Rede von Frank Schweizer bei der 169. Montagsdemo

Rede von Frank Schweizer, Netzwerk Kernerviertel, auf der 169. Montagsdemo am 22.4.2013

Blaue Rohre im Kernerviertel

Liebe Freunde des Kopfbahnhofs!

Ich habe heute mal wieder die Gelegenheit, Euch mein Leid zu klagen.

Als Eigentümer, dessen Haus unterfahren werden soll, gebe ich nicht auf, gegen ein unsinniges Projekt zu protestieren und zu agieren. Ich habe aber viele Mitstreiter, die genauso betroffen sind.

Einer von uns hat wieder mal einen Tiefschlag erhalten. Am Freitag hat das Bundesverfassungsgericht die Annahme einer Beschwerde abgelehnt. Diese Beschwerde wurde eingelegt, weil ein Bewohner aus seiner Wohnung in Zentrumslage wegen des Fildertunnels vertrieben werden soll. Die Beschwerde beruht unter anderem auf der Feststellung, dass Stuttgart 21 auf der Basis falscher Annahmen genehmigt wurde. Vor allem wurde eine Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs veröffentlicht, die zu keinem Planungszeitpunkt jemals zugetroffen hat.

Es muss immer wieder laut gesagt werden: Stuttgart 21 ist ein Rückbau und nichts für die Zukunft.

Das Bundesverfassungsgericht teilt mit, dass – auch im konkreten Fall – „sich eine Enteignung verbiete, wenn sie aufgrund nachträglich eingetretener Änderungen der Sach- oder Rechtslage nicht mehr dem Gemeinwohl dienen würde.“ Kapiert?

Der Verwaltungsgerichtshof habe das nicht verkannt. Die Verfassungsrichter sollten mal einem Erkenntnisprozess in Mannheim beiwohnen. Das könnte unter Umständen auch dem Gemeinwohl dienen.

Wir geben nicht auf. Unser Widerstand geht weiter.

Nicht alle von uns sind in der Lage, sich an öffentlichen Aktionen wie Blockaden zu beteiligen. Aber wir sind froh, dass so viele von Euch dabei sind. Wir, die Netzwerker im Kernerviertel, am Killesberg, auf der Gänsheide, in Gablenberg, Wangen und Untertürkheim wehren uns mit den uns verfügbaren Mitteln. Doch unsere Mediengesellschaft braucht Aktionen, damit die Botschaften von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Frühaufsteher treffen sich z.B. am Dienstagmorgen zum gemeinsamen Kaffeeklatsch an den blauen Rohren, um ernstzunehmende Zeitungsartikel auszutauschen.

Ich stehe auch deshalb hier, weil wir vom Kernerviertel endlich Aufklärung über die Risiken für unsere Häuser fordern, die sich aus dem Bau der Tunnel und aufgrund des Grundwassermanagements ergeben würden.

Es gab Tage in Stuttgart, da hat der Baubürgermeister sich im Technischen Ausschuss in aller Öffentlichkeit empört, dass die Bahn AG nicht in der Lage ist, ein Gutachten vorzulegen, das über diese Risiken aufklärt. Der grüne Umweltminister hat die Fachaufsicht an sich genommen, um aufzuklären.

Demnächst begehen wir die Jahrestage dieser Aussagen. Wir geben keine Ruhe, bis die Bahn die Risiken, die sie in einem dicken Ordner aufgelistet hat, der Öffentlichkeit preisgibt. Vielleicht steckt da auch ein GAU drin, der erst bei einem weiteren Baufortschritt mit größtem Bedauern registriert und zugegeben wird.

Statt aufzuklären macht die Bahn weiter mit demonstrativen sinnlosen Baumaßnahmen. So wie die Bäume kropfunnötig und vorzeitig gefällt wurden, werden jetzt Blaue Rohre durch die Straßen im Kernerviertel verlegt, obwohl ein Baubeginn am Tiefbahnhof erst begonnen werden kann, wenn das erhöhte Grundwassermanagement genehmigt ist. Die Einwendungen gegen die 7. Planänderung liegen beim Regierungspräsidium. Die Erörterung der zahlreichen Einwendungen kann aber erst stattfinden, wenn sich die Bahn bequemt hat, dazu Stellung zu nehmen. Wir sind es ja gewohnt, dass die Bahn pfeift und die Behörde spurt. So wie der einstmals geplante Filderbahnhof als genehmigt betrachtet wird, bevor überhaupt ein Antrag auf Planfeststellung eingereicht ist.

Wir befinden uns offenbar auf dem Weg zur Bananenrepublik. Entschuldigung, das ist schon fast eine Beleidigung für jede Banane.

Die Geheimniskrämerei gab es früher auch schon bei öffentlichen Betrieben, vor allem in den vormals autoritären Systemen. Laut Umweltinformationsgesetz wurde den Bürgern mehr Information versprochen. Doch offenbar gilt das nicht für die Bahn. Das Aktiengesetz macht aus der bundeseigenen Bahn einen Staat im Staate. Die Geheimdienste lassen grüßen. Wie lange wollen wir noch dulden, dass das wichtigste Infrastrukturunternehmen in Deutschland von Leuten gesteuert wird, die sich jeder öffentlichen Kontrolle entziehen und womöglich noch mehr dafür bekommen als jeder Sparkassendirektor oder Regierungschef einer Wirtschaftsmacht.

Das muss sich ändern. Die Bahninfrastruktur gehört wieder unter öffentlicher Kontrolle, zumal sie aus öffentlichen Mittel finanziert wird.

Vor Jahren wollte man die Bahn insgesamt privatisieren, damit der Finanzminister seinen Haushalt ausgleichen kann. Es ist zu befürchten, dass die Investoren etwas genauer hingeschaut haben als ein ehemaliger Ministerpräsident beim Schnäppchen des Jahres 2010. Wo sind die Milliarden, die es für die Funklizenzen gab ? Wo sind die vielen Millionen, die man bei Crossborder-Geschäften eingenommen hat, wo ist das Geld aus den vielen Privatisierungen ? Weg, einfach weg. Wenn im Laufe des Jahres wieder Wahlgeschenke gemacht werden, dann zählt mal nach, was in Eurer Tasche ankommt – aus dem Topf der Misswirtschaft.

Verzichten wir auf Wahlgeschenke, die ja nur ein kurzer Rausch sind. Sorgt dafür , dass der nächste Finanzminister beständig Geld aus der Schienenbenutzung bekommt und nicht nur Gewinnausschüttungen nach Gutdünken der Bahnvorstände. Die Schiene ist eine üppigere Geldquelle und nachhaltiger als die Nachzahlungen von reuigen Steuersündern.

Da ich nicht mehr Zeit habe, verzichte ich darauf, aus dem alternativen Geschäftsbericht vorzulesen. Doch ich empfehle die Lektüre dringend. Dort stehen viele Informationen, die beim Bundestagswahlkampf immer wieder wiederholt werden müssen.

Bis die Bahn wieder dem Volk gehört. OBEN BLEIBEN

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