Betrug der Deutschen Bahn mit den Rostrohren

Rede von Dipl.-Ing. Hans Heydemann, Ingenieure22, auf der 669. Montagsdemo am 31.7.2023

Werte Mitstreiter für den Erhalt des Kopfbahnhofes,

im Frühjahr 2014 wurde das Grundwassermanagement (GWM) mit seinen „blauen Rohren“, die sich bis weit oben in das Kernerviertel hin erstreckten, in Betrieb genommen. Jetzt, nachdem die S21-Baugruben wieder geschlossen sind, haben die Rohre ausgedient und werden abgebaut. Nun zeigt sich, wie stark diese verrostet sind.

Dies belegt, wie sehr wir Recht hatten, als wir damals immer wieder vor dem Einsatz solcher Rohre gewarnt haben, aber nie gehört worden sind. Stahlrohre ohne inneren Korrosionsschutz unterliegen unvermeidbar der Korrosion durch Bildung von Eisen(2,3)Hydroxid (= Rost) bis hin zur völligen Aufzehrung des Eisen-Werkstoffes. Über die 10 Jahre Bauzeit hinweg wurden so riesige Mengen stark mit Rost verunreinigtes Wasser in den Untergrund des Stuttgarter Heilquellenschutzgebietes versenkt.

Damit waren die Straftatbestände der Gewässer-Verunreinigung (§ 324 StGB) sowie der Bodenverunreinigung (§ 324a StGB) erfüllt. Doch unsere Strafanzeige vom 31.7.2014 wurde von der Stuttgarter Staatsanwaltschaft als unbegründet abgewiesen, weil ein Anfangsverdacht für das Vorliegen einer Straftat nicht erkennbar sei.

Das alles geschah im Auftrag der DB AG mit Wissen und Billigung des Amtes für Umweltschutz, das als Untere Wasserbehörde zuständig war für die Überwachung der Einleitungen. Dies in einer Zeit, in der die Grünen, die doch stets „Transparenz“ und „Umweltschutz“ einfordern und sich vor der Landtagswahl 2011 entschieden gegen das Vorhaben Stuttgart 21 geäußert hatten, danach alle hierbei maßgebenden Stellen eingenommen hatten – voran der „grüne“ Ministerpräsident Kretschmann und sein „grüner“ Verkehrsminister Hermann, gefolgt vom „grünen“ Umweltminister Franz Untersteller und schließlich dem „grünen“ Oberbürgermeister Fritz Kuhn, zu denen sich später noch der „grüne“ Regierungspräsident Reimers gesellte. Obwohl allen der Sachverhalt mit den „Rostrohren“ mitgeteilt wurde, ist keiner von ihnen eingeschritten.

Umweltminister Untersteller hatte 2014 in einem persönlichen Schreiben an einen besorgten Bürger betont, wie wichtig ihm doch der Schutz des Heilquellenschutzgebietes sei und er alles für dessen Erhalt tun werde. Die Befürchtung aber, dass die Rohre verrosten könnten und so das Grund- und Mineralwasser schädigen, wies er als unbegründet zurück und schrieb dazu: „Zusammenfassend teile ich die Meinung meiner Fachabteilung und unabhängiger Experten, dass die Verwendung von Stahlrohren unter den gegebenen Betriebsbedingungen als grundwasser-verträglich eingestuft und eine Gefährdung der Mineralquellen ausgeschlossen werden kann.“

Bei näherem Hinsehen erweist sich das Ganze als ungeheurer Betrugsfall der DB AG und offenbart ein Kartell schweigender Zustimmung, wie es selbst die Mafia nicht besser hingekriegt hätte.

Gemäß den Angaben der Planfeststellung sind 2,77 Mio. m³ Infiltrations-Wasser über 55 Sickerbrunnen in den Untergrund der Kern- und der Innenzone des Heilquellenschutzgebietes und weitere 1,63 Mio. m³ Infiltrationswasser im PFA 1.5 (Rosenstein-Park) über 23 Sickerbrunnen versenkt worden, zusammen also 4,4 Mio. m³ „Rostbrühe“. Bezogen auf den festgestellten Mittelwert von 15 mg Eisen je Liter Infiltrationswasser ergibt das 92,5 t Eisen(2,3)Hydroxid (= Rost), die in der Kern- und Innenzone des Heilquellenschutzgebietes verbotswidrig über die Bauzeit von S21 hin eingeleitet worden sind.

