte Nachfolgerin des in dritter Generation geführten Betonwerks (!) Karl Röser & Sohn in Mundelsheim. Seit kurzem ist sie zudem Bundesvorsitzende des Verbandes „Die Jungen Unternehmer“.

Und wie sieht diese junge, engagierte Mittelstandsunternehmerin die Zukunft? „Die Bundesregierung muss endlich anfangen, ihre Prioritäten anders zu setzen: mehr Zukunft und weniger Sozialstaat!“ Hattet Ihr eigentlich was anderes erwartet?

Aber beachtet bitte diese klare Aussage: Zukunft ist für Kapitalvertreter nur denkbar mit weniger (oder am besten ohne) Sozialstaat. Und damit sind Grundsicherung, Renten, soziale Mieten, optimaler öffentlicher Nah- und Fernverkehr und und und gemeint.

Die Fronten wären also geklärt. Und was macht die Kaktus-Initiative?

Wir fangen mit unserer Zukunft gleich morgen an. Da machen wir eine Aktion vor der IHK. Um 18 Uhr machen wir auf die Zwangsmitgliedschaft aufmerksam und auf die Verschwendung in der IHK. Quasi als Vorbereitung für die Beratung und Beschlussfassung des Haushaltes 2020, die am Donnerstag in der nächsten Vollversammlung anstehen.

Und ein Beispiel für Verschwendung gefällig? Aber gerne. Da ist hinter der IHK, vom Hauptbahnhof gut einsehbar, der Weinberg der IHK mit dem über allem thronenden Weinberghäusle. Dieses Häusle erinnert uns an die ersten Absprachen zu S21 oder an die Vorbereitungen der IHK zur Breitbandnetzvergabe an die Telekom. Und auch hier lässt sich die Reihe fortsetzen.

Das klingt schon fast so wie Geschichten aus der Stuttgarter Heimat, nicht wahr? Aber es sind nicht unsere Geschichten.

Und wir haben einmal gerechnet, was denn der Wein aus dem Weinberg der IHK so kostet. (Der Wein wird als „Kammerwein“ nur von der IHK verwendet.) Also wir kamen für eine Flasche dieses Weines auf einen Kostenbetrag von mindestens 30 €. Das ist zu viel, das kann man sparen. Die IHK braucht keinen eigenen Weinberg, schon gar nicht zu diesem Luxuspreis!

Und so starten wir morgen schon in das Jahr 2020, dem Jahr, in dem die Vollversammlung wieder gewählt wird. Die Kaktus-Initiative tritt an und strebt mehr Sitze an als sie jetzt schon hat: 34 von 100. Vielleicht werden es ja viel mehr. Wir werden weiter berichten.

Und ja: morgen seid Ihr herzlich um 18 Uhr vor der IHK willkommen! Und das Schöne ist: wer kommt, kann oben bleiben! In diesem Sinne dank ich Euch.

Lasst uns eine obenbleibende Zukunft für uns gestalten!

Rede von Jürgen Klaffke als pdf-Datei

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