Freiheit? Für wen?

Rede von Judith Scheytt, Fridays for Future, auf der 647. Montagsdemo am 6.2.2023

Das Jahr 2023 hat für die deutsche Klimabewegung sehr turbulent begonnen. Bereits ein paar Tage nach der Jahreswende wurde Tag X in Lützerath ausgerufen, gefolgt von einer bundesweiten Mobilisierung nach Lützerath. Es folgten zwei Wochen voller Anstrengungen und Situationen, die viele an ihre körperlichen Grenzen brachten – da ließ Verkehrsminister Wissing schon die nächste Bombe platzen: Es geht um das „Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren“.

Am Vorbild des schnellen LNG-Terminalbaus sollen Genehmigungs- und Prüfungsverfahren für alle möglichen Infrastrukturmaßnahmen beschleunigt und teilweise ausgelassen werden. Darunter würden sowohl Straßen und Wasserstraßen, als auch Schienen fallen.

Der schnellere Ausbau von Schienen und ÖPNV ist natürlich super wichtig, wenn es nicht gerade um unsinnige Großprojekte wie Stuttgart 21 geht, bei denen der Fokus nicht auf einer Verbesserung, sondern auf Profiten liegt. Ein Ausbau von Autobahnen in einem Land wie Deutschland ist stattdessen hochgefährlich und kostet Menschenleben.

Und natürlich besteht die sehr realistische Sorge, dass dieses Gesetz nur ein grünes Aushängeschild ist, um bestimmten Parteien die Möglichkeiten zu geben, fossile Projekte schneller und mit geringerem Protest durchzusetzen.

Und auf all diese Einwände und Argumente hat Wissing nicht mehr zu sagen als: ,,Autofahren ist Freiheit“.

In einer Zeit, in der Freiheit für die meisten Menschen alles andere als selbstverständlich ist, in einer Zeit, in der überall auf der Welt Menschen für Freiheit aufstehen, für Freiheit kämpfen und auch für Freiheit sterben – sei es in Palästina, der Ukraine oder im Iran – in dieser Zeit wagt es ein deutscher Verkehrsminister das Wort ,,Freiheit“ für ein Verkehrsmittel zu missbrauchen, das so offensichtlich und deutlich für Millionen Menschen alles andere als Freiheit bedeutet.

  • Was ist mit den 13 Millionen Kindern, die zu jung sind, um einen Führerschein zu machen?
  • Was ist mit den 13 Millionen Erwachsenen, die keinen Führerschein gemacht haben? Auch in einem Autoland wie Deutschland ist es legitim, das Geld, die Zeit und die Energie für einen Führerschein einzusparen.
  • Was ist mit den 13 Millionen Menschen, die in Armut leben, von der meistens sozial geschwächte und marginalisierte Gruppen wie Frauen, queere Menschen, schwarze Menschen, People of Colour, behinderte Menschen und so weiter betroffen sind?
  • Was ist mit all den lungenerkrankten Menschen in Deutschland?
  • Was ist mit all denen, die der Luftverschmutzung schon zum Opfer gefallen sind, deren Anzahl Deutschland international übrigens auf Platz 11 der Luftverschmutzungstoten bringt?
  • Was ist mit den Menschen mit Behinderung, die körperlich nicht in der Lage sind, Auto zu fahren oder sich nicht einfach so ein Auto anschaffen können, dass zu ihren Bedürfnissen passt?

All diese Gruppen vergisst Wissing in seiner Gleichung, sie spielen gar keine Rolle, er definiert einfach so für sich, dass Autofahren Freiheit bedeutet. Und ja, natürlich bedeutet Autofahren für ihn als reicher Mann Freiheit. Aber als Verkehrsminister machst du nicht Politik für dich selbst, als Minister solltest du kompetent genug sein, um zu verstehen, dass es viele andere Lebensrealitäten gibt!

Wenn die geplanten Autobahnprojekte aus den letzten Jahren umgesetzt werden, würde das circa 100 Milliarden Euro kosten. Es ist interessant zu sehen, für was Deutschland immer mal wieder einfach so 100 Milliarden Euro hergibt, nur leider lieber für fossile Projekte als für eine Lebensgrundlage für alle.

Wenn es um Klimagerechtigkeit geht, wird um jedes bisschen gerungen, obwohl wir anscheinend Geld haben, wenn wir nur wollen – das wird immer wieder aufs Neue bewiesen.

Wissing beantwortet ebenso wenig, woher er dann das Geld für den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln und anderen gerechten Alternativen hernehmen will. In dieser ganzen Logik wird so viel vergessen und unter den Tisch gekehrt, sie ist ebenso ungerecht wie realitätsfern.

Wir sind hier, weil wir uns Freiheit nicht von einem weißen Verkehrsminister definieren lassen. Wir sind seit Jahren hier, weil die Bevölkerung im 21. Jahrhundert bereit ist, jeden Schritt der Bundesregierung zu beobachten und wenn nötig einzuschreiten und auf die Straße zu gehen, und wir werden weiter hier sein, weil es genug ist mit Profiten, weil jetzt die Menschen an der Reihe sind!

Wenn Herr Wissing aktiv Arbeitsverweigerung betreibt und sie mit solchen Aussagen legitimiert, dann ist das ein Schlag ins Gesicht für alle, für die das Einhalten seiner eigenen Klimaziele im Verkehrssektors mehr ist, als nur das Einhalten eines Vertrags, für sie ist es die Frage, ob ihre Heimat untergeht oder nicht, ob ihre Kinder Hunger leiden oder nicht.

Ob Wissing letztendlich zu inkompetent oder zu ignorant ist oder beides, am Ende kommt es auf die gleichen zerstörerischen Klimafolgen heraus!

Rede von Judith Scheytt als pdf-Datei

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Freiheit? Für wen?

  1. andrea behrendt sagt:

    wissing ist auch soeiner der seine taschen füllen will da nutzt er ales.er ist javerkehrsminister und ein blender.
    so ist das mit der geldgier der oberen.

  2. Carmen Guala sagt:

    Ich bedanke mich ganz besonders bei den Ingenieuren 22, die eine hochqualifizierte Arbeit leisten, und das alles im Ehrenamt.

Kommentare sind geschlossen.