Weitere 0,61 Mio. m³ Überschusswasser wurden in den Neckar eingeleitet – mitten in das vom Bundesamt für Wasserwirtschaft ausgewiesene „Fisch-Schongebiet“ bei der Rosensteinbrücke!

Von den ursprünglich vorhandenen etwa 175 t Eisen der „blauen Rohre“ sind etwa 77 t Eisen d.h. rund 44% herausgelöst und in den Untergrund bzw. in den Necker versenkt worden.

Die Planfeststellung hat dem Schutz des Heilquellenschutzgebietes obersten Rang eingeräumt und das Einleiten von Fremdstoffen, die den „hydrochemischen Charakter“ des Grundwassers beeinflussen könnten, in den Untergrund des Heilquellenschutzgebietes untersagt. Ausdrücklich wird darin in Ziff. 7.1.10 gefordert, dass „alle Baustoffe, die mit dem Grundwasser in Berührung kommen, grundwasser-verträglich“ sein müssen. Das gilt selbstredend auch für die Rohrleitungen. Mit den hier eingesetzten Rohren aus gewöhnlichem Stahl ohne inneren Korrosionsschutz ist das jedoch nicht einhaltbar.

Dies war auch den Beteiligten von Anfang bewusst, waren doch zunächst „für das IW-System vorzugsweise HDPE-Rohre vorgesehen“ (siehe 7. Planänderung, Teil 3 „Wasserwirtschaft“ vom 30.3.2010 / Ordner 3.3 Ziffer 3.2; S.3/2). HDPE-Rohre sind aus korrosionsfestem Kunststoff und haben sich im Wasser-Rohrleitungsbau bewährt; damit wären die Forderungen des Planfeststellungsbescheides ohne weiteres einzuhalten gewesen. Vergeben wurde dann aber ein Auftrag an die Hölscher Wasserbau GmbH über Rohre aus gewöhnlichem Stahl P235 (= ST 37) mit PUR-Schaum-Ummantelung, sogenannte Kunststoff-Mantel-Rohre (KMR) wie im Fernwärme-Leitungsbau gängig.

Damit begann der Betrug der DB, denn diese Rohre haben keinen inneren Korrosionsschutz. Dennoch hatte der DB-Konzernbevollmächtigte Fricke in der öffentlichen Vorstellung des Grundwasser-Managements mit dem Infiltrations-Leitungsnetzes am 27.5.2011 im Stuttgarter Rathaus versichert, „selbstverständlich ist ein innerer Korrosionsschutz vorgesehen“, als ich ihn darauf hinwies, dass das gezeigte Musterrohr doch gar keinen inneren Korrosionsschutz habe.

Auf Nachfrage hatte die damalige S21-Beauftragte der Stadt Stuttgart, Frau Alice Kaiser am 11.7.2011 dazu folgende Antwort der DB AG mitgeteilt: „Die Deutsche Bahn AG als Vorhabenträgerin des Projekts Stuttgart 21 hält sich grundsätzlich an die Planfeststellungsbeschlüsse und hat dem folgend bei der Ausschreibung der Bauleistungen für das Grundwassermanagement die Verwendung von Stahlrohren mit PE-Innenbeschichtung vorgegeben. … Die Baufirma, ein in Bereich Wasserhaltung, Brunnenbau und Umwelttechnik sehr erfahrenes und renommiertes Unternehmen mit langjähriger Erfahrung bei Großprojekten, hat eine Alternative angeboten. Die Deutsche Bahn AG hat die Firma entsprechend aufgefordert, die Gleichwertigkeit des Materials nachzuweisen. Eine entsprechende Dokumentation liegt vor. Wir erkennen weder eine Verletzung gegen die Bestimmungen aus der Planfeststellung noch sehen wir eine Gefährdung des Grundwassers. Die von der Firma vorgelegten Unterlagen wurden der zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Eisenbahn-Bundesamt, übergeben.“

Allein schon diese Vorgehensweise bei der Auftragsvergabe an Hölscher legt den Verdacht auf einen Verstoß gegen das EU-Vergaberecht sowie auf Betrug und Bestechung nahe. Anstatt der ursprünglich vorgesehenen HDPE-Rohre wurden also EU-weit Stahlrohre mit PE-Innenbeschichtung ausgeschrieben, die aber am Markt nicht gängig sind, um anschließend Hölscher mit seinem „Alternativangebot“ zu beauftragen. Ein abgekartetes Spiel also?

Die dann vorgelegte „Dokumentation zur Gleichwertigkeit“ beschränkt sich indessen auf eine dürftige dreiseitige Stellungnahme des Auftragnehmers Hölscher Wasserbau GmbH vom 4.7.2011 sowie eine zweieinhalbseitige Stellungnahme einer Dr. Spang Ingenieurgesellschaft für Bauwesen, Geologie und Umwelttechnik in Witten / NRW vom 7.7.2011, beide also weit nach der Auftragsvergabe und erst nach Vorliegen der Bürgernachfrage zum Korrosionsverhalten der Rohre.

Bei genauerem Hinsehen erweisen sich beide als haltlos; die von der DB AG behauptete Gleichwertigkeit der Rohre wird darin gar nicht bescheinigt, sondern nur erklärt, es würde sich „flächenhaft eine dünne Eisenhydroxidschicht ausbilden. Diese schützende Deckschicht kann als innerer Korrosionsschutz in Ansatz gebracht werden. Des Weiteren ist das geförderte Rohwasser als gering korrosiv einzustufen.“

Vom zuvor behaupteten Innen-Korrosionsschutz ist man also abgerückt und erklärt nur noch die Unbedenklichkeit der einzusetzenden Rohre. Dass dem aber nicht so war, zeigen jetzt die Bilder der Rohre nach deren neunjähriger Einsatzzeit mit ihren dicken Rostschichten.

Das Eisenbahn-Bundesamt fiel jedoch auf diesen Bluff herein und gab sich mit dieser „Dokumentation“ zufrieden und ließ die DB AG gewähren. Das Amt für Umweltschutz, als Untere Wasserbehörde überwachungspflichtig, hätte es besser wissen müssen und beim Überprüfen der vorgelegten Dokumentation den Schwindel erkennen und unterbinden müssen, unterließ das jedoch. Damit ist das Amt für Umweltschutz mitverantwortlich für den eingetretenen Umweltschaden. Unsere schon frühzeitig gegebenen Hinweise auf Rostbildung in den Rohren wurden beiseite gewischt.

Stattdessen behauptete das Amt für Umweltschutz, die von einem zertifizierten Probenehmer entnommen Wasserproben seien klar und ohne Befund gewesen; das seien die „objektiven Fakten“. Wie aber konnte ein „zertifizierter Probenehmer“ klares Wasser aus einer Leitung entnehmen, die ersichtlich Rostwasser führt, wie unsere dem Amt übermittelten Aufnahmen deutlich zeigten?

Die Erklärung hierfür: Der als feinste Schwebeteilchen im Wasser mitgeführte Rost wurde vor der Untersuchung aus der Probe abfiltriert und somit entfernt, wie das Amt für Umweltschutz im Antwortschreiben an eine besorgte Bürgerin auf deren Nachfrage hin angegeben hatte. Die Wasserproben waren dadurch jedoch verfälscht und untauglich als Nachweis der Unbedenklichkeit! Es gab an den Versickerungsbrunnen, über die das Bauwasser wieder in den Untergrund eingeleitet wurde, ja keine Abfiltrier-Einrichtungen; der gesamte im Wasser gelöste Rost wurde unvermeidbar mit in den Untergrund des Heilquellenschutzgebietes eingeleitet.

Zudem ist durch Zeugen-Aussagen sowie Fotos und Video-Aufzeichnungen belegt, wie die Mitarbeiter von Hölscher zur Probeentnahme die Rohrleitungen zuvor erst sehr lange und gründlich „klarspülen“ – wodurch die anschließend gezogenen Proben vorsätzlich verfälscht und damit untauglich sind als Nachweis der Unbedenklichkeit! Unverständlich zudem, dass der Auftragnehmer Hölscher sich selber überwachen durfte.

Ein weiterer Beweis für das in den Infiltrationsleitungen geführte Rostwasser ergab sich am 24.6.2014 an der S21-Baustelle in der Jägerstraße, als ein Baustellen-LKW die dort aufgebauten „blauen Rohre“ umgerissen hatte und aus den aufgetrennten Rohrleitungen deutlich sichtbar eine Rostbrühe herauslief. Die Rohre waren bereits damals innen stark verrostet! Jetzt konnte niemand mehr bestreiten, dass in den „blauen Rohren“ kein klares Wasser, sondern eine mehr oder weniger starke Rostbrühe anstand, deren Einleitung in das Heilquellenschutzgebiet weder zulässig noch verantwortbar war!

Daraufhin wurde ein zweimonatiges „Monitoring“, eine zusätzliche Überwachung also, durch ein unabhängiges, akkreditiertes Prüflabor angeordnet. Damit beauftragte Hölscher nun die AGROLAB GmbH mit Sitz in Bruckberg/Niederbayern, die ihrerseits als Probenehmer den „Büroservice Daniela Hölzle-Rein“ in Stuttgart-Feuerbach mit den Geschäftsfeldern Büro- und Schreibarbeiten, Urlaubsvertretungen, Event- und Party-Veranstaltungen“ eingeschaltet hatte. Ein Büroservice als Probenehmer – geht´s noch? Was für eine unglaubliche Posse! Von einer „zertifizierten Probenahme“ kann da nun wirklich keine Rede mehr sein.

Auch diese Prüfberichte waren fehlerhaft und somit untauglich als Nachweis eines unbedenklichen Zustandes der in den Untergrund eingeleiteten Infiltrationswässer.

Einer der wesentlichen Mängel war, dass Angaben über Trübungen und Verfärbungen der Proben in den Prüfberichten weggelassen waren. Das Amt für Umweltschutz hat daraus den nicht haltbaren Schluss gezogen, die Proben seien „unauffällig“ gewesen. Unzulässig war weiterhin der Umgang mit zwei Proben, die Werte von 570 mg/l bzw. 542 mg/l aufwiesen, was eine erhebliche Überschreitung des höchstzulässigen Einleitwertes von 20 mg/l an „Feststoffen“ darstellt. Doch anstatt dem nachzugehen und weitere Messungen zur genaueren Klärung anzuordnen, wurden die Werte kurzerhand aus den Prüfberichten entfernt – eine nicht haltbare Vorgehensweise!

Immerhin hat das Amt für Umweltschutz „methodische Fehler“ eingeräumt; das Prüfinstitut „hätte fragliche Analyse-Werte nicht ersatzlos aus den Prüfberichten streichen dürfen und die Rückstellproben aufbewahren müssen“, anstatt diese zu vernichten.

Die Schlussfolgerung des Amtes für Umweltschutz, „derart hohe Werte … seien unplausibel und deshalb zu Recht vom Amt für Umweltschutz bei der weiteren Bewertung nicht berücksichtigt worden“ zeigt indessen auf, dass das Amt für Umweltschutz vorsätzlich die Unterdrückung der tatsächlichen Ergebnisse aus dem „Monitoring“ betrieben hat und so die Wertung bewusst verfälscht hat.

4,4 Mio. m³ Rostbrühe sind unzulässigerweise in den Untergrund des Heilquellenschutzgebietes versenkt worden – zum Schaden der Allgemeinheit. Wir dürfen nicht zulassen, dass die dafür Verantwortlichen ungeschoren davon kommen, sie müssen zur Rechenschaft gezogen werden!

Bleiben wir also wachsam und oben!

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Eine Antwort zu Betrug der Deutschen Bahn mit den Rostrohren

  1. Jobst Knoblauch sagt:

    Lieber Hans Heydemann !
    Du hast mal wieder gründlich recherchiert und dabei die Machenschaften unserer Politiker und Behörden ans Licht gebracht. Keiner wird die Verantwortung für diese Missstände übernehmen. Kein Staatsanwalt wird Klage erheben. Alles wird im Sande verlaufen; denn keine Krähe hackt der anderen ein Auge aus. Korruption gibt es IN THE LÄND nicht. Die gibt es nur in Afrika.
    Dir, Hans, sei Dank!
    Jobst

